Bistum wehrt sich gegen Vorwürfe des Gerichts - Ehemaliger Pfarrer von Riekofen verurteilt

"Nach bestem Wissen und Gewissen"

Das Bistum Regensburg und Bischof Müller verteidigen sich gegen die Vorwürfe des Landgerichts Regensburg, unverantwortlich gehandelt zu haben. Sie vermuten "eine beispiellose, bundesweite Diffamierungskampagne". Der frühere Pfarrer von Riekofen war am Donnerstag wegen sexuellen Missbrauchs eines Jungen zu drei Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Der einschlägig vorbestrafte 40-Jährige hatte vor dem Landgericht Regensburg gestanden, sich ab Ende 2003 in 22 Fällen an dem zu Beginn zehn Jahre alten Ministranten vergriffen zu haben.

 (DR)

Der Vorwurf des Gerichts ist eindeutig: Obwohl das Bistum Regensburg von der noch laufenden Bewährungsstrafe des Mannes für den Missbrauch von zwei Jungen gewusst habe, sei der Mann bereits wieder in der gemeindlichen Seelsorge eingesetzt worden, sagte der Vorsitzende Richter Karl Iglhaut am Donnerstag im Prozess gegen den Pädophilen.

Dadurch habe der Geistliche nicht nur gegen die Bewährungsauflagen verstoßen. Das Bistum Regensburg habe den Mann zudem in eine "Versuchungssituation" gebracht, kritisierte Iglhaut. Er verglich dies mit einer Bank, die jemanden anstellen würde, der "wegen Untreue oder Unterschlagung vorbestraft ist". Die Kirche habe zwar einen Dekan beauftragt, er sollte "ein Auge haben" auf den Pfarrer. Das sei aber nicht ausreichend geschehen.

Nach diesen Vorwürfen wies das Bistum am Freitag erneut jede Mitverantwortung von sich. Generalvikar Michael Fuchs sagte dem Bayerischen Rundfunk, Kritiker benutzten den Fall, um Bischof Gerhard Ludwig Müller "in einer beispiellosen, bundesweiten Diffamierungskampagne" anzugreifen. Er verteidigte das Vorgehen des Bistums, das den vorbestraften Pfarrer entgegen der Regeln der Bischofskonferenz in Riekofen eingesetzt hatte. Die Richtlinien seinen eine "freie Vereinbarung der Bischöfe", das Ordinariat sei also frei gewesen, danach zu handeln oder nicht.

Bischof Müller sagte dem Sender, die Richter hätten das Bistum vor dem vorbestraften Pädophilen warnen müssen, als sie ihm 2003 eine Bewährungsstrafe erließen. Laut Müller hat das Gericht damals erklärt, dass es für den Verurteilten keine Einschränkungen für einen allgemeinen pastoralen Einsatz gebe. Das Bistum habe "nach bestem Wissen und Gewissen" gehandelt.

Der ehemalige Pfarrer von Riekofen hatte am Donnerstag den vielfachen Missbrauch eines Ministranten gestanden. Der 40 Jahre alte Angeklagte ließ von seinem Anwalt eine Aussage verlesen, in der er die ihm vorgeworfenen Taten vollständig einräumt. "Mit größtem Bedauern denke ich zurück an das, was vorgefallen ist", hieß es in der Erklärung. Durch das Geständnis soll dem Opfer eine Aussage vor Gericht erspart bleiben.

Dem Priester, der bereits im Jahr 2000 wegen eines ähnliches Vergehens eine Bewährungsstrafe erhalten hatte, bescheinigt ein psychiatrisches Gutachten eine stark verminderte Schuldfähigkeit. Zugleich attestiert es eine erhebliche Wiederholungsgefahr, sollte der Geistliche nicht therapeutisch behandelt werden.

Am Rande des Prozesses hatten rund ein Dutzend Menschen mit einer Mahnwache gegen den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller protestiert. Vor dem Gebäude des Regensburger Landgerichts hielten sie Plakate und Spruchbänder hoch mit Aufschriften wie: "Ein selbstherrlicher Bischof hat moralisch total versagt" und "Auch wer wegschaut, macht sich schuldig".

Der Protest ging von den Vereinigungen "Wir sind Kirche" und "Aktionskreis AKR Regensburg" sowie Privatpersonen aus. Sie kritisierten, dass das Bistum um die pädophilen Neigungen des bereits 2000 wegen sexuellen Missbrauchs vorbestraften Pfarrers gewusst und ihn trotzdem in Riekofen eingesetzt habe.

Kein Schadensersatz
Das Bistum Regensburg hatte Anfang der Woche Schadensersatzforderungen wegen eines früheren Kindesmissbrauchs zurückgewiesen. Es gebe keine Grundlage für die neuen Ansprüche der Familie eines im Jahr 1999 missbrauchten Jungen aus Viechtach, sagte der Anwalt der Diözese, Thomas Pfister, am Montag in Regensburg. In einem Brief an das Ordinariat habe die Familie für eine "jetzt notwendige anthroposophische Musiktherapie" von dem Geistlichen und dem Bistum 21.500 Euro verlangt.

Im Jahr 2000 war der Priester bereits wegen des Missbrauchs des damals 12-Jährigen 1999 in Viechtach zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der Junge, der jetzt Musik studiere, habe von Juli 1999 bis Juli 2000 bereits eine mehrmonatige Therapie gemacht, erklärte Pfister weiter. "Die kompletten Kosten übernahm damals der für die Tat verantwortliche und verurteilte Geistliche." Mitte Juli 2000 sei die Therapie schließlich eingestellt worden.

Die Familie beruft sich nun dem Nachrichtenmagazin "Focus" zufolge auf einen Vertrag zwischen Opfer und Täter, nach dem der Priester garantiert habe, neben einem Schmerzensgeld auch für "noch zu entstehende Schäden" aufzukommen. Auch das Ordinariat habe in der Vereinbarung angeboten, die Kosten der psychologischen Behandlung zu übernehmen, unabhängig davon, wie lange die Tat zurückliege, so der Bericht. Bistumssprecher Jakob Schötz erklärte dazu auf Anfrage, eine solche Klausel mit einer Verpflichtung der Diözese gebe es in der schriftlichen Vereinbarung nicht.

Bereits Ende 2007 hatte die Mutter dem Bistum zufolge eine monatliche Entschädigung von 1.000 Euro gefordert, "die es möglich macht, wieder ein unbeschwertes Leben zu führen". Daraufhin sei die Familie auf die Beratungsdienste der Kirche und seelsorgerische Angebote hingewiesen worden. "Die Geldforderung mussten wir jedoch als unbegründet ablehnen", erklärte Pfister. Dies gelte nun ebenso für die neue Forderung.

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