DOMRADIO.DE: Wie groß ist Ihre Sorge um die Demokratie im Land?

Ralf Knoblauch (Diakon in der katholischen Kirchengemeinde Thomas Morus, St. Rochus und Augustinus in Bonn): Die letzte Woche war sicher so etwas wie eine Zäsur. Ich sehe dem Ganzen mit großem Schrecken entgegen, weil ich das Gefühl habe, dass eine große konservative Volkspartei, die für viele Christen und Christinnen sehr wichtig ist, für viele nur noch sehr schwer bis gar nicht wählbar ist. Deswegen gehen an diesem Montag viele auf die Straße.
DOMRADIO.DE: Sie haben im April letzten Jahres in einem Interview bei uns gesagt, die christlichen Kirchen könnten sich durchaus noch deutlicher positionieren. Wie sehen Sie das heute?
Knoblauch: Ich sehe das heute genauso, beziehungsweise noch stärker. Wir hatten gestern eine große Demonstration für Menschenwürde und Demokratie in Bonn. Unser Caritasdirektor Pierre Schneider hat dort sehr deutliche Worte für die Kirche gefunden. Vorhaben, wie eine Rückführung von Migranten oder Geflüchteten sind schwierige ethische Fragen, die für uns Christen eine Rolle spielen. Sie bringen uns in einen Gewissenskonflikt.
DOMRADIO.DE: Sie sind Diakon in der katholischen Kirchengemeinde Thomas Morus und an St. Rochus und Augustinus im Bonner Nordwesten. Dort gibt es die Online-Aktion "Offene Türen für Demokratie". Was ist das Ziel?
Knoblauch: Als Pastoralteam wollen wir öffentlich ein großes Zeichen setzen, um die Demokratie, um die Menschenwürde zu schützen. Wir haben im letzten Jahr ein großes Plakat an der Thomas-Morus-Kirche aufgehangen, auf dem der Artikel 1 unseres Grundgesetzes drauf steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar, und zwar in den Sprachen Arabisch, Ukrainisch und Deutsch. Jetzt, wo die Bundestagswahl näher rückt, haben wir sogenannte Türhänger gemacht, die man etwa aus Hotels kennt, wo sie oft an Türklinken hängen oder in Straßenbahn oben an den Stangen, wo man sich festhält.

Auf den Türhängern steht "Meine Tür ist offen für...". Da haben wir zur Ergänzung verschiedene Schlagwörter überlegt, wie Demokratie, Frieden, Toleranz, Gleichberechtigung, Freiheit. Jeder aus dem Pastoralteam hat sich so einen Türhänger genommen und ein persönliches Statement abgegeben und die Gemeinde aufgerufen, sich auch daran zu beteiligen. Die hängen in unseren Kirchen, im Pfarrheim und ganz unterschiedlichen Orten aus, jeder kann mitmachen, indem er so ein Türhänger nimmt, ein Foto davon macht und sein persönliches Statement über Demokratie und Menschenwürde abgibt. Bei mir steht "Meine Tür ist offen für Gleichberechtigung."
DOMRADIO.DE: Wie ist die Resonanz bislang?
Knoblauch: Wir haben sehr deutliche Statements aus der Gemeinde bekommen, die sich sehr klar positionieren und sagen 'Ich stehe für Menschenwürde und ich möchte, dass die Menschenwürde geachtet wird'. Wir sind ein pastoraler Raum mit vielen großen Konfliktfeldern. Wir sind eine Brennpunktgemeinde und haben viel mit dem Thema Migration zu tun. Da ist es für uns so wichtig, die Toleranz und das Miteinander zu stärken. Das ist das, was wir hier täglich leben.
DOMRADIO.DE: Sie als Kirchengemeinde engagieren sich vor allem in den Bereichen Caritas, Zusammenhalt, Inklusion. Für diese Werte wollen Sie sich gerade jetzt deutlich positionieren. Warum ist das so wichtig?
Knoblauch: Wir erfahren eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft, dass man gewisse Menschengruppen ausgrenzt, nicht mehr wahrnimmt und einfach ignoriert. Das wollen wir als Kirchengemeinde vehement verhindern. Wir haben eine offene Tür, wir sind ganz stark im interreligiösen Dialog. Wir machen das Fastenbrechen mit den Muslimen gemeinsam in unserem Pfarrheim. Wir stehen für unsere Werte der Offenheit und die wollen wir sehr klar nach außen hin zeigen. Wir bestücken nicht nur eine Nische damit, sondern das sind unsere Prioritäten.
Das Interview führte Carsten Döpp.