DOMRADIO.DE: Das Kölner Glaubensfest "kommt und seht" spricht wahrscheinlich die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland nicht an. Warum braucht es dieses Festival überhaupt?
Bischof Dr. Stefan Oster SDB (Bischof von Passau): Bei "kommt und seht" geht es um die Mitte unseres Glaubens. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Eucharistie als Quelle und Höhepunkt allen kirchlichen Leben bezeichnet. Beim Glaubensfestival in Köln dreht sich alles um die Eucharistie, um die Gegenwart des Herrn. Wir spüren in diesen Zeiten der Säkularisierung und Entkonfessionalisierung, dass wir immer wieder einen Fokus auf diese Mitte brauchen. Das hat auch etwas mit innerer Umkehr und innerer Bekehrung zu tun.
Ich habe es bei meinem Vortrag in Köln gesagt: In mir gibt es auch die Neigung, nicht zu beten oder bei der Anbetung davonzulaufen. Ich weiß aber auch aus meiner Gebetspraxis, dass es dieses Aushalten vor Gott ist, das mich eigentlich trägt.
DOMRADIO.DE: Was haben Sie den Zuhörerinnen und Zuhörern beim Glaubensfest als Tipp für das Gebet mitgegeben?
Oster: Im Gebet zu bleiben, auch wenn man keine Lust dazu hat. Treue ist hier ein ganz wichtiger Punkt. Ich weiß auch von mir selbst, dass ich mich mit dieser Treue im Gebet schwertue. Aber jeden Tag ein paar Minuten in Stille vor Gott zu sein, sich von ihm anschauen zu lassen, sich bewusst zu machen, dass man unter dem liebenden Blick Gottes steht – das ist wichtig.
Dabei geht es oft um die kleinen Dinge: ein Vaterunser für die Menschen beten, die krank sind. Oder einen Text aus der Heiligen Schrift wie einen Brief an sich selbst zu lesen. Eine Zeit von zehn oder 15 Minuten ist wirklich nicht viel, aber ich möchte wetten, dass dadurch die Beziehung zu Gott stark wächst. Das ist im Grunde die wichtigste Beziehung unseres Lebens.
DOMRADIO.DE: Beim Glaubensfest steht die Anbetung im Zentrum. Das ist in gewisser Weise ein Gebet für "Profis", denn man muss erst einmal verstehen, dass Jesus in der Eucharistie anwesend ist. Ist Anbetung also überhaupt für Einsteiger in den christlichen Glauben geeignet?
Oster: Ich würde es nicht als "Profi-Gebet" bezeichnen. Ich verstehe aber, was Sie damit meinen. Die Anbetung ist eine Hochform des Gebets. Das Rosenkranzgebet fällt einigen vielleicht etwas leichter – auch wenn sich der Rosenkranz heute bei vielen Menschen keiner großen Beliebtheit erfreut. Immerhin kann ich noch etwas dabei tun und habe etwas in der Hand.
Aber in der Anbetung habe ich die große Gelegenheit, einfach zu sein und auf den Grund der eigenen Seele zu blicken. Das ist gerade in einer Zeit der permanenten Ablenkung besonders wichtig. Jugendliche verbringen manchmal zehn Stunden am Tag online. Da kommt man nicht in Berührung mit dem Grund der eigenen Seele.
DOMRADIO.DE: Sie sind Bischof von Passau. Dort gibt es eine ähnliche Veranstaltung, den Adoratio-Kongress. Warum braucht es daher das Glaubensfest in Köln?
Oster: Wir haben vor einigen Jahren mit dem Adoratio-Kongress angefangen und waren vom großen Zuspruch überrascht. Wir merken jetzt, wie an vielen anderen Orten ähnliche Veranstaltungen aus dem Boden wachsen – nun auch in Köln. Ich glaube, das entspricht einer bestimmten Art von Hunger, den die Menschen heute haben.
Es zeigt auch etwas vom Schatz des Katholischen. Viele stellen sich die Frage nach der christlichen Identität: Was bedeutet es heute, Christ zu sein? Hier bei "kommt und seht" spürt man eine sakrale Atmosphäre und ich glaube, das spricht viele Menschen an. Deshalb kommen auch zahlreiche junge Menschen hierher.
DOMRADIO.DE: Wie nehmen Sie das Glaubensfest in Köln wahr?
Oster: Wir sind hier in einer großen Veranstaltungshalle und ich bin überrascht, dass man eine solche Veranstaltung hier machen kann. Ich kenne das zwar aus Amerika, aber es beeindruckt mich doch. Ich nehme wahr, dass es hier in Köln Menschen gibt, die auch schon bei uns in Passau zum Adoratio-Kongress waren. In bestimmten Kreisen und Bewegungen in der Kirche trifft man sich oft wieder.
Ich würde mich freuen, wenn sich "kommt und seht" etabliert. Das Glaubensfest findet im Kontext von Fronleichnam statt. Köln hat das Pfund, dass es hier die erste Fronleichnamsprozession überhaupt gab. Wir gehen mit dem, was für uns das Kostbarste ist, auf die Straße und helfen Menschen, diesen Schatz zu entdecken. Das ist wunderbar.
Das Interview führte Roland Müller.