Bundesrichter: Hartz IV für Kinder verstößt gegen Grundgesetz

211 Euro sind nicht genug

Die "Hartz-IV"-Leistungen für Kinder sind nach Ansicht des Bundessozialgerichts verfassungswidrig. Die derzeitige Regelung, nach der unter 14-Jährigen nur 211 Euro im Monat und damit 40 Prozent weniger als alleinstehenden Erwachsenen zustehen, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, befanden die Kasseler Richter am Dienstag. Im domradio begrüßte Heinz Hilgers, Präsident des deutschen Kinderschutzbundes, den Beschluss.

 (DR)

Über die Frage muss jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Bereits im Oktober hatte das hessische Landessozialgericht in Darmstadt Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des sogenannten Sozialgelds angemeldet und die Karlsruher Richter angerufen.

Vor dem BSG ging es um zwei Klagen von "Hartz-IV"-Empfängern aus Dortmund und dem Landkreis Lindau am Bodensee. Die Kläger machten unter anderem Verstöße gegen die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip geltend. "Das soziokulturelle Existenzminimum wird nicht gewährleistet", sagte Anwalt Martin Reucher. Deutschlands oberste Sozialrichter wollten dagegen die Höhe der Leistungen nicht grundsätzlich für zu niedrig erklären, um den Lebensunterhalt von unter 14-Jährigen zu sichern.

Sie rügten vielmehr die mangelnde Begründung der gesetzlichen Regelung: Statt das Sozialgeld pauschal auf 60 Prozent des Arbeitslosengelds II festzulegen, hätte die Bundesregierung "in dem grundrechtssensiblen Bereich der Sicherung des Existenzminimums von Kindern" genau ermitteln und bestimmen müssen, wie groß der Bedarf von Kindern und Jugendlichen sei. Zudem bedeute es eine Ungleichbehandlung, dass Kinder von Arbeitslosengeld-II-Empfängern anders als der Nachwuchs von Sozialhilfefamilien keinen zusätzlichen Bedarf etwa für Babynahrung oder Ausbildungskosten geltend machen könnten.

Auch die mangelnde Differenzierung nach Altersstufen beanstandete der Senat: Bislang bekommen Neugeborene genauso hohe Sozialleistungen wie Jugendliche bis zu ihrem 14. Geburtstag. Erst danach steigt das Sozialgeld auf 80 Prozent der Leistungen für Erwachsene. Im Zuge des Konjunkturpakets II will die Bundesregierung die Unterstützung für 7- bis 14-Jährige zwar auf 70 Prozent (also 246 Euro im Monat) anheben. Zu der für Juli dieses Jahres vorgesehenen Neuregelung nahm das BSG in seinen Beschlüssen jedoch keine Stellung.

Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums kündigte in Berlin eine ausführliche Prüfung der Urteilsbegründung an. Er verwies jedoch darauf, dass ein Teil der Beanstandungen des Bundessozialgerichts mit der Neuregelung im zweiten Konjunkturpaket erledigt sei.