Bewegendes Gedenken auf Hauptfriedhof von Hanau

"Nichts bedroht so sehr wie der Rechtsextremismus"

Am zweiten Jahrestag des rassistischen Anschlags von Hanau wurde in einer bewegenden Gedenkstunde auf dem Hanauer Hauptfriedhof der neun Mordopfer gedacht. Vor allem die persönlichen Geschichten der Opfer standen im Mittelpunkt.

Angehörige legen Blumen auf ein Grab bei einer offiziellen Gedenkstunde auf dem Friedhof von Hanau / © Boris Roessler (dpa)
Angehörige legen Blumen auf ein Grab bei einer offiziellen Gedenkstunde auf dem Friedhof von Hanau / © Boris Roessler ( dpa )

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte dabei eine entschiedene Bekämpfung des Rechtsextremismus an. "Nichts bedroht das friedliche Zusammenleben unserer Gesellschaft derzeit so sehr wie der Rechtsextremismus", sagte Faeser am Samstag. "Wir werden alles tun, um die Menschen, die in unserem Land bedroht und angegriffen werden, besser zu schützen."

Schicksal der Angehörige im Mittelpunkt

Am 19. Februar 2020 hatte der 43-jährige Deutsche Tobias R. binnen sechs Minuten neun Menschen in Hanau aus rassistischen Motiven erschossen. Danach tötete er nach Erkenntnissen der Ermittler zunächst seine Mutter und nahm sich anschließend selbst das Leben.

Manche Angehörige der Getöteten sprachen bei der Gedenkstunde von unheilbarem Schmerz und zerstörten Familien. Andere kritisierten "schöne Worte" der Politik und beklagten eine Behandlung als "Bittsteller" bei der Opferentschädigung.

Faeser sagte, der Staat schulde den Familien eine transparente und lückenlose Aufarbeitung. Die "Bringschuld des Staates" gegenüber den Angehörigen, von der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor einem Jahr gesprochen habe, sei "noch nicht erfüllt". Es seien noch viele Fragen offen, die nun im Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags geklärt werden müssten.

"Spur des rechten Terrors" in der jüngeren Geschichte

Faeser fügte hinzu, der Anschlag sei "alles andere als zufällig" geschehen. "Die Spur des rechten Terrors" ziehe sich durch die jüngere Geschichte Deutschlands. Nicht im öffentlichen Bewusstsein sei hingegen, dass es jeden Tag im Schnitt drei rechte Gewalttaten in Deutschland gebe. All diese Taten hätten den gleichen Nährboden: "Ein Klima der Menschenverachtung, das gewaltbereite Extremisten anstachelt und im schlimmsten Fall zur Tat schreiten lässt."

Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) sagte, man könne den "rechten Sumpf" zwar nicht vollständig austrocknen, "aber je kleiner dieser Sumpf wird, desto weniger Menschen können darin untergehen".

Der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU,l) Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky halten am Grab der Opfer inne. / © Boris Roessler (dpa)
Der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU,l) Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky halten am Grab der Opfer inne. / © Boris Roessler ( dpa )

Rund 100 Gäste kamen unter den geltenden Corona-Regeln auf dem Hauptfriedhof zusammen. Dort sind drei der neun Opfer des Anschlags beerdigt. Die anderen sechs sind laut der Stadt Hanau auf Friedhöfen in Dietzenbach, Offenbach sowie in ihren Heimatstädten in der Türkei, Rumänien und Bulgarien beerdigt.

Persönliches Bild der Opfer

Faeser nannte nicht nur die Namen der neun Getöteten: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kenan Kurtovic, Vili Viorel Paun, Fatih Saracoglu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Die Ministerin zeichnete in ihrer Rede jeweils mit wenigen Sätzen ein sehr persönliches Bild jedes Einzelnen. Die neun Getöteten seien keine Fremden, sondern Hanauer gewesen, sagte sie. Wenn der Attentäter habe Hanau spalten wollen, "dann hat er das Gegenteil erreicht: mehr Zusammenhalt, Solidarität, Menschlichkeit."

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sah eine Besonderheit des Hanauer Gedenkens: "Das ist zum ersten Mal nach meinem Wissen, dass nach einem solchen Terrorakt die Opfer im Mittelpunkt stehen." Oft gehe es in solchen Fällen nur um die Attentäter. In Hanau sei es vor allem den Angehörigen zu verdanken, "dass die Opfer eben nicht anonym geworden sind".

Quelle:
KNA