Bistümer wollen Immobilienbestand reduzieren

Weniger Kirchen in "Pantoffelweg"-Nähe

Kirchen werden leerer, Pfarrheime sind oft nicht ausgelastet. Zugleich belastet der Unterhalt der Gebäude die Kirchenkassen. Katholische Bistümer streben einen Abbau von Immobilien an. Die Wege für die Gläubigen könnten weiter werden.

Autor/in:
Andreas Otto
 Orgelpfeifen und Kirchenbänke in profaniertem Kirchengebäude
 / © Julia Steinbrecht (KNA)
Orgelpfeifen und Kirchenbänke in profaniertem Kirchengebäude / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Das Immobilienangebot soll Investoren locken: Satte 6.700 Quadratmeter umfasst das Grundstück in Gelsenkirchen-Erle. Der Stadtteil hat einiges zu bieten: mehrere Parks, ein "Sportparadies" und vor allem Fußnähe zum Schalke-Stadion.

Ob Käufer zuschlagen, hängt aber davon ab, wie sie die anderen, durchaus speziellen Konditionen bewerten: Das Areal ist bebaut - mit einem Gemeindeheim, einem Pfarrhaus und einer Kirche.

Rückläufige Katholikenzahlen und sinkende Kirchensteuer

Die Annonce findet sich nicht auf einem der üblichen Portale, sondern ist über die Website immobilienangebote.bistum-essen.de abrufbar. Die 42 Pfarreien der Diözese müssen sich in den kommenden Jahren von Gebäuden trennen. Wegen rückläufiger Katholikenzahlen und sinkender Kirchensteuer. Insgesamt stehen rund 270 Projekte an - einige davon finden sich auf dem diözesanen Online-Angebot.

Ein Hinweiszettel mit der Aufschrift "geräumt!" hängt an einer Tür eines profanierten Kirchengebäudes / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ein Hinweiszettel mit der Aufschrift "geräumt!" hängt an einer Tür eines profanierten Kirchengebäudes / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Viele andere Diözesen in Deutschland sehen sich vor derselben Aufgabe. Denn Kirchen und Pfarrheime werden immer leerer. Bundesweit nimmt das Ruhrbistum bei dem Thema eine Vorreiterrolle ein: Es gründete eine Arbeitsstelle, die Pfarreien hilft, überzählige Gotteshäuser, Kitas und Gemeindehäuser professionell umzunutzen. Das Team "Immobilienraum" mit acht Mitarbeitenden stellt auch die Exposes ins Netz.

Das erst 1958 gegründete Ruhrbistum ist besonders mit dem Problem konfrontiert. Denn Gründerbischof Franz Hengsbach (1910-1991) löste einen Bauboom aus, damit jeder Katholik auf dem "Pantoffelweg" seine Kirche erreichen konnte.

Das führt nun zu Handlungsdruck. Langfristig will das Bistum nur noch 84 Kirchen unterhalten - für rund 160 braucht es damit früher oder später eine neue Verwendung.

Die anderen 26 Bistümer in Deutschland haben mehr oder weniger ausgefeilte Ideen zur Gebäudereduktion. Mainz und Hildesheim wollen ihren Bestand in diesem Jahrzehnt halbieren.

Dreistufen-Strategie in Paderborn

Das Erzbistum Paderborn entwickelte eine Dreistufen-Strategie, um von seinen 3.000 Bauten runterzukommen. Zunächst werden alle Pfarreien auf Stufe eins gestellt mit der eher theoretischen Annahme, dass es genügend Mittel für alle Bauten gibt. Das werde aber selten zutreffen.

Womit Stufe 2 relevant wird: Zur Anpassung des Immobilienbestandes erarbeiten Experten des Erzbistums mit der Kirche vor Ort ein Konzept. In einer dritten Stufe kann eine Schwerpunktbildung erfolgen, bei der auch in Gebäude neu investiert werden kann.

Symbolbild Kirchenkatalog / © Patrick Post (KNA)
Symbolbild Kirchenkatalog / © Patrick Post ( KNA )

Im Erzbistum Hamburg sollen bis Ende 2022 alle rund 800 Immobilien unterteilt werden: In dauerhaft finanzierbare Primär- und in abstoßbare Sekundärimmobilien. In der Erzdiözese Bamberg sollen bis 2025 Konzepte für die 3.200 Objekte stehen. Aachen verweist darauf, dass es schon von 2011 bis 2016 einen Prozess angestoßen hat, wie sich rund 30 Prozent der Gebäude reduzieren lassen. Das Erzbistum Berlin hat ebenfalls vor Jahren eine Gebäudereduzierung beschlossen, und zwar um ein Viertel. Das Ziel sei aber nicht erreicht, hieß es. Ein Zeitplan mit Blick auf die rund 500 Gebäude existiere nicht.

Der Diözese Rottenburg-Stuttgart, deren Gemeinden 5.531 Gebäude halten, geht es "um eine klare Standortentwicklung und aktuell weniger um den Verkauf des Gebäudebestandes".

Bis Ende 2023 gilt ein Baumoratorium für Gemeindehäuser aus den Jahren 1969 bis 1990. Denn die meist großen sowie energetisch veralteten Gebäude ließen sich nicht mehr einfach sanieren. Geprüft werde auch ein (Teil-)Neubau zwecks CO2-Reduzierung.

Andere Bistümer ohne zeitliche Vorgaben

Andere Bistümer machen keine zeitlichen Vorgaben. Das Bistum Münster unterscheidet nach vollzogenen Pfarrei-Fusionen zwischen Pfarr- und Filialkirchen; letztere sollen "perspektivisch" profaniert werden. Im Erzbistum Freiburg steht zunächst ab 2025 eine Strukturreform mit der Bildung von 39 Pfarreien an, bevor es Immobilien reduziert.

Ein Protestplakat der "Freunde der Rundkapelle Altenfurt" vor der Rundkapelle am 17. März 2021 in Nürnberg mit der Aufschrift "um Himmels Willen nicht verkaufen" / © Christopher Beschnitt (KNA)
Ein Protestplakat der "Freunde der Rundkapelle Altenfurt" vor der Rundkapelle am 17. März 2021 in Nürnberg mit der Aufschrift "um Himmels Willen nicht verkaufen" / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Aufgabe und Abriss von Kirchen und Pfarrheimen tut generell weh.

Deshalb setzt das Ruhrbistum auf größtmögliche Autonomie der Pfarreien, die zwischen drei Unterstützungsformen wählen können: Sie lassen sich nur punktuell vom Team Immobilienraum helfen, etwa bei der Rücksprache mit dem Denkmalschutz. Möglich ist aber auch eine "kooperative Standortentwicklung" mit gemeinsam erstelltem Projektplan. Oder aber eine Pfarrei überlässt dem Bistum die ganze Sache.

Emotionen kochen hoch

"Trotz transparentem Prozess - wir stoßen immer wieder auf Abwehrhaltungen bei Gemeindemitgliedern", räumt der Leiter des Dezernats Kirchengemeinden, Marcus Klefken, ein.

Emotionen kochten auch dann hoch, wenn Investoren die historische Fassade einer Kirche erhalten und nur im Innenraum eine Bäckerei, ein Altenheim oder Wohnungen einbauen. "Wir brauchen sehr viel Kreativität", so der Experte.

Das gilt auch für das Ensemble in Gelsenkirchen-Erle. Eine Hürde ist dort, dass der Kitabetrieb weitergehen soll. Trotzdem berichtet Klefken von vielen Interessenten - ein Abschluss steht indes noch aus.

Quelle:
KNA