Bündnis fordert einen verringerten Mehrwertsteuersatz für Kinderprodukte

Popcorn! Pralinen! Puder?

Ein Bündnis aus Verbänden und Wirtschaft fordert einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf alle Produkte und Dienstleistungen für Kinder gefordert. "Die Politik muss sich entscheiden, ob sie etwas für Familien tun möchte in Deutschland", sagt Claudia Hagen vom Familienbund der Katholiken. Was genau, erklärt sie im Interview mit domradio.de

 (DR)

domradio.de: Wie kommt es, dass in Deutschland Hundefutter, Hotelübernachtungen oder Blumen förderungswürdiger sind, als Familienartikel?

Hagen: Diese Frage haben wir uns auch gestellt. Es ist ja so, dass der reduzierte Mehrwertsteuersatz 1968 eingeführt wurde, damit sich auch Menschen mit geringem Einkommen bestimmte lebensnotwendige Güter leisten können, dazu zählen der öffentliche Nahverkehr, Lebensmittel, Kulturgüter wie Bücher. Und im Lauf der Jahrzehnte sind immer mehr Ausnahmen dazugekommen, die wir völlig unsystematisch finden. Sie haben einige aufgezählt: Dazu gehört auch das Popcorn, gehören Pralinen oder Hotel-Übernachtungen. Das Ziel ist ganz offensichtlich, ganz offensichtlich bestimmte Wirtschaftszweige zu entlasten. Wir bemängeln, dass Familien davon bislang komplett ausgenommen wurden. Und das möchten wir ändern.



domradio.de: Derzeit betragen die Schulden in Deutschland mehr als acht Billionen Euro. Wie wollen Sie den Finanzminister und die Regierung umstimmen, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Kinderprodukte wichtig ist?

Hagen: Da muss sich die Politik schon entscheiden, ob sie etwas für Familien tun möchte in Deutschland, ob sie wirklich Ja sagt zu einer kinder- und familienfreundlichen Gesellschaft - oder eben nicht. Wir sind der Meinung, dass die Familien einen ganz wesentlichen Beitrag leisten, indem sie ihre Kinder versorgen und aufziehen - und damit für die Zukunft unseres Landes sorgen. Und deshalb müssen sie dringend entlastet werden. Familien geben jeden Monat viel Geld aus für die Dinge, die ihre Kinder brauchen. Von den Windeln, Schulbedarf bis zur Kleidung. Und nicht alle Familien können sich das leisten.



domradio.de: Wie viel Euro hätten Familien denn, etwa bei der Babyerstausstattung, mehr in der Tasche, gäbe es die sieben Prozent Mehrwertsteuer für Kinderprodukte?

Hagen: Da würden sich die jungen Eltern rund 200 Euro sparen. Das wären bei der Einschulung eines Kindes etwa 40 Euro und bei den jährlichen Ausgaben für Schuhe und Kleidung etwa 60 Euro. Wir haben ausgerechnet, dass die Familien in Deutschland insgesamt etwa 950 Millionen Euro im Jahr sparen würden, wenn der Mehrwertsteuersatz ermäßigt würde. Das ist eine Menge!



domradio.de: Nun gibt es sicher auch diejenigen, die sagen, Eltern kriegen ihren Hals nicht voll: Kinderfreibetrag, Elterngeld, Kindergeld um nur einige Sozialleistungen zu nennen. Das müsste doch reichen. Was entgegnen Sie diesem Argument?

Hagen: Wir haben in Deutschland eine Kinderarmutsquote, die wir immer noch viel zu hoch finden. Wir müssen einfach feststellen, dass Kinder seit Jahren und Jahrzehnten die ärmste Bevölkerungsgruppe in Deutschland sind, das ist ein Zustand, der ist nicht tragbar für unsere reiche Gesellschaft, weil aus der Kinderarmut auch Bildungsarmut hervorgeht. Kinder werden schlechter gesundheitlich betreut. Und hier muss man einfach was tun. Und jedes Mittel, jede Unterstützung ist da recht.



domradio.de: Wie fällt die Resonanz aus der Politik bislang aus?

Hagen: Wir haben Zustimmung bekommen. Einige Abgeordnete haben uns signalisiert, dass sie unsere Kampagne sehr gut finden. Wir haben eine Homepage, hier kann man unsere Kampagne mit einer Unterschrift unterstützen. Vor einer Woche haben wir die Kampagne gestartet - seitdem haben wir 5.000 Unterschriften gesammelt.



Das Gespräch führte Christian Schlegel.



Hintergrund: Aktuelle Bündnispartner der Kampagne "7 Prozent für Kinder" sind der AWO-Bundesverband, der Spielwarenversand Jako-o, das deutsche Kinderhilfswerk sowie die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF). Die AGF ist ein Zusammenschluss des Deutschen Familienverbandes, der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen, des Familienbundes der Katholiken, des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter und des Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften.