Blick auf kirchliche Konsequenzen bei weltlichen Vergehen

Kirchenrecht hat ein anderes Verständnis von Straftaten

7.000 Euro muss ein wegen Volksverhetzung verurteilter Diakon in Bayern zahlen. Aber welche kirchenrechtlichen Folgen haben solche und andere Straftaten? Denn die Kirche kennt ein eigenes Strafrecht. Antworten eines Experten.

Autor/in:
Hannah Krewer
Richterhammer mit Rosenkranz / © Jiri Hera (shutterstock)
Richterhammer mit Rosenkranz / © Jiri Hera ( shutterstock )

Eine Gruppe "skrupelloser, eng vernetzter Milliardäre" sah er am Werk, die "nutzlose Menschen durch transhumane Roboter" ersetzen wollten: In diesem Januar wurde ein Diakon aus dem Bistum Regensburg vom Amtsgericht Deggendorf zu 7.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Das Gericht sah den Vorwurf der Volksverhetzung als erwiesen an, nachdem der Geistliche laut Gericht in einer Rede in einem Krankenhaus Verschwörungsmythen verbreitet hatte.

Schon kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe erteilte ihm der Krankenhausdirektor Hausverbot, das Bistum Regensburg erklärte, die Dienste des Mannes ruhten. Nach der Urteilsverkündung sagte ein Bistumssprecher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), sobald ein rechtskräftiges Urteil vorliege, werde über die weitere Verwendung des Geistlichen entschieden.

Kirche mit eigenem Strafrecht

Aber was kann generell kirchlichen Mitarbeitern seitens der Kirche drohen, wenn sie sich weltlicher Vergehen schuldig machen? Auch die Kirche kennt schließlich ein eigenes Strafrecht. Der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier weist im Gespräch mit der KNA auf eine wichtige Unterscheidung hin: "Volksverhetzung ist nach kirchlichem Recht kein Straftatbestand." Das kirchliche Strafrecht befasse sich vielmehr mit Glaubensabfall, Vorspiegelung von Sakramentenspendung und ähnlichen Dingen.

Georg Bier, Theologe und Professor für Kirchenrecht an der Universität Freiburg / © Andree Kaiser (KNA)
Georg Bier, Theologe und Professor für Kirchenrecht an der Universität Freiburg / © Andree Kaiser ( KNA )

Dennoch sei es für die Kirche nicht hinnehmbar, wenn sich ihre Mitarbeiter etwa der Volksverhetzung schuldig machten.

"Disziplinarisch kann man hier sehr wohl vorgehen", so der Kirchenrechtsprofessor. Etwa mit Maßnahmen wie Hausverbot und einer Entpflichtung. Auch das kirchliche Arbeitsrecht kenne in solchen Fällen Spielräume.

Geht es um verurteilte geweihte Amtsträger, kommt noch etwas anderes hinzu: Die Kirche hat Klerikern gegenüber eine Unterhaltspflicht, der sie sich nicht entledigen kann. Bier sieht darin ein Dilemma: "Es ist Sache der zuständigen Autorität, abzuwiegen, ob es vielleicht doch irgendwelche Einsatzbereiche gibt, wo er ansonsten kein Unheil anrichten kann. Zum Beispiel im Archiv der Diözese."

Das Kirchenrecht kennt zwar die Möglichkeit der Entlassung aus dem Klerikerstand, die sogenannte Laisierung. Laut Bier passiert das aber nicht bei Vergehen, die im kirchlichen Strafrecht nicht erfasst sind.

"Dann trägt die Kirche die Last der Alimentierung. Unter Umständen bleibt dem Bischof nichts anderes übrig, als ihn in einen vorzeitigen Ruhestand zu versetzen, vielleicht die Bezüge zu kürzen."

Kirchliches Strafrecht unterscheidet zwischen Sühnestrafen, Besserungs- und Beugestrafen

Es gibt aber auch Vergehen, die nach kirchlichem Recht genauso Straftaten sind wie nach weltlichem. Dazu gehören laut Bier die Tötung eines Menschen, Entführungen und schwere Verletzungen.

Das kirchliche Strafrecht unterscheidet zwischen Sühnestrafen, Besserungs- und Beugestrafen. Darüber hinaus gibt es Strafsicherungsmittel und Bußen. Die Kirche kann Katholiken von den Sakramenten ausschließen, Geldstrafen verhängen oder ihnen Rechte entziehen, die mit bestimmten Aufgaben oder Ämtern verbunden sind.

Sie kann Auflagen zum Aufenthaltsort machen, aber niemanden wegsperren.

Kirchenstrafen erreichen auch nur diejenigen wirklich, die der Kirche nahestehen, Geistliche etwa und andere Mitarbeiter, wie Bier erklärt: "Jemand, der seine Kirchensteuer zahlt, aber sonst mit der Kirche nicht viel am Hut hat, wird sich sicher nicht von einer Strafe beeindrucken lassen, die ihm den Kommunionempfang verbietet. Von daher ist das kirchliche Strafrecht in dieser Beziehung auch ein zahnloser Tiger."

Symbolbild Priester in Handschellen / © Photographee.eu (shutterstock)
Symbolbild Priester in Handschellen / © Photographee.eu ( shutterstock )

Oft warte man in der Kirche aus praktischen Gründen erst ein weltliches Urteil ab, bevor über kirchliche Maßnahmen und Strafen entschieden werde - wie auch im aktuellen Fall aus Regensburg. "Die weltlichen Behörden haben ganz andere Möglichkeiten, Beweise zu erheben."

Wenn Kirchenmitarbeiter sich nicht gesetzeskonform verhielten, dann sei wie in jedem anderen Fall eine Anzeige angemessen, sagt Bier.

Darüber hinaus sei es möglich, solche Vorfälle auch beim Bistum zu melden. Aber auf keinen Fall dürfe sich die Kirche weltlichen Gerichten entziehen, betont der Experte.

Vatikanisches Strafrecht

Das vatikanische Strafrecht entspricht in großen Teilen dem alten italienischen Strafrecht von 1889, dem sogenannten Codice Zanardelli. Dieses Gesetzeswerk hatte der Vatikanstaat bei seiner Gründung 1929 übernommen.

Damit ist es nach Aussage von Experten ein vorrangig "inquisitorisches System", in dem der Richter eine prominentere Rolle spielt und sich stark in die Beweisführung einmischen kann. Zudem wird bei Strafprozessen im Vatikanstaat mehr schriftlich und weniger mündlich verhandelt als in anderen Ländern.

Justiz Kirche Kirchenasyl Kirchenrecht Gericht Rechtsprechung / © manfredxy  (shutterstock)
Justiz Kirche Kirchenasyl Kirchenrecht Gericht Rechtsprechung / © manfredxy ( shutterstock )
Quelle:
KNA