BGH fällt Entscheidung über antijüdische Skulptur

Muss die Skulptur entfernt werden?

Seit vier Jahren kämpft der jüdische Kläger Michael Düllmann für die Entfernung einer antijüdischen Skulptur von der Fassade der Wittenberger Stadtkirche. Am Dienstag wird der Bundesgerichtshof eine Entscheidung fällen.

Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild (KNA)
Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild ( KNA )

Der Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet am Dienstag darüber, ob eine antijüdische Skulptur von der Fassade der Wittenberger Stadtkirche entfernt werden muss. Das mittelalterliche Relief stellt Juden herabwürdigend dar. Der jüdische Kläger Michael Düllmann kämpft seit 2018 gerichtlich für die Entfernung der Skulptur, weil er sie als Beleidigung empfindet.

50 weitere ähnliche Darstellungen

Der Streit hat grundsätzliche Bedeutung. In Europa gibt es geschätzte 50 weitere ähnliche Darstellungen an Kirchen. 2020 hatte das Oberlandesgericht Naumburg die Klage abgewiesen. Der Vorsitzende Richter des VI. Zivilsenats, Stephan Seiters, nannte die Darstellung bei der Verhandlung Ende Mai in Karlsruhe "in Stein gemeißelten Antisemitismus". Klar sei, dass Düllmann unmittelbar in seinen Rechten betroffen sei, weil nach der Schoah alle in Deutschland lebenden Juden besonderen Schutz genössen.

Zu entscheiden sei, ob die Darstellung durch den seit 1988 unter dem Fassadenrelief gestalteten Gedenkort mit Informationstexten "zu einem Mahnmal umgewandelt wurde". Zu klären sei ebenfalls, ob sich die Kirchengemeinde ausreichend von der antisemitischen Aussage distanziert habe. "Wir müssen aber auch entscheiden, ob eine Beleidigung eine Beleidigung bleibt, egal in welchem neuen Kontext sie gesetzt wird", so der Richter.

Distanzierung sei klar erkennbar

Die Kirchengemeinde argumentiert, die Distanzierung von der Aussage "Judensau" sei klar erkennbar. Die Skulptur solle Gedenken und Erinnerung möglich machen, so Pfarrer Matthias Keilholz. Der Vorsitzende der Kirchengemeinde, Jörg Bielig, sagte, in Wittenberg gebe es Pläne, um die Erläuterungen am Gedenkort noch klarer zu machen. Düllmann sagte, die Kirchen müssten sich der Mitverantwortung für die Judenverfolgung stellen und die Skulptur entfernen, andernfalls "wirkt der kirchliche Antijudaismus weiter". Im Falle einer Niederlage vor dem BGH will er sich ans Bundesverfassungsgericht oder an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wenden.

Die "Judensau" ist in etwa vier Metern Höhe angebracht. Dargestellt ist eine als Rabbiner karikierte Figur, die den Schwanz eines Schweins anhebt und das im Judentum als unrein geltende Tier von hinten betrachtet. Zwei weitere als Juden gezeigte Figuren saugen an den Zitzen. Eine vierte Figur hält Ferkel von der Muttersau fern.

Das Stichwort: Die Wittenberger "Judensau"

Das Sandsteinrelief wurde um das Jahr 1300 an der Südfassade der Stadtkirche Wittenberg angebracht. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Schweine gelten im Judentum als unrein.

Mit solchen Darstellungen sollten Juden im Mittelalter unter anderem davon abgeschreckt werden, sich in der jeweiligen Stadt niederzulassen. Ähnliche Spottplastiken finden sich auch am oder im Kölner und Regensburger Dom sowie am Dom zu Brandenburg.

Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild (KNA)
Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild ( KNA )
Quelle:
KNA