Bruder Paulus über den neuen Werbeslogan für "Big Brother"

"Jeder Mensch hat bereits seinen Wert"

Vor dem Comeback von "Big Brother" rührt Sat.1 die Werbetrommel. "Was ein Mensch wert ist, bestimmst Du", heißt es da. Für Medien-Experte Bruder Paulus ist das ein Unding, aber in Zeiten von Klicks und Likes nicht verwunderlich.

Sat.1 trommelt für "Big Brother" / © Uta Vorbrodt (DR)
Sat.1 trommelt für "Big Brother" / © Uta Vorbrodt ( DR )

DOMRADIO.DE: Ich bin über das Plakat gestolpert. Sie auch? 

Bruder Paulus Terwitte (Kapuzinerbruder): Ich bin auch über so ein Plakat gestolpert und ich habe erst mal gedacht: Was ist das denn? Ich finde, das geht gar nicht. Gleichzeitig denke ich mir: Wie kommen die da eigentlich drauf? Dann klingelt es bei mir natürlich. Weil in den sozialen Medien findet auch Bewertung statt. Alle wollen bewertet werden, wollen Klicks und Likes haben.

Bruder Paulus Terwitte (KNA)
Bruder Paulus Terwitte / ( KNA )

Und es gilt: Wer wer noch mehr Klicks und Likes hat, ist noch mehr wert. Dabei wird eigentlich total vergessen, dass der Wert eines Menschen nicht von einem anderen Menschen bestimmt werden kann. Sondern der Wert, den hat jeder Mensch an sich und trägt ihn auch in sich.

DOMRADIO.DE: Schauen wir mal zurück. Begonnen hat das vor 20 Jahren mit Big Brother, dass Menschen 24 Stunden in einem Container sitzen und videoüberwacht von Zuschauern angeguckt werden können. Das war damals ein Tabubruch. Heute lacht man da drüber, oder?

Bruder Paulus Terwitte: Das kennen wir schon vom Dschungelcamp. Das ist eigentlich nur peinlich, dass da C, D und E-Promis aufgerufen werden. Ich selber war übrigens auch an Heiligabend im Big-Brother-Container zu Gast und habe denen die Weihnachtsgeschichte erzählt. Ich habe mir gedacht: Na ja, das sind auch Menschen. Warum sollen wir nicht auch diesen Hirten, Schafen oder was immer es sind, die Frohe Botschaft verkünden? Noch einmal zurück zu dieser Kampagne: Da steht doch tatsächlich: "Jeder Mensch ist etwas wert. Aber dann entscheidest du, wie viel." Und das geht natürlich gar nicht.

DOMRADIO.DE: Das läuft allen möglichen Menschen-Bildern konträr entgegen. Müsste eigentlich nicht die Kirche in so eine Werbeslogan-Gebahren eingreifen?

Bruder Paulus Terwitte: Da muss man sich immer fragen, ob da noch mehr Bambule gemacht wird. Dann entsteht auch noch mehr Aufmerksamkeit für diese Werbekampagne. Das muss gut abgewogen werden. Aber ich glaube, die Menschen fühlen sich sowieso schon wertlos. Da muss man sich nur die Plegeschlüssel in Alten- und Pflegeheimen ansehen. Da stöhnen die alten Menschen sehr darüber, dass hier die Wertigkeit fehlt. Das kann man so auch weiter fortführen. Von daher greift diese Kampagne etwas auf, das in der Gesellschaft sowieso schon ein Thema ist. Da müssen wir als Kirche natürlich aufstehen.

DOMRADIO.DE: Also, wenn ich mit einer App bestimme, ob jemand dort bleibt, oder nicht, geht das ein bestimmtes Bedürfnis an?

Bruder Paulus Terwitte: So gesehen: Daumen hoch, der bleibt am Leben. Daumen runter, der muss sterben. Die Kaiser haben das gehabt, und ein bisschen schlummert das in jedem Menschen drin. Das findet man etwa auch in Computerspielen, wer siegt und wer verliert. Die Frage ist nur: Was sind die Spielregeln? Und das Zweite ist: Bleibt es ein Spiel?

Da haben wir leider auch in unserem Land ganz schlimme Vorfälle gehabt. Da haben Leute Menschen gehetzt, niedergestochen und gestoßen, weil andere sagen: Du bist es gar nicht wert, dass du noch lebst, dass man sich um dich kümmert, das man dir ein Obdach gibt. Das erleben Menschen schon so im echten Leben. Da muss ich sagen: Das ist vom Teufel. 

DOMRADIO.DE: Gibt es in der christlichen, in der kirchlichen Tradition oder Geschichte etwas, wo Menschen bewertet wurden?

Bruder Paulus Terwitte: Daumen hoch und Daumen runter - das ist natürlich auch im Kölner Dom zu bestaunen. Da gibt es das Endgericht. Christus sitzt da oben, und die zur Rechten dürfen rein, die Linken müssen draußen bleiben. Da gibt es schon so etwas wie die Bewertung von Taten. Ist das gut? Ist das richtig? Wir müssen natürlich auch Taten bewerten, Entscheidungen bewerten. Wir müssen nach Wertmaßstäben auch sagen: Das ist nicht gut. Das müssen auch Richter entscheiden, ob jemand ins Gefängnis geht oder nicht.

Aber da halten wir es doch mit dem Heiligen Augustinus, der gesagt hat, wir sollen die Sünde hassen, aber den Sünder, den müssen wir lieben. Und lieben heißt eigentlich: Ich blicke durch bis zu deinem Wert, den Gott dir gegeben hat. Denn der leuchtet sowas von auf, dass nichts, aber auch gar nichts dieses Leuchten irgendwie behindern kann.

Das Interview führte Uta Vorbrodt. 

Paulus Terwitte OFMCap

Bruder Paulus wurde als Bernhard Gerhard Terwitte 1959 im westmünsterländischen Ahaus geboren. Nach dem Abitur lernte er den Kapuzinerorden kennen. Mit 19 Jahren trat er in den Orden ein, studierte Theologie in Münster und Graz und wurde am 11. Mai 1985 in Münster zum Priester geweiht.

Bruder Paulus Terwitte im Portrait / © Norbert Demuth (KNA)
Bruder Paulus Terwitte im Portrait / © Norbert Demuth ( KNA )
Quelle:
DR