Buch dokumentiert Quellen zum Tod von Johannes Paul I.

Ende des Krimis um den 33-Tage-Papst

Der jähe Tod des gerade erst zum Papst gewählten Albino Luciani 1978 ließ Verschwörungstheorien aufkommen. Der Vatikan nährte dies durch Ungenauigkeiten. Jetzt soll ein Dokumentationsband Klarheit schaffen.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Johannes Paul I. / © N.N. (KNA)
Johannes Paul I. / © N.N. ( KNA )

Koronare Herzerkrankung aufgrund von Arteriosklerose: Diese Formel soll die Mythen um den jähen Tod von Johannes Paul I. beenden.

Es ist eine Notiz des päpstlichen Leibarztes Renato Buzzonetti, die jetzt, vier Jahrzehnte später, zusammen mit anderen medizinischen Dokumenten veröffentlicht wird. "Nach so vielen Mutmaßungen, nach so vielen Rekonstruktionen auf der Grundlage ungeprüfter Gerüchte erfahren wir jetzt, was in den letzten Lebensstunden dieses Papstes geschah", schreibt Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in einem Vorwort.

Pontifikat unter keinem guten Stern

Vielleicht stand ja das ganze Pontifikat unter keinem guten Stern: Im brütenden Hochsommer schlossen sich am 25. August 1978 die Türen der Sixtinischen Kapelle zum Konklave. "Wir starben fast vor Hitze", berichtete Kardinal Silvio Oddi. Nach nur vier Wahlgängen fiel tags darauf die Entscheidung für den 65-jährigen Albino Luciani. Der weiße Rauch, der den Gläubigen auf dem Petersplatz einen neuen Pontifex ankündigen sollte, blieb indes undefinierbar grau. Der Gewählte selbst sagte den Kardinälen: "Gott verzeihe euch, was ihr getan habt."

Luciani nannte sich nach seinen beiden Vorgängern Johannes XXIII. (1958-1963) und Paul VI. (1963-1978) Johannes Paul I. - mit der nachgestellten Ordnungszahl, als rechne er schon mit einem Nachfolger. Zugleich sagte er in seinem ersten Angelus-Gebet, ihm fehle die Herzensgüte von Johannes und die Gelehrsamkeit von Paul.

Das entsprach seiner Bescheidenheit, die sein Bischofsmotto war - "Humilitas". Aber es schien auch ein Signal, dass er sich den Erwartungen nicht gewachsen fühlte.

Gesten deuteten auf neuen Kurs

Seine ersten Gesten deuteten auf einen neuen Kurs: Statt des majestätischen "Wir" sagte er "ich", er verzichtete auf die Papstkrone bei der Amtseinführung und willigte nur widerstrebend in den Gebrauch des Tragesessels ein. Bald lernte er aber auch die Tücken des neuen Amtes kennen. Als er in einer Ansprache Gott mit einer liebenden Mutter verglich, löste er prompt eine Debatte über die Weiblichkeit Gottes aus.

Johannes Paul I. war als Kandidat der progressiven Kardinäle auf den Thron gekommen; ein Jahr zuvor hatte er auf einer Bischofssynode gefordert, den "Kampf gegen Ungerechtigkeit" zum Kirchengebot zu erklären. Sein Papstamt empfand er jedoch weniger als Chance zum Aufbruch: Er nannte es eine "schwere Last", fühlte sich einsam. Nach vier Wochen erlebte der italienische Politiker Giulio Andreotti ihn "fahl, fast zusammengebrochen". Am 28. September abends war er tot.

Mogeleien beflügelten Verschwörungstheorien

Eine Ordensfrau fand ihn am nächsten Morgen leblos im Bett; das schien dem Vatikan so delikat, dass man die Entdeckung einem Sekretär zuschrieb. Nach offizieller Darstellung starb der Papst mit einem geistlichen Buch in der Hand; in Wirklichkeit war es ein Skript für die Generalaudienz. Solche Mogeleien beflügelten Verschwörungstheorien, Johannes Paul I. sei beseitigt worden, weil er korrupten Finanzgeschäften im Vatikan und dunklen Netzwerken der Macht in die Quere kam.

Laut der Kirche ist der Papst einem Herzleiden erlegen - und das will jetzt ein Buch untermauern. Auf 252 Seiten und mit einem Vorwort von Kardinal Parolin dokumentiert der am Dienstag in Italien erscheinende Band "Papa Luciani. Cronaca di una morte" ("Papa Luciani - Chronik eines Todes") Krankenakten, medizinische Berichte und Medikationen zusammen mit internen Notizen und Zeugenaussagen - bislang unveröffentlichte Materialien, ausgewertet in Zusammenhang mit dem seit 2003 laufenden Seligsprechungsverfahren.

Tod durch Infarkt

Stefania Falasca, Vize-Anwältin des Verfahrens, zitiert so erstmals die Notiz des Arztes Buzzonetti über eine Schmerzattacke im Brustbereich, die Johannes Paul I. beim gemeinsamen Abendgebet mit seinem Sekretär John Magee wenige Stunden vor seinem Tod erlitt. Dokumentiert wird auch ein Fragekatalog, mit dem die Kardinäle von Medizinern Auskunft über eine Fremdeinwirkung beim Papsttod suchten. Offenbar war ihnen bewusst, dass das plötzliche Ableben Gerüchte schüren werde.

Falasca verstand ihre Arbeit als Ermittlungstätigkeit: Fakten sichern, Dokumente auswerten, bis zu einem Punkt, der keine Zweifel mehr zulässt. Ihre Rekonstruktion der letzten Stunden fügt sich in die frühere Kranken- und Familiengeschichte Lucianis. Der 33-Tage-Papst endete durch einen Infarkt: "Das ist die nackte und traurige Wahrheit", sagte Falasca dem Sender Radio Vatikan. Kardinal Joseph Ratzinger, der damals am Konklave teilnahm, formulierte es einmal geistlich: Die Vorsehung habe zur Wahl der Kardinäle einfach "Nein" gesagt.


Quelle:
KNA