Die EU-Kommissionspräsidentin zeige Willenskraft, Mut und Klugheit, sagte Bischof Helmut Dieser am Donnerstag in seiner Predigt im Aachener Dom vor der diesjährigen Karlspreisverleihung an die CDU-Politikerin. Zugleich rief Dieser laut Redeauszug dazu auf, sich für die Freilassung der in Belarus inhaftierten Karlspreisträgerin von 2022, Maria Kalesnikova, einzusetzen.
Laut Dieser braucht Europa eine Weiterentwicklung seines Gründungscharismas. "Die Narrative der Gründungsgestalten der Europäischen Union, die Narrative der Wertegemeinschaft zwischen Amerika und Europa werden zwar immer wieder neu erzählt, doch das genügt nicht", so der Bischof. "Wir sind in eine Zeit danach geraten, und da braucht es neue Bewährungen." Europa sei aber an jeder Krise gewachsen, wie von der Leyen in einem Interview selbst gesagt habe.
Dabei habe Europa die Krisen immer als Team bewältigt. Dazu sei es deshalb fähig, weil es die christliche Gestalt von Vergemeinschaftung, von Einheit und Vielfalt, eingeübt habe.
"Bedrohte Demokratie"
Nach den Worten von Dieser ist die Demokratie krisenanfällig. Dies sei nicht erst durch Populismus und Extremismus, aggressive Autokratien, das Unterlaufen der eigenen demokratischen Errungenschaften, Angriffe auf die Gewaltenteilung und die Pressefreiheit oder Fake-Propaganda der Fall. Hinzu komme, dass die Demokratie mehr verspreche, als sie halten könne.
Gleiche Voraussetzungen ließen sich nicht vollkommen herstellen und Informationen drängten nicht zu allen durch. Politisch Verantwortliche erschienen da als abgehoben oder in ehrgeizigen Eigeninteressen gefangen. "Alles breite Einfallstore, um die Demokratie selbst schlecht zu reden", so Dieser.
Preisträgerin Ursula von der Leyen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) erhält heute in Aachen den Internationalen Karlspreis. Sie sei eine starke Stimme Europas und habe pro-europäische Kräfte in den EU-Mitgliedsstaaten und im EU-Parlament zusammengeführt, hieß es zur Begründung. Darüber hinaus habe sie große Verdienste bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, beim geschlossenen Auftreten gegenüber Russland und beim "Green Deal" für Europas Klimaneutralität erworben.
Der Karlspreis soll der Preisträgerin ausdrücklich "zur Ermutigung gegenüber den anstehenden Aufgaben den Rücken stärken", betonte die Jury. Der Karlspreis wird seit 75 Jahren in Aachen verliehen. Im Jubiläumsjahr halten zwei hochrangige Gäste eine Festrede auf die neue Preis-Trägerin: Spaniens König Felipe VI. und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Vor dem Festakt findet ein Gottesdienst im Aachener Dom statt.
Zu den bisherigen Preisträgern gehören Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) 1954 und ein Jahr später der ehemalige britische Premierminister Winston Churchill. Der letzte Deutsche, der mit dem Karlspreis geehrt wurde, war 2015 Martin Schulz (SPD), damals Präsident des Europäischen Parlaments.