Brasiliens Kirche kämpft für saubere Kommunalwahlen

Urnengang und Todeslisten

Sie kontrollieren die Slums in den Großstädten, bedrohen ihre Gegner oder stellen gleich eigene Kandidaten auf: Vor den Kommunalwahlen in Brasilien rüsten Verbrechersyndikate und paramilitärische Gruppen zum Kampf. Beim Urnengang am 5. Oktober konkurrieren insgesamt rund 400.000 Bewerber um die Posten eines Bürgermeisters oder Ratsmitglieds in den gut 5.500 Gemeinden des größten südamerikanischen Landes. Es geht um Macht, Geld und Einfluss.

Autor/in:
Klaus Hart
 (DR)

Die Kommunen agieren weitgehend unabhängig als eigenständige Mitglieder der föderativen Republik. Hinzu kommt, dass die Ämter oft mit Dienstwagen und eigenem Mitarbeiterstab ausgestattet und meist gut dotiert sind.

Nicht jeder der Bewerber hat eine weiße Weste. Da gibt es außer den Sympathisanten des organisierten Verbrechens auch den ein oder anderen Politiker, der wegen Mordes oder anderer Kapitaldelikte angeklagt ist. Eine mögliche Wiederwahl sichert den Betroffenen ihre parlamentarische Immunität und erspart ihnen einstweilen den Gang zum Richter. Die katholische Kirche Brasiliens versucht, mit politischen Initiativen gegen die Missstände anzugehen. Ein Beispiel nennt Bischof Dimas Lara Barbosa, Generalsekretär der Brasilianischen Bischofskonferenz: "Das Gesetz gegen den weit verbreiteten Stimmenkauf haben wir formuliert - und damit bisher die Kandidatur von über 600 zwielichtigen Politikern verhindert."

Weniger erfolgreich war ein von den katholischen Bischöfen unterstützter Vorstoß des nationalen Richterbundes, die Kandidatur schwer belasteter Personen generell verbieten zu lassen. Das Oberste Gericht in Brasilia wies die Klage zurück. Solange jemand nicht rechtskräftig verurteilt sei, müsse die Unschuldsvermutung gelten.  Aufgeben will Barbosa dennoch nicht. "Wir sammeln jetzt 1,5 Millionen Unterschriften für ein entsprechendes Gesetzesprojekt", gibt sich der Weihbischof im Erzbistum Rio de Janeiro kämpferisch. Obwohl im gleichnamigen Teilstaat gegen fast die Hälfte der Parlamentarier Prozesse wegen Betrugs, Bandenbildung oder eben Mord laufen.

Angriffe aus dem evangelikalen Lager
Der Geistliche weiß nur zu gut, dass der Teufelskreis aus Korruption und Gewalt schwer zu durchbrechen ist. Zumal die Kirche angesichts des niedrigen Bildungsniveaus erhebliche Probleme haben dürfte, die Öffentlichkeit für Unterschriftenaktionen oder ähnliche Kampagnen zu mobilisieren. In jeder sechsten Stadt stellen Analphabeten die Wählermehrheit. Viele von ihnen sind für Stimmenkauf anfällig oder lassen sich von bewaffneten Kommandos einschüchtern. In den Slums der Großstädte patrouillieren Gangster mit umgehängter Maschinenpistole und weisen schon jetzt die Bewohner unmissverständlich an, für welche Kandidaten sie zu votieren haben.

Zu schaffen machen der katholischen Kirche überdies auch Angriffe aus dem evangelikalen Lager. Vertreter der stetig wachsenden "Universellen Kirche des Königreiches Gottes" (IURD) werfen ihr vor, mittlerweile selber zum verkommenen Establishment zu gehören und ihr Engagement für die Benachteiligten der brasilianischen Gesellschaft zu vernachlässigen. "Wer sich heute um die Armen sorgt, sind wir Evangelikalen", verkündet etwa Senator MarceloCrivella. Das Pikante daran: Der Politiker gehört der von der IURD dominierten "Republikanischen Partei" an - und hat gute Chancen auf den Bürgermeisterposten in Rio de Janeiro.