Fünf Sprachen spricht er schon - mindestens. Nun lernt Fredrik Hansen noch Polnisch. "Das ist schwierig", gesteht er in nahezu akzentfreiem Deutsch. Aber da über ein Drittel der Katholiken seines Bistums aus Polen stammen, will er als ihr Bischof deren Sprache zumindest verstehen und etwas sprechen.
Fredrik Hansen, der an diesem Freitag 46 Jahre alt wird, ist seit einem knappen halben Jahr Koadjutor-Bischof von Oslo, einer Ortskirche mit Gläubigen aus rund 110 Nationen. Im Olavs-Dom zu Oslo werden sonntags Messen in rund einem Dutzend Sprachen gefeiert.

Hansen leitet in Europa eine kleine Kirche, die aber stark wächst. "Als ich 2001 ins Priesterseminar ging, gab es in unserer Diözese 35.000 Katholiken, 30 Priester und etwa 18 Gemeinden", berichtete Hansen vergangene Woche als Gast des Bonifatiuswerks in Oldenburg.
Heute gebe es 160.000 bei den Pfarrgemeinden registrierte Katholiken; staatliche Behörden erfassen keine Religionszugehörigkeit. Da nicht alle Zuwanderer es gewohnt seien, sich bei ihrer Kirchengemeinde zu melden, schätzt Hansen die Zahl der Katholiken im Bistum Oslo inzwischen auf 250.000.
Die Zahl der Priester habe sich ebenfalls verdreifacht, die der Pfarrgemeinden sei auf knapp 30 gewachsen. "Alle unsere Kirchen sind zu klein", klagt Hansen in Oldenburg - nicht ganz ohne eine Spur Stolz. Zum Teil stünden Menschen bis vor die Kirchentür, viele Gemeinden nutzten lutherische Kirchengebäude. Vier Kirchen habe man von den Methodisten gekauft und versuche zugleich, neue zu bauen. Als Einwandererkirche habe das Bistum Oslo wenig finanzielle Möglichkeiten und sei umso dankbarer für ausländische Hilfe wie vom deutschen Bonifatiuswerk, das Katholiken in der Diaspora unterstützt.
Irgendwann aber, so räumt Hansen im Gespräch mit dem "KNA-Hintergrund" ein, schwäche sich der Schwung ab. Denn die dritte, spätestens die vierte Generation von Einwanderern säkularisiere sich.
Dann gehöre für viele zum Norwegisch-Sein, nicht einmal mehr lutherisch zu sein, sondern keiner Kirche anzugehören, sagt Hansen. Das sei nicht anders als in anderen westlichen Staaten.

Einen kleinen Gegentrend beobachten Geistliche dennoch. In den vergangenen zwei, drei Jahren tauchen bei ihnen junge Männer und Frauen auf, die sich für die katholische Kirche interessieren. Auf etwa 300 bis 400 schätzt der Bischof die aktuelle Zahl im Bistum Oslo. "Die Männer suchen Wahrheit und Liturgie, die Frauen eher eine Gemeinschaft, in der sie akzeptiert und gebraucht werden", formuliert Hansen. Das sei etwas zugespitzt und natürlich gebe es bei der Motivation Schnittmengen.
Für den Bischof ist dies Teil eines gesamteuropäisch zu beobachtenden konservativen Trends, der auch bei anderen Religionsgemeinschaften zu beobachten sei. Junge Menschen, vor allem, aber nicht nur junge Männer, suchten "klare Ansagen", eine "Religion, die religiös ist - und nicht nur aus Emotion und sozialem Engagement" bestehe. Die lutherische Kirche, so hätten es einige geschildert, biete ihnen im Gottesdienst zu oft "nur Theater" und "soziale Aussagen".
Hansen selbst macht sich diese Kritik nicht zu eigen. Aber ein bisschen erinnert es an seine eigene Biografie - und die vieler katholischer Priester und Bischöfe in Skandinavien. Die meisten von ihnen konvertierten als junge Männer von der lutherischen Staatskirche zum Katholizismus. Als Jugendlicher sei er in seiner evangelischen Gemeinde aktiv gewesen, erzählt Fredrik Hansen.

Dann aber erlebte er "große Konflikte" zwischen Kirchenleitung und der Pfarrerschaft vor Ort - es ging um Autorität und Lehre, Kirchenstruktur und Eucharistie. Dass Letztere in seiner Gemeinde durchaus würdig gefeiert wurde, schätzt Hansen rückblickend. Aber irgendwann wollte er sie nicht mehr nur einmal im Monat feiern. Mit 20 konvertierte er zur katholischen Kirche und studierte in Oslo Kulturwissenschaft.
Es folgten ein Philosophie- und Theologiestudium in London, das er unter anderem mit einem Bachelor in Theologie der belgischen Universität Leuven abschloss. Sein Heimatbischof Bernt Ivar Eidsvig spendete Hansen im Juli 2006 die Diakonen- und ein Dreivierteljahr später die Priesterweihe. Nach kurzer Tätigkeit als Pfarrvikar in Lillehammer und Präfekt des Priesterseminars nahm Hansens kirchliche Karriere ihren steilen Lauf.
Als Bischofssekretär wurde er 2008 zum Kirchenrechtsstudium an die Gregoriana nach Rom geschickt. Parallel war Hansen Subregens des Osloer Priesterseminars, Sekretär des Norwegischen Bischofsrats sowie Vizerektor der deutschsprachigen Gemeinde Santa Maria dell'Anima in Rom. Deutsch, das Hansen nahezu akzentfrei und fließend spricht, hatte er bereits in der Schule in Norwegen gelernt.
In Rom muss damals der eine oder andere inoffizielle Headhunter der Kurie auf den still und bescheiden, aber durchaus bestimmt auftretenden Mann Anfang dreißig aufmerksam geworden sein. Jedenfalls erreichte seinen Bischof ein Brief des vatikanischen Staatssekretariats, er möge Hansen freistellen zum Besuch der Päpstlichen Diplomatenakademie. "Ich weiß nicht, wie es dazu kam", erzählt Hansen. Im Grunde habe er das nicht gewollt, als Priester aber gehorcht.
Neben der Ausbildung zum päpstlichen Diplomaten promovierte der Norweger bei Gianfranco Ghirlanda, dem wichtigsten kirchenrechtlichen Berater von Papst Franziskus, in Kirchenrecht über die Hirtengewalt des Diözesanbischofs. Es folgten Einsätze in Honduras sowie als Unterhändler an den vatikanischen UN-Vertretungen in Wien und New York. "Honduras hat mich am meisten beeindruckt und geprägt", sagt Hansen - "als Mensch aus einem reichen nördlichen Land in ein solch armes Land im Süden zu kommen ...".
2022 schied Hansen aus dem diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls aus. Er ging in die USA nach Baltimore und lehrte dort Kirchenrecht und Ekklesiologie. Im November 2024 dann ernannte ihn der Papst zum Koadjutor des Osloer Bischofs Eidsvig. Zur Bischofsweihe Ende Januar in der Osloer Olavs-Kathedrale reiste Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin persönlich als Hauptkonsekrator an.

Der Norweger, der wegen seines stoischen Gesichtsausdrucks und dunklen Vollbarts mitunter an einen Wikingerfürsten erinnert, scheint an der Kurie nicht nur äußerlich Eindruck hinterlassen zu haben. Mit Bezug auf die Streitaxt des Nationalheiligen und Märtyrers Olav in seinem Bischofswappen weist Hansen die Wikinger-Assoziation auch nicht ganz von sich.
Der gesundheitlich angeschlagene und gehbehinderte Bischof Eidsvig werde im Sommer Papst Leo XIV. seinen Rücktritt anbieten, sagt Hansen. Er übernehme bereits die Firmreisen und Visitationen. So lerne er das Bistum kennen, das immerhin einen Großteil Südnorwegens umfasse.
Sein Heimatland habe sich verändert, stellt Hansen fest. Nach rund 25 Jahren im Ausland erlebe er Norwegen als "kälter und härter", berichtet der Geistliche. Kriminalität und Armut seien gestiegen, die Einkommensunterschiede gewachsen. Das mache es deutlich schwieriger, auch in der Kirche Einheit zu schaffen. Bischof Eidsvig habe stets betont, die zehn Prozent Norweger unter den Katholiken des Landes könnten nicht die 90 Prozent aus anderen Ländern integrieren.
Manche katholischen Migranten bleiben nur ein paar Monate oder ein Jahr und lernten daher kein Norwegisch. Die meisten wollten auch ihre Kultur bewahren und damit auch ihre Art, Liturgie zu feiern. Was zu einer Art katholischer Parallelgemeinden führt, wenn sonntags in einer Pfarrkirche hintereinander Messen in drei bis vier Sprachen gefeiert werden. Besonders herausfordernd sei derzeit die Katechese, meint Hansen.
Zum Teil gibt es laut Hansen auch Ausländerfeindlichkeit und Rassismus - sowohl von Seiten der Norweger wie auch zwischen Einwanderergruppen. Antikatholische Haltungen seien aber weniger zu spüren. Lediglich nach der ausführlichen Berichterstattung rund um den Pontifikatswechsel von Franziskus zu Leo XIV. habe es vereinzelt böse Leserbriefe gegeben, nun sei es aber genug mit dem Getöse um abergläubische Katholiken. Glücklicherweise sei die innerchristliche Ökumene gut, betont Hansen mehrfach.