Bischof Overbeck zu seinem Solidaritätsbesuch in der Essener Synagoge

"Eine doppelte Form von Sorge"

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hat am Freitag demonstrativ die Essener Jüdische Gemeinde besucht. Damit sollte ein Zeichen gegen "antisemitische Hetze und Anfeindungen gegen Juden" gesetzt werden. Bischof Overbeck im Interview.

Ein Blick auf die Torarollen / © Pohl (Bistum Essen)

Ein öffentliches Zeichen der Solidarität mit den Juden setzte Ruhrbischof  Dr. Franz-Josef Overbeck am Freitag mit dem Besuch der Jüdischen Kultus-Gemeinde in Essen. Overbeck wurde von Weihbischof Wilhelm Zimmermann, dem Bischofsvikar für Ökumene und Interreligiösen Dialog, und Dompropst Monsignore Thomas Zander begleitet. Der Vorsitzende der Jüdischen Kultus-Gemeinde, Jewgenij Budnizkij, zeigte sich dankbar für den Besuch des Bischofs und das Zeichen der Solidarität und Verbundenheit. "Ich weiß, dass Sie an unserer Seite sind", so Budnizkij, der die jahrzehntelangen gute Beziehungen zu den beiden großen christlichen Kirchen lobte. Gemeinsam mit seinem Stellvertreter, Hans-Hermann Byron, führte er die Gäste durch die Synagoge und das Zentrum der Gemeinde, die heute rund 930 Mitglieder zählt.

Im Anschluss an den Besuch gab Bischof Overbeck domradio.de ein Interview:

domradio.de: Herr Bischof, wie war denn das Treffen für Sie?

Bischof Overbeck: Das war ein sehr herzliches Treffen, weil ich sowohl den Vorsitzenden als auch den stellvertretenden Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde hier in Essen seit meinem Amtsantritt kenne und wir uns regelmäßig sehen und miteinander sprechen. Ich fand vor allen Dingen die Dankbarkeit der Jüdischen Gemeinde als groß, dass wir uns als katholische Kirche vor Ort melden und zu einem solchen Solidaritätsbesuch kommen. Von daher war es ein Zeichen, dass in unsere gute Beziehung passt.

domradio.de: Welche Themen wurden angesprochen?

Bischof Overbeck: Seitens der jüdischen Gesprächspartner ging es darum, die große Sorge ob der Entwicklung in Israel und Palästina zum Ausdruck zu bringen und darauf hinzuweisen, dass nicht nur der gefühlte sondern auch der sichtbare Antisemitismus in den letzten Tag und Wochen die jüdischen Gemeindemitglieder sehr beunruhigt. Gleichzeitig kommen viele der Mitglieder der Essener jüdischen Gemeinde aus Russland und aus der Ukraine, und deren Situation bewegt genauso, so dass es eine doppelte Form von Sorge war, die mir entgegentrat. Mir selber war wichtig zu sagen, dass der Konflikt zwischen Israel und Palästina unbedingt versöhnungsbereite Menschen braucht und nicht mit Mitteln der Gewalt fortgesetzt werden kann, weil das nicht zum Frieden führt und schon gar nicht zur gegenseitigen Verständigung und zur Einsicht, dass beide Völker ein Lebens- und Existenzrecht auf diesem Land haben. Und mir war wichtig darauf hinzuweisen, dass der Antisemitismus in keinerlei Weise gesellschaftsfähig ist, schon gar nicht in der Kirche. Und dass wir auch als katholische Kirche alles dafür tun, um mahnend darauf hinzuweisen, dass es keine einzige Begründungslogik gibt, die sich erlauben darf in einem solchen Konflikt antisemitisch zu werden.

domradio.de: Muss die Kirche Antisemitismus bekämpfen?

Bischof Overbeck: Antisemitismus hat eine lange Geschichte, eine sehr schmerzhafte Geschichte von der wir Deutschen ein langes Leid singen können, aber auch wir als katholische Kirche. Eine Geschichte mit sehr vielen desaströsen Folgen. Von daher gesehen ist es überhaupt nicht nötig darüber zu diskutieren, es gilt, den jüdischen Glauben als solchen anzuerkennen und all die ganzen auch darunter liegenden Motive wach wahrzunehmen, damit eine solche Haltung nicht wieder Raum greift. Das gilt auch unter den sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen, die wir in Deutschland haben und die von verschiedenen Seiten in den letzten Tagen und Wochen mit den antisemitischen Gefühlen und Argumenten gespeist werden.

domradio.de: Welchen Stellenwert hat Religionsfreiheit für alle Menschen für Sie?

Bischof Overbeck: Wir haben solche Bedrohungen in Deutschland sowohl im Nationalsozialismus als auch im Sozialismus der DDR erlebt, Religionsfreiheit ist ein ganz hohes und wichtiges Gut. Um zu sichern, dass jeder Mensch seine religiöse Bestimmung aber auch seine innere Haltung selbst bestimmen kann und darin frei bleibt und der Staat in keinerlei Weise übergriffig werden darf. Und auch keine andere Religionsgemeinschaft. Religionsfreiheit ist auch wichtig, damit Menschen sich in Gemeinschaft sammeln können, um ihren Glauben und ihre Überzeugung, wie immer sie aussieht, einen gemeinschaftlichen Ausdruck zu geben auf dem Boden der Werte des Grundgesetzes. Für uns als katholische Kirche ist es mittlerweile ein Wert, für den wir in der ganzen Welt eintreteten, weil wir wissen, dass das Individualrecht des Einzelnen auf Religionsfreiheit und religiöse Selbstbestimmung ein Wesentliches ist. Das gilt genauso für all die, wie wir als Kirche, in Gruppen zusammenleben wollen.

Die Religionsfreiheit ist auch ein Lackmustest für den gelebten Raum von Freiheit und Recht, der unbedingt nötig ist, damit wir in einer freiheitlichen Gesellschaft leben können. Darauf hinzuweisen, dass Religionsfreiheit mit Freiheit und Recht zu tun hat, ist wesentlich.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Bischof Overbeck (dpa)
Bischof Overbeck / ( dpa )
Quelle:
DR