Bundessozialgericht entscheidet über Verfassungswidrigkeit

Regelsatz für Kinder auf dem Prüfstand

Das Bundessozialgericht in Kassel will heute in zwei Verfahren über die Frage entscheiden, ob der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder bis 14 Jahre deren Existenzminimum deckt. Kläger sind vier Kinder, die zusammen mit ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft leben und Hartz-IV-Leistungen beziehen.

Autor/in:
Frank Leth
 (DR)

Sie hatten im Jahr 2005 jeweils 207 Euro monatlich erhalten. Nach dem Gesetz erhalten Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 Prozent des Regelsatzes eines alleinstehenden Erwachsenen und ältere Kinder 80 Prozent.

Die Kläger machten bei den zuständigen Jobcentern geltend, dass der gesenkte Regelsatz - das sogenannte Sozialgeld - nicht ihr verfassungsrechtlich garantiertes Existenzminimum gewährleistet. Ein höheres Sozialgeld lehnten die zuständigen Jobcenter mit Hinweis auf die gesetzlichen Regelungen ab. Hält das Bundessozialgericht in Kassel die Hartz-IV-Regelsatzhöhe für Kinder für verfassungswidrig, muss das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die zwei Verfahren entscheiden.

"Elternrecht auf niedrigstes Niveau reduziert"
Der Rechtsanwalt Martin Reucher, der einen der Kläger vertritt, sieht in den Hartz-IV-Regelsätzen grundlegende Gebote unserer Verfassung verletzt. "Gesundheit und körperliche Unversehrtheit sind mit den Hartz-IV-Regelsätzen nicht zu gewährleisten", so Reucher. Das Elternrecht auf Pflege und Erziehung der Kinder werde mit dem geringen Sozialgeld auf niedrigstes Niveau reduziert.

Im Gegensatz zur früheren Sozialhilfe werde mit Hartz IV bei Kindern nicht mehr der tatsächliche Bedarf ermittelt. Der Gesetzgeber habe mit der Hartz-IV-Reform ohne Begründung den Bedarf eines Kindes bis zum 14. Lebensjahr auf 60 Prozent eines Erwachsenen festgelegt. Kinder haben aber "ganz alterstypische Bedarfe, die in Teilbereichen sogar höher sein können als die von Erwachsenen", sagt Reucher. Beispielsweise werde ein wachstumsbedingter Bedarf an Kleidung und Ernährung mit dem Sozialgeld gar nicht berücksichtigt. Die Politik habe mit Hartz IV offenbar nur Geld sparen wollen. "Sozialleistungen nach Kassenlage" seien mit dem Grundgesetz aber unvereinbar.

Künftig 246 Euro Sozialgeld
Allein steht Reucher mit seiner Auffassung nicht. Bereits am 29. Oktober 2008 hatte das Hessische Landessozialgericht in einem anderen Verfahren die Regelsätze für Kinder für verfassungswidrig eingestuft und den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die hessischen Richter kamen nach Einholung von vier Gutachten zu dem Ergebnis, dass der besondere Bedarf von Familien mit Kindern durch die Hartz-IV-Regelleistung nicht berücksichtigt wird. Es gebe keinen sachlichen Grund, warum für Kinder bis zum 14. Lebensjahr der Regelsatz auf 60 Prozent eines Erwachsenen festgelegt wird. Er decke nicht das soziokulturelle Existenzminimum von Familien und verstoße damit gegen das Grundgesetz, so das Landessozialgericht.

Die mögliche Verfassungswidrigkeit der Regelsätze für Kinder hat auch die Bundesregierung tätig werden lassen. So sieht das geplante Konjunkturpaket II vor, dass ab 1. Juli 2009 der Regelsatz für Kinder von sechs bis einschließlich 13 Jahren von 60 auf 70 Prozent erhöht wird. Damit erhalten Kinder dieser Altersgruppe künftig 246 Euro Sozialgeld.