Genuas Erzbischof Angelo Bagnasco zurückgetreten

Brückenbauer und Berlusconi-Kritiker

Franziskus hat den Rücktritt von Genuas Erzbischof Angelo Bagnasco angenommen. Damit tritt einer der führenden konservativen Köpfe in Italiens Kirche ab. Prinzipientreu wie vermittelnd, galt er 2013 gar als Papstkandidat.

Autor/in:
Roland Juchem
Kardinal Angelo Bagnasco / © Paul Haring (KNA)
Kardinal Angelo Bagnasco / © Paul Haring ( KNA )

Angelo Bagnasco ist kein lautstarker Kirchenvertreter. Eher gilt der langjährige Erzbischof von Genua als besonnener Stratege. Mit seiner leisen Stimme hat der hagere, feingliedrige Kardinal etwas Aristokratisches, stammt als Arbeitersohn aber aus einfachen Verhältnissen.

Nun hat der Papst den Amtsverzicht aus Altersgründen angenommen, den der heute 77-Jährige schon vor gut zwei Jahren eingereicht hatte.

Als Papstkandidat gehandelt

Damit tritt ein konservativer, vermittelnder Kirchenführer von der Bühne ab. Beim Konklave 2013 war Bagnasco vielfach als "papabile" gehandelt worden. Damals hatte er bereits sechs Jahre lang die nationale Bischofskonferenz geleitet - und er tat es für vier weitere Jahre auf dem nicht leichten politischen wie kirchlichen Terrain Italiens.

Auch solche Erfahrungen und Eigenschaften dürften seine europäischen Mitbrüder bewogen haben, ihn 2016 zum Präsidenten des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) zu wählen; diese Amtszeit endet 2021.

Als im August 2018 in Genua die Polcevera-Brücke bei einem Unwetter einstürzte, beteiligte sich Bagnasco nicht an vorschnellen Schuldzuweisungen von Politikern und auch manchem Kirchenmann.

Stattdessen beschwor der Erzbischof der gebeutelten Stadt den sozialen Zusammenhalt. Bei der Trauerfeier, an der zwar die Staatsspitze, aber nur Angehörige von nicht mal der Hälfte der Opfer teilnahmen, sprach Bagnasco vom "Riss durch das Herz" der Menschen und der Stadt; da "spüren wir, wie notwendig zwischenmenschliche Bindungen sind". Sie gehörten "zum Gewebe einer Gesellschaft, die sich zivilisiert nennt". Der Beifall der Trauergäste bekräftigt ihn.

Geboren wurde Bagnasco am 14. Januar 1943 in Pontevico bei Brescia in Norditalien. 1946 kehrte die Familie aus dem kriegsbedingten Aufenthalt in ihre Heimat Genua zurück. Dort wurde der Arbeitersohn 1966 zum Priester geweiht. Nach Kaplansjahren und einer Promotion in Philosophie wurde er 1980 Dozent in Genua.

1998 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Pesaro an der Adria; 2003 übernahm er das Amt des Militärbischofs. Drei Jahre später trat Bagnasco an die Spitze des Erzbistums Genua, nachdem der Vorgänger Tarcisio Bertone von Benedikt XVI. als Kardinalstaatssekretär in den Vatikan geholt worden war.

Große Beachtung fand Bagnasco mit seinen Grundsatzansprachen zu Beginn der Bischofsvollversammlungen. Regelmäßig schnitt er aktuelle ethische und gesellschaftliche Fragen etwa zu Lebensschutz und Familienförderung, zum Schul- und Bildungswesen, zu Flüchtlingsfragen oder Gewalt an.

Auf Distanz zu Berlusconi

Energisch wandte sich Bagnasco gegen ein Partnerschaftsgesetz für Homosexuelle - sogar mit dem Argument, genauso gut könne man Inzest und Pädophilie erlauben. Das brachte ihm neben viel Protest auch eine Todesdrohung ein; er erhielt Polizeischutz.

Klarer als andere Bischöfe in Italien ging Bagnasco seinerzeit zu den moralischen und politischen Sonderwegen des damaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi auf Distanz. 2009 warnte er vor "Männern, die im Delirium ihrer eigenen Großartigkeit ertrunken sind, die die Illusion von Allmacht hinterlassen und moralische Werte verdrehen".

Daneben setzte sich der Genueser Erzbischof mit dem Verhältnis zu der wachsenden Schar von Nichtglaubenden auseinander: An der theologischen Fakultät in Genua unterrichtete er unter anderem das Fach "Zeitgenössischer Atheismus".

Anfang dieser Woche noch lobte Bagnasco die Fortschritte beim Wiederaufbau der eingestürzten Autobahnbrücke in Genua. Sie seien "ein Signal, das wir angesichts der schweren Prüfung durch die Corona-Pandemie umso dringender brauchen". Vereint und mit "zusammengebissenen Zähnen" werde man die Krise überwinden.

Bagnascos Nachfolger auf dem Bischofsstuhl der Hafenstadt, der Franziskaner-Minorit Marco Tasca, wird sich als Brückenbauer noch erweisen müssen. Durch dessen Ernennung bricht Franziskus mit der Tradition konservativer Genueser Erzbischöfe. Seit den Zeiten von Kardinal Giuseppe Siri (1906-1989), dem konservativen Wortführer beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), hat sich vieles verändert - nicht nur in Genua.


Quelle:
KNA