Botschafterin Schavan gratuliert Franziskus zum Achtzigsten

"Der Papst, der viel Dynamik in die Kirche bringt"

Annette Schavan ist die deutsche Botschafterin im Vatikan und trifft deshalb regelmäßig Papst Franziskus. Über ihre Wünsche zu seinem 80. Geburtstag an diesem Samstag spricht Schavan im domradio.de-Interview - und über eine ganz besondere Begegnung.

Annette Schavan mit Franziskus / © Uli Deck (dpa)
Annette Schavan mit Franziskus / © Uli Deck ( dpa )

domradio.de: Was wünschen Sie Papst Franziskus heute zum Achtzigsten?

Annette Schavan (Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl): Vor allen Dingen Wohlergehen, Kraft, Gottes Segen für ein Amt, das ja wirklich schwer und im Moment mit viel Dynamik verbunden ist. Da kann man ihm in diesem Alter schon ganz besonders wünschen, dass ihm die Kraft erhalten bleibt und diese ungewöhnliche Aufmerksamkeit für Menschen, die ihm begegnen. Und für die Zeit, in der wir leben und in der er ja wirkt wie ein Fels in der Brandung.

domradio.de: Da haben Sie schon ein Thema angesprochen, was ja unsereins von außen besonders interessiert: Wie schafft er das, die Strapazen seines Amtes wegzustecken? Was für einen Eindruck macht Papst Franziskus auf Sie?

Schavan: Das ist wirklich bewundernswert. Das Alter, dieses Pensum vor allem, die tägliche Begegnung mit so vielen Menschen. Und NIE haben diesen Menschen den Eindruck, er nimmt mich nicht wahr oder bekommt nicht mit, sondern immer sagen sie danach: "Das war eine Begegnung mit so viel Aufmerksamkeit, wie das selten in öffentlichen Begegnungen möglich ist." Er ist der Papst, der viel Dynamik in die Kirche bringt. Der ungewöhnlich aktiv ist. Aber, und vielleicht ist das eine Kraftquelle, er ist doch der Papst, der viel vom Gebet spricht und selbst ein Beter ist. Der sich zurückzieht. Der von sich selbst sagt: "Ja, ich mache viel, aber ich mache nur so viel, wie es geht." Er hat ein Gespür für seine Kräfte. Er hat ein Gespür für Rückzug. Er lässt sich nicht unter Druck setzen und hat wohl auch ein großes Gottvertrauen.

domradio.de: Sie haben eben gesagt, es sind immer wieder Begegnungen, bei denen klar wird, was Franziskus eigentlich ausmacht. Jetzt sind Sie Botschafterin beim Heiligen Stuhl und das bedeutet ja, dass Sie deutsche Gäste begleiten, die Papst Franziskus besuchen. Gibt es da Begegnungen, die Ihnen auch besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Schavan: Aus dem vergangenen Jahr ist mir besonders die Begegnung von über 1000 Pilgerinnen und Pilgern aus Mitteldeutschland im Gedächtnis geblieben, die unter dem Motto "Mit Luther zum Papst" einige Tage in Rom waren. Und sie habenauch den Papst getroffen in der großen Audienzhalle. Es stand eine dunkelrote Kunststofffigur von Martin Luther in der Audienzhalle. Das hätte sich Martin Luther sicher auch nie denken können und das war wieder so eine Begegnung, bei der der Papst die vielen, vor allem jungen, Leute aus Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen tief beeindruckt hat mit seiner Spontaneität, mit der Art, wie er antwortet. Am Ende hat er ihnen eine Frage gestellt: was denn wohl besser sei, evangelisch oder katholisch. Und nachdem natürlich alle geschmunzelt oder gelacht haben, hat er dann selbst geantwortet: "Am besten sind sie zusammen."

domradio.de: Sie beschreiben ihn ja auch als sehr direkt im Umgang. Wie sehen Sie denn sein bisheriges Pontifikat?

Schavan: Ich finde, dass dieses Pontifikat sowohl im Blick auf die Weiterentwicklung der Kirche, wie im Blick auf Politisches und die Weltlage, mit vielen Impulsen verbunden ist, die ihm ja, auch schon jetzt, weit über die Kirche hinaus, eine Autorität geben. Nach innen, in die Kirche hinein, ist er derjenige, der viel Erinnerungsarbeit leistet. Er erinnert an das, was beim Zweiten Vatikanischen Konzil beschlossen wurde. Er erinnert an die Ursprünge der Kirche. Er hat in diesen Tagen wieder gesagt: "Wir müssen aufpassen; der Klerikalismus treibt die Leute aus der Kirche." Er will, dass die Kirche ein gutes Gespür für die Lebenslagen von Menschen entwickelt, sie ernst nimmt, ihnen mit Respekt begegnet. Und auf der anderen Seite ist die Art des Politischen. Er mahnt eine globale Ordnung an, die das Überleben künftiger Generationen nicht gefährdet. Das Thema der nächsten Bischofssynode wird die Lage der Jugend sein. Immer wieder spricht er über die Situation junger Leute in der heutigen Zeit; darüber, wie sehr wir ihre Talente brauchen. Also das sind Stichworte, das sind inspirierende Gedanken, die auch in öffentliche Debatten eingreifen.

domradio.de: Und er will ja auch die Rolle der Frau in der Kirche stärken. Sehen Sie ihn da auf einem guten Weg?

Schavan: Nun, er hat ja mehrfach gesagt: "Kirche ohne Frau ist nicht vorstellbar." Er hat das marianische Prinzip sehr stark herausgearbeitet. Von daher bin ich davon überzeugt, dass in seiner Skepsis gegenüber Klerikalismus zugleich der Weg geebnet ist, zu sagen: "Kirche muss jetzt lernen, die Talente, die Charismen von Frauen UND Männern nicht nur wahrzunehmen, sondern auch zu nutzen." Ich glaube nicht, dass das zu großen strukturellen Veränderungen führt. Aber dazu, dass Kirche vor Ort stärker, und Kirche als Ganze stark, geprägt wird, von dem, was Frauen an Erfahrungen, an Kompetenzen und auch an Glaubenswegen in die Kirche einbringen.

domradio.de: Und welche Erwartungen haben Sie an den Heiligen Vater?

Schavan: Ich glaube, zu dem, was Papst Franziskus möchte, gehört, dass wir nicht immer Erwartungen an die Spitze haben, sondern, dass wir, jede und jeder, uns angesprochen fühlen. Ich wünsche ihm Kraft. Ich erwarte nicht diese oder jene Aktion. Ich wünsche mir, dass er mit seinem Weg für die Kirche, mit dieser neuen Weise nahe bei den Menschen zu sein, dass er da viele Mitstreiter bekommt und dass das, was damit auch selbstverständlich an Auseinandersetzung in der Kirche stattfindet, zu guten Wegen zu einer wirklichen Weiterentwicklung der Kirche führt - und für uns in Deutschland natürlich besonders wichtig: im nächsten Jahr auch zu weiteren Schritten auf dem Weg der Einheit der Christen.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR