Brauchtumsexperte erklärt Josef als Vater und Arbeiter

Nicht nur "der Mann am Rande"

Am 1. Mai ist "Tag der Arbeit". Auch die Kirche feiert mit: Seit 1955 ist der "Arbeiterkampftag" auch Gedenktag von "Josef, dem Arbeiter". Was dahinter steckt und wie sich das Bild von Josef gewandelt hat, weiß Manfred Becker-Huberti.

Figur des heiligen Josef mit dem Jesuskind  / © Harald Oppitz (KNA)
Figur des heiligen Josef mit dem Jesuskind / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Über Josef an sich, diesen Mann, der immerhin sozusagen der Erziehungsberechtigte von Jesus war, erzählt die Bibel ja nicht wirklich viel.

Manfred Becker-Huberti / © Harald Oppitz (KNA)
Manfred Becker-Huberti / © Harald Oppitz ( KNA )

Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti (Brauchtumsexperte und Theologe): Ja, über ihn wird in der Bibel wirklich wenig berichtet. Ich habe mal nachgezählt – fünfundzwanzigmal bei Lukas, siebzehnmal bei Matthäus. Zwei Hinweise bei Johannes, bei Markus kommt er überhaupt nicht vor.

DOMRADIO.DE: Warum erzählt die Bibel eigentlich so wenig über den Mann, der für Jesus ja immerhin die Vaterfigur war?

Becker-Huberti: Er ist sozialer Vater, aber nicht sein leiblicher Vater. Als sozialer Vater war er notwendig, um Jesu Abkunft von David zu belegen, das ist sein eigentlicher Grund. In einem Buchtitel wurde er einmal als "der Mann am Rande" bezeichnet. Er kommt in den ersten Darstellungen der Geburt Jesu nicht einmal vor. Und bei den späteren Jahrhunderten, dem dritten, vierten, fünften, sechsten, siebten und achten, spielt er nur am Rand eine Rolle.

Manfred Becker-Huberti

"Als sozialer Vater war er notwendig, um Jesu Abkunft von David zu belegen, das ist sein eigentlicher Grund."

Diesen Darstellungstyp nennt man Josefszweifel. Das heißt, er ist einer, der grummelt und am Rande sitzt und das Ganze beobachtet, aber keinen aktiven Teil dazu beiträgt. Das ändert sich dann in den späteren Jahrhunderten. Da opfert er seine Hose als Windel oder kocht Milchsüppchen. Er wird in der Rolle des Nährvaters gezeigt und kommt erst sehr viel später in die Rolle des Erziehers.

Stillende Muttergottes mit Jesuskind und schlafender Josef – Fresko vom Meister von Narni im Santuario Francescano in der Grotte des ersten Krippenspiels in Greccio. / © Stefano Dal Pozzolo/Agenzia Romano Siciliani/KNA (KNA)
Stillende Muttergottes mit Jesuskind und schlafender Josef – Fresko vom Meister von Narni im Santuario Francescano in der Grotte des ersten Krippenspiels in Greccio. / © Stefano Dal Pozzolo/Agenzia Romano Siciliani/KNA ( KNA )

Das kommt dann eigentlich daher, dass man im 19. Jahrhundert die Kindheit als eigene Lebensphase entdeckt, in der man etwas lernen muss. Und die Entdeckung der Kindheit führt dazu, dass Josef als Erzieher in den Vordergrund tritt und zu einer Person wird, die wir als Kinder eigentlich immer gehasst haben. Er wurde immer als Drohfigur vorgeführt und das liebe, kleine Jesulein war ein Supertyp, sehr liebenswert und pflegeleicht.

DOMRADIO.DE: Nun gibt es ja den Gedenktag "Josef der Arbeiter". Der ist aber ja jetzt auch noch nicht so alt, dieser Gedenktag. Was hat denn Papst Pius XII. dazu veranlasst, ihn einzuführen?

Becker-Huberti: 1955 wird dieser Gedenktag eingeführt und er ist sicherlich eine Art Wiedergutmachung an der Arbeiterschaft, die von der Kirche etwas schmählich behandelt worden war bis zu diesem Zeitpunkt. Die Anerkennung des Arbeiters als eigener Klasse der menschlichen Arbeit ist mit diesem Tag verbunden, aber der 1. Mai als Tag der Arbeit ist schon ein ganzes Stück älter.

Er hatte sich herauskristallisiert als Tag, an dem man demonstrierte oder auch als Arbeiterschaft gemeinsam auftrat. Das hat etwas damit zu tun, dass der 1. Mai in unseren Kreisen hier nördlich der Alpen als Beginn des Frühjahrs gilt, während dies südlich der Alpen der 1. März ist.

DOMRADIO.DE Der 1. Mai ist traditionell der Kampftag der Arbeiterbewegung, trotzdem tun sich Teile der Kirche bis heute mit der Arbeiterbewegung schwer – warum eigentlich, wenn doch Josef höchstpersönlich Arbeiter war? 

Becker-Huberti: Das hat etwas mit der Akademisierung zu tun. In dem Ausmaß, wie der Klerus über die Universitäten in seinen Beruf gelangte, hatte man auch einen Abstand von der Arbeiterschaft. Die körperliche Arbeit galt als weniger wert als die geistige Arbeit.

Manfred Becker-Huberti

"In dem Ausmaß, wie der Klerus über die Universitäten in seinen Beruf gelangte, hatte man auch einen Abstand von der Arbeiterschaft."

Ich denke, das hat sich inzwischen ein wenig angeglichen und die meisten haben diese Vorurteile nicht mehr. Also die Anerkennung der Arbeit und der Arbeiterschaft ist heute unzweifelhaft gegeben.

DOMRADIO.DE: Josef, der Arbeiter. Was weiß man über diese Figur außer der paar Stellen, die wir schon besprochen haben?

Becker-Huberti: Er wird als eine Art Zimmermann bezeichnet, allerdings mit einem Begriff, der auch die Rolle des Architekten miteinbezieht. Er dürfte ein selbständiger Zimmermann gewesen sein, der aber Auftragsarbeit angenommen hat. In der Nähe der Stadt Nazareth gab es eine römische Siedlung, in der sicherlich Geld zu verdienen war für den hebräischen Zimmermann, der auf diese Art und Weise für den Familienunterhalt sorgte.

DOMRADIO.DE: Als Maria ihrem Mann Josef sagt, dass sie ein Kind erwartet, das nicht von ihm ist, hätte die Geschichte auch anders ausgehen können. Ist das sein größter Verdienst, dass er Jesus als seinen Ziehsohn ohne große Diskussionen angenommen und ihm eine Familie gegeben hat?

Becker-Huberti: Ich glaube, das größte Verdienst von ihm ist nicht nur, dass er das getan hat, sondern dass er es auch durchgehalten hat. Denn die Bibel und die Kirche behaupten, dass Maria Jungfrau gewesen und bei der Geburt sowie danach ebenfalls Jungfrau geblieben ist.

Das heißt, der Zimmermann Josef muss jemand gewesen sein, der dies toleriert hat und auch in der Lage war, seine Frau und sich gegen die Umwelt zu verteidigen. Das ist eine Leistung, die man erst einmal erbringen muss.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR