Blog des Chefredakteurs aus dem Vatikan zur Weltsynode #18

Ab durch die Mitte

Ein Bild sagt bekanntlich mehr als 1.000 Worte. Aber Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen gibt trotzdem seinen Senf dazu. Er beobachtet aus seinem "Rome-Office" die Weltsynode und beschreibt im Blog seine Eindrücke aus der ewigen Stadt.

Blick auf den Campo Santo Teutonico / © Anastasia Prisunko (shutterstock)
Blick auf den Campo Santo Teutonico / © Anastasia Prisunko ( shutterstock )

Der Himmel meint es heute besonders gut. Zumindest Petrus. Alle Gläubigen, die mit mir gemeinsam im Sonntagsgottesdienst in der Kirche des Campo Santo Teutonico feiern, werden das bestätigen. Man sitzt schön im Trockenen. Draußen hat es noch vor dem Schlusssegen angefangen zu regnen. Nein, es schüttet geradezu. Seit Beginn der "Weltbischofs-Laien-inklusive Frauen-Synode" war eigentlich nur Sonnenschein. Passend zur Grundstimmung, von der uns im Pressesaal immer wieder berichtet wird: Friede, Freude, Eierkuchen.

Ingo Brüggenjürgen im Vatikan (DR)
Ingo Brüggenjürgen im Vatikan / ( DR )

Dass aber deutliche Kontroversen hörbar wurden, spricht der Augsburger Bischof Bertram Meier in seiner Predigt offen an: "Wir haben nicht nur harmonische Tage erlebt. Sondern auch Stunden, die von Spannungen und Kontroversen zeugten, die das kirchliche Leben auf vielen Ebenen kennzeichnen und belasten. Auch wenn der ganze Stil höflich und respektvoll gewesen ist. Aber wir haben doch die Verschiedenheit, die Unterschiede, auch Konfliktpotenzial erlebt!", so der Synodenteilnehmer.

Bischof Bertram Meier  / © Ingo Brüggenjürgen (DR)
Bischof Bertram Meier / © Ingo Brüggenjürgen ( DR )

Der Bischof, der selber jahrelang hier in Rom tätig war, hat dabei die Weltkirche im Blick. "Im Netz der Weltkirche ist die Kirche in Deutschland ein kleiner Knoten, der beachtet wird". Wie der Knoten für alle gelöst – also hilfreich sein kann, verriet der Prediger auch: Kirche verändere sich. Immer! Sein Rezept: "Wahrheit und Liebe – die gibt es immer nur im Doppelpack!" Gerade das Extreme sei bei der nötigen Umkehr zu vermeiden. Beim Gegensteuern gelte es, das rechte Maß zu finden. Die Mitte. Nicht die Mittelmäßigkeit, sondern eine "radikale Mitte", die die Gegensätze einschließe und zu allem entschlossen sei. Sein Appell am Ende: "Bewegen wir uns! Verändern wir uns – auf uns wartet das Leben!"

Sobald draußen der Regen aufhört, bewege ich mich durch Menschenmassen und Sicherheitskontrollen auf den Petersplatz. Pünktlich zum Angelus und dem päpstlichen Auftritt am Fenster strahlt die Sonne wieder. Doch für den Papst gibt es wenig Grund zum Strahlen. Schwere Sorgen lasten auf ihm. Seine Stimme ist noch eindringlicher als sonst: Er erinnert an den Krieg im Heiligen Land: "Ich bin sehr besorgt und leide. Ich bete und bin allen, die leiden, nahe – allen Opfern und Geiseln und ihren Familien. Ich denke an die schlimme humanitäre Situation in Gaza. Ich erneuere meinen Appell für humanitäre Korridore, dass humanitäre Hilfen weiter ankommen können und dass die Geiseln freigelassen werden!"

Angelusgebet mit Papst Franziskus / © Ingo Brüggenjürgen (DR)
Angelusgebet mit Papst Franziskus / © Ingo Brüggenjürgen ( DR )

Auch den Krieg in der Ukraine vergisst Franziskus nicht: "Ein Krieg ist immer eine Niederlage, er zerstört die menschliche Geschwisterlichkeit. Brüder hört auf damit, hört auf!"

Nach dem Angelus gehe ich noch einmal auf den Friedhof des Campo. Es ist still dort, wo seit Jahrtausenden Menschen begraben werden. Wie haben all diese Menschen, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, ihre Welt erlebt? Wie haben sie versucht, den Lauf der Welt zu verändern und wie wurden sie wohl im Laufe ihres Lebens verändert?

"Der Mensch denkt, der liebe Gott lenkt!", hat Bischof Bertram in seiner Predigt gesagt. Das stimmt. Aber noch wichtiger erscheint mir sein Appell, dass wir uns selber bewegen. Die Geschichte zeigt einem nicht nur hier in Rom, dass nichts, aber auch gar nichts so bleibt, wie es ist. Das sollte uns Mut machen.

Christen glauben daran, dass das Beste immer noch kommt. Wenn aber Leben Veränderung ist – und Gott uns lenkt – und das Beste immer noch kommt, worauf warten wir dann? Der Regen hat längst aufgehört. Es ist nie zu spät – weder für die Synode noch für jede und jeden von uns. Also ab durch die Mitte! Oder wie Bischof Bertram es auf den Punkt brachte: "Bewegen wir uns! Verändern wir uns – auf uns wartet das Leben!"

Ingo Brüggenjürgen

z.Zt. im "Rome-Office"

Quelle:
DR