Bruder Paulus zu Umgang mit verwerflichen Gedanken

Bolsonaro die Pest an den Hals wünschen?

Der brasilianische Präsidenten Jair Bolsonaro setzt die Gesundheit seiner Bevölkerung aufs Spiel. Darf man ihn dafür etwas schlechtes wünschen? Der Gedanke ist verwerflich. Doch wie wird man ihn wieder los?

Jair Bolsonaro / © Eraldo Peres (dpa)
Jair Bolsonaro / © Eraldo Peres ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wenn Menschen erkranken, dann ist das nicht schön und in der Regel wünscht man gute Besserung. Nun ist der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro an Covid-19 erkrankt, an dieser durch das Coronavirus Sars-CoV-2 verursachten Lungenkrankheit, die er immer klein geredet hat. Zu Recht sind viele wütend auf ihn. Aber ihm Schlechtes wünschen? Ist das verwerflich? 

Bruder Paulus Terwitte (KNA)
Bruder Paulus Terwitte / ( KNA )

Bruder Paulus (Kapuzinerparter): Das ist auf jeden Fall verwerflich, weil wir halten uns einfach mal an das Evangelium, in dem Jesus deutlich sagt, dass wir schon, wenn wir jemandem Böses wünschen, auch Böses tun. Also nicht nur die Ermordung selber, sondern auch jemand den Tod wünschen und Ähnliches, sind Gedanken der Sünde. Was heißt Sünde? Dass ich nicht mehr auf dem Pfad bin, das Gute in dieser Welt zu wollen. Jemandem Krankheit und die Pest an den Hals zu wünschen, das ist nicht in Ordnung, wie wir auch sonst Menschen nichts wünschen dürfen, was ihnen schadet.

DOMRADIO.DE: Bolsonaro hat gerade noch sein Veto gegen erweiterte Maskenpflicht eingelegt. Im Grunde will er seiner Bevölkerung verbieten, gegen die Pandemie anzugehen. Inwieweit spielt in diesem ganzen Szenario möglicherweise Schadenfreude eine Rolle?

Bruder Paulus: Dass Menschen in so einem Szenario Schadenfreude empfinden, wenn uneinsichtige Menschen getroffen werden, ist nachvollziehbar. Es ist ja schon erstaunlich, dass in den Ländern, wo uneinsichtige Staatschefs regieren - Trump darf man auch mal daneben stellen -, die sich wissenschaftlichen Erkenntnissen verweigern, die Fallzahlen ständig steigen. Ich habe auch schon Leute gehört, die sagen: Hoffentlich kriegt Trump auch so was.

Aber diesen Menschen muss man sagen: Verständlich ist das, nur einem Menschen Böses wünschen, das gehört sich nicht. Das entspricht nicht dem Evangelium und auch nicht dem Umgang miteinander. Da sollten wir schon deutlich machen, das sind Ausdrücke von Aggression und Wut, jemanden so zu beschimpfen oder etwas Böses zu wünschen. Danach muss man sich wieder mäßigen und sagen: Wir wünschen diesem Menschen, dass er diese Krankheit bald wieder überwindet. Gleichzeitig dürfen wir auch darum beten, dass er einsichtiger wird.

DOMRADIO.DE: Das heißt, das Beten für solche Menschen könnte mir möglicherweise helfen, wenn ich nicht diesen sündigen Gedanken haben möchte: Er möge doch erkranken.

Bruder Paulus: Ich kann diese sündigen Gedanken in der Form der Psalmen ausdrücke. In den Psalmen gibt es abscheuliche Verwünschungen von Menschen: "Mögen die Übeltäter deiner Kinder an den Felsen zerschmettern", heißt es in einem berühmten Psalm. Aber es muss deutlich als Wutausbruch gekennzeichnet sein. Wenn ich nicht mehr anders denken kann, wird das zum Problem, und dann hilft Beten: Gott hilf mir, dass ich aus dieser Gedankenfalle herauskomme. Ein energisches Gebet, das diese Gedanken mit formuliert, kann reinigend wirken und eine ernsthafte und wichtige Funktion haben.

DOMRADIO.DE: Wie kann mir denn geholfen werden, wenn ich - gesetzt den Fall - wirklich diese Wutausbrüche und diese geballten Hassideen hätte?

Bruder Paulus: Dann sollte ich mich erstens dadurch kultivieren, dass ich mich frage: Würde ich mir wünschen, dass jemand mir so etwas an den Hals wünscht? Würde ich mir wünschen, dass Bolsonaro mir die Pest an den Hals wünscht? Natürlich will ich das nicht, sondern dass er anfängt, mit mir ernsthaft zu diskutieren. Gleichzeitig muss auch ich mich immer in eine Haltung bringen, dass ich ernsthaft diskutieren will. Wenn ich mit uneinsichtigen Menschen diskutiere, dann werde ich vielleicht auch zum Schöpfer dieser Welt Zuflucht nehmen müssen, um zu fragen: Kannst du mir mal sagen, warum du solche Betonklötze geschaffen hast?

Ich darf den Modus der Klage wählen. Psychologisch gesprochen werde ich mich fragen müssen, wie ich überhaupt meine aggressiven Gedanken kultiviere. Wie gehe ich mit Aggressionen um? Da gibt es bewährte Wege: Das eine ist, mal einen 20-Kilometer-Lauf zu machen. Der andere ist, sich diese Gedanken niederzuschreiben, um sie am nächsten Tag noch einmal anzugucken. Man sollte ja nichts aussprechen oder auch voller Emotionen schreiben und sofort losschicken, sondern nochmal eine Nacht drüber schlafen und auf Distanz gehen. So nennt sich das psychologisch: Selbstdistanzierung von den aggressiven Emotionen, die ich habe.

Das Dritte ist, dass ich tatsächlich mit anderen Menschen darüber spreche, mich mit ihnen gemeinsam aufrege und hoffentlich auch abrege. Statt mich in einer Internetblase zu bewegen, wo ständig meine Meinungen nochmal hochgeschaukelt wird, lieber reale Menschen in meinem Umfeld treffen, mit ihnen meinen Ärger teilen und darüber nachdenken, wie ich demokratische, politische wie mediale Instrumente nutzen kann, um meine Meinung besser zu vertreten.

DOMRADIO.DE: Wollen wir beide jetzt Herrn Bolsonaro gute Besserungswünsche übermitteln?

Bruder Paulus: Ich würde ihm sehr herzlich auf der ganzen Linie gute Besserung wünschen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt. 

Paulus Terwitte OFMCap

Bruder Paulus wurde als Bernhard Gerhard Terwitte 1959 im westmünsterländischen Ahaus geboren. Nach dem Abitur lernte er den Kapuzinerorden kennen. Mit 19 Jahren trat er in den Orden ein, studierte Theologie in Münster und Graz und wurde am 11. Mai 1985 in Münster zum Priester geweiht.

Bruder Paulus Terwitte im Portrait / © Norbert Demuth (KNA)
Bruder Paulus Terwitte im Portrait / © Norbert Demuth ( KNA )
Quelle:
DR