Blick auf Gottesdienst für Geschiedene und die Ehe Wulff

"Ich schmunzle ein bisschen"

Eine Scheidung ist meist endgültig. Nicht so bei Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Er hat seiner Frau zum dritten Mal das "Ja"-Wort gegeben. Ingrid Rasch organisiert Gottesdienste für Geschiedene und greift auch dieses Beispiel auf.

Christian und Bettina Wulff / © Demy Becker (dpa)
Christian und Bettina Wulff / © Demy Becker ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind Mitorganisatorin eines Gottesdienst für geschiedene und getrennte Menschen in der Kölner Kapelle "Madonna in den Trümmern" an diesem Freitag. Warum ist Ihnen dieser Gottesdienst so wichtig?

Ingrid Rasch ist in der Kölner Innenstadtpfarrei St. Severin beheimatet. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Ingrid Rasch ist in der Kölner Innenstadtpfarrei St. Severin beheimatet. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Ingrid Rasch (Diplom-Psychologin und ehemalige Leiterin der katholischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche im Erzbistum Köln): In meiner beruflichen und persönlichen Erfahrung, auch in der Pfarrgemeinde, wo ich ehrenamtlich vielfältig engagiert bin, erlebe ich immer wieder, was das doch für eine ganz schwerwiegende Belastung ist.

Wenn Menschen spüren, dass das, was ich mal vor Gott und den Menschen gesagt habe und auch wollte, nämlich mein Leben mit dem Partner oder der Partnerin bis zum Ende des Lebens verbringen, nicht gelungen ist und ich da scheitere, ist ein Empfinden eines persönlichen Versagens.

Ingrid Rasch (Diplom-Psyhologin und ehemalige Leiterin der katholischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche im Erzbistum Köln)

"Dieses Ideal, dass wir auch als Kirche lebendig halten und halten wollen, das Ideal einer lebenslangen Verbindung, wenn man das nicht erreicht, ist das schon eine ganz starke Kränkung für viele Menschen."

Es gibt schon auch Kritik oder Abwertung von außen. Dieses Ideal, dass wir auch als Kirche lebendig halten und halten wollen, das Ideal einer lebenslangen Verbindung, wenn man das nicht erreicht, ist das schon eine ganz starke Kränkung für viele Menschen. Ich sage dann immer dazu, das Ideal der Feindesliebe erreichen wir auch nicht. Aber das ist nicht so stark im Fokus des Urteils.

DOMRADIO.DE: Sie begleiten diesen speziellen Gottesdienst seit Jahren. Inzwischen hat sich in der katholischen Kirche auch einiges getan. Stichwort "Out in Church", die Initiative für mehr Vielfalt. Beobachten Sie bei Geschiedenen auch mehr Akzeptanz über die Jahre?

Rasch: Also die innergesellschaftliche Akzeptanz ist, so glaube ich, gewachsen. Aber dieses persönliche Empfinden, dass das, was ich wollte, wie ich angetreten bin, was mein Wunsch war, mir nicht gelungen ist, das ist geblieben.

Und Menschen, die sich mit Gottes Segen verbunden haben, spüren das noch mal stärker, dass Ihnen eine Verpflichtung, die sie selbst eingegangen sind, nicht gelungen ist. Es ist dann manchmal auch schwer, neue Zuversicht im weiteren Weg des Lebens zu finden. Der Gottesdienst soll auch helfen, neue Zuversicht zu finden.

DOMRADIO.DE: Der Gottesdienst wird keine Eucharistiefeier sein, sondern in Gänsefüßchen "nur" ein Wortgottesdienst. Sonst gäbe es Konfliktpotenzial, oder?

Rasch: Nein, das glaube ich nicht. Das ist nicht der Grund, weshalb wir das nicht tun. Wir haben auch schon Eucharistiefeiern gehabt in dieser Zeit, aber wir haben festgestellt, dass eine Wort-Gottes-Feier noch mal ganz andere Möglichkeiten bietet, auch der vielfältigen Gestaltung. Auch die emotionale Gestimmtheit der Menschen kann noch mal anders aufgegriffen werden. Von daher haben Sie ganz zu Recht "nur" in Gänsefüßchen gesagt.

Ingrid Rasch (Diplom-Psyhologin und ehemalige Leiterin der katholischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche im Erzbistum Köln)

"Es geht darum zu gucken, dass Gott uns nah ist, auch im nicht Gelingen, im Scheitern, dass uns sein Segen und sein Zuspruch, seine Nähe gerade dann gewiss sind, wenn es im Leben nicht so einfach geht."

Wir haben immer ein bestimmtes Bibelwort, das diese Situation der Menschen aufnimmt. Heute ist es der Psalm 23, der vielen Menschen sehr vertraut ist: "Muss ich auch wandern in dunkler Schlucht, ich fürchte kein Unheil, Stock und Stab geben mir Zuversicht." Es geht darum zu gucken, dass Gott uns nah ist, auch im nicht Gelingen, im Scheitern, dass uns sein Segen und sein Zuspruch, seine Nähe gerade dann gewiss sind, wenn es im Leben nicht so einfach geht.

DOMRADIO.DE: Dieser Psalm ist einigen vertraut, nicht so sehr vielleicht der Ort: die Kapelle mit dem etwas sperrigem Namen an St. Kolumba, Madonna in den Trümmern. Was ist das Besondere daran?

Rasch: Ja, diesen Ort haben wir seit vielen Jahren gewählt und bleiben auch dabei. Denn hier war eine große Kirche, die im Krieg zerstört wurde. Die Madonna ist in den Trümmern stehen geblieben, die Madonna als Zentrum. Ich nehme sie als Zeichen, dass uns die Liebesfähigkeit des Menschen und die Liebe Gottes bleibt.

Das zweite, was ich ganz wichtig finde in dieser Kapelle, ist, dass das Alte nicht einfach weg ist, sondern das Alte wird aufgegriffen und zu einer neuen Form gebracht. Das Alte wird in das Leben integriert. Das geht nicht schnell. Wie im richtigen Leben dauert es etwas, aber ich kann in Zuversicht etwas Neues gestalten.

DOMRADIO.DE: Schauen wir mal auf das Ehepaar Wulff, Frau Rasch. Das ist ihre Chronologie: standesamtliche Hochzeit, Trennung, kirchliche Hochzeit, Scheidung und jetzt vor wenigen Tagen die Wiederheirat. Wie blicken Sie als Psychologin darauf?

Ingrid Rasch (Diplom-Psyhologin und ehemalige Leiterin der katholischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche im Erzbistum Köln)

"Ich schmunzle ein bisschen und denke, da ist eigentlich sehr viel Zuversicht. Die Botschaft lautet: Ich kann im Leben immer wieder nochmal neu beginnen."

Archiv: Christian Wulff, ehemaliger Bundespräsident, steht mit seiner Frau Bettina Wulff bei der Geburtstagsfeier für Musikproduzent Mandoki. Das Paar hat sich zum dritten Mal das Ja-Wort gegeben.  / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Archiv: Christian Wulff, ehemaliger Bundespräsident, steht mit seiner Frau Bettina Wulff bei der Geburtstagsfeier für Musikproduzent Mandoki. Das Paar hat sich zum dritten Mal das Ja-Wort gegeben. / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

Rasch: Ich schmunzle ein bisschen und denke, da ist eigentlich sehr viel Zuversicht. Die Botschaft lautet: Ich kann im Leben immer wieder nochmal neu beginnen. Ich muss nicht sagen, das war es jetzt, sondern ich kann neu beginnen, auf unterschiedliche Weise.

Ob ich wieder neu beginne mit dem Partner, mit dem ich schon einmal zusammen war, oder ob ich neue Wege gehe, den Weg des Alleinlebens oder den Weg einer neuen Beziehung gehe. Diese Entscheidungen sind möglich und aus meiner Perspektive auch mit Gottes Segen möglich.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR