Bischof Wilmer tadelt Krieg in der Ukraine

"Es ist ein schweres Verbrechen"

Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer ist Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax. Im Interview spricht er über die Sicht der Kommission auf den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine.

Bischof Heiner Wilmer / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Heiner Wilmer / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Wie bewerten Sie das aktuelle Geschehen in der Ukraine?

Bischof Heiner Wilmer (Bischof von Hildesheim und Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax): Es handelt sich ganz offensichtlich um eine von langer Hand vorbereitete militärische Invasion der Russischen Föderation in die Ukraine. Sie stellt einen eklatanten Bruch des Völkerrechts und einen Angriff auf das europäische Projekt dar. Die Invasion hat zum Ziel, die Unabhängigkeit der Ukraine zu zerstören und das Land unter den politischen Einfluss Russlands zu bringen. In aller Klarheit: Es ist ein schweres Verbrechen.

KNA: War es richtig, dass Deutschland keine Waffen zur Verteidigung an die Ukraine geliefert hat?

Wilmer: Das ist eine komplexe Frage. Grundsätzlich plädieren wir für einen restriktiven Umgang mit Waffenlieferungen. Der Maßstab, mit dem wir messen müssen, lautet, ob Rüstungsexporte zur Gewalteindämmung beitragen oder nicht. Da gibt es viele Aspekte abzuwägen. Die Haltung Deutschlands und Frankreichs, keine Waffen zu liefern, damit die Gespräche im Minsker Format noch eine Chance haben könnten, war nachvollziehbar. Nachdem nun die Gespräche gescheitert sind, stellen sich die Fragen neu. Ich habe jedenfalls Verständnis für die Forderungen der ukrainischen Regierung.

KNA: Was sagt die Lehre der Kirche für den Fall eines Angriffskrieges? Hat die Ukraine ein moralisches Recht zur Selbstverteidigung?

Bischof Heiner Wilmer

"Der Krieg in der Ukraine ist nicht einfach ein regionaler Konflikt"

Wilmer: Es ist nach der Lehre der Kirche, aber auch völkerrechtlich ganz unstrittig, dass die Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung hat.

KNA: Sehen Sie Möglichkeiten für eine baldige Beendigung des Krieges und wenn ja, welche?

Wilmer: Der Krieg in der Ukraine ist nicht einfach ein regionaler Konflikt, sondern Teil einer grundlegenden Auseinandersetzung um die Zukunft Europas. Auch wenn die militärischen Aktionen und der heiße Krieg vielleicht bald vorbei sein sollten, bleibt der Grundkonflikt.

Das europäische Projekt - Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und soziale Marktwirtschaft -, für das sich die überwiegende Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung entschieden hat, stellt ein grundlegendes Gegenmodell zum autoritären Putin-Regime dar. In dieser Situation kommt es für die europäischen Gesellschaften sowie den Westen insgesamt darauf an, mit strategischer Geduld diesen Konflikt anzunehmen und beharrlich auszutragen.

KNA: Das heißt?

Wilmer: Starke Sanktionen gegen die Russische Föderation müssen ein klares Zeichen unserer Solidarität mit der Ukraine sowie ein Bekenntnis zu unseren Wertvorstellungen sein. Stellen wir uns auf eine lange Auseinandersetzung ein. Vieles wird davon abhängen, dass es Europa und dem Westen gelingt, Einigkeit und Standfestigkeit zu zeigen.

KNA: Was können und was sollten wir in Deutschland tun angesichts des zu erwartenden Flüchtlingsstroms aus der Ukraine?

Wilmer: Gemeinsam mit unseren europäischen Partnern und insbesondere mit Polen sollten wir alles uns Mögliche tun, um die ukrainischen Flüchtlinge schnell und zielgerichtet zu unterstützen. Europäische Solidarität ist gefragt und abverlangt.

Das Interview führte Michael Althaus.

Vatikan zu Ukraine: Es ist noch Zeit für guten Willen

Der Vatikan fordert weiterhin Einsatz für den Frieden in der Ukraine. Es sei noch Zeit für guten Willen, Raum für Verhandlungen und Vernunft, die die Welt vor dem Wahnsinn und Schrecken des Krieges bewahrten, so Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in einer Mitteilung. "Wir Gläubigen verlieren nicht die Hoffnung auf einen Schimmer von Gewissen seitens derer, die die Geschicke der Welt in ihren Händen halten", so Parolin weiter.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin / © Dalati & Nohra (dpa)
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin / © Dalati & Nohra ( dpa )
Quelle:
KNA