Betroffenen-Sprecher fordert Konsequenzen von EKD-Bischöfen

"Persönliche Verantwortung übernehmen"

Detlev Zander vermisst Konsequenzen. Der Sprecher der Betroffenen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche hat die Kirchenleitenden aufgefordert, Verantwortung für den Umgang mit Missbrauchsfällen zu übernehmen.

Autor/in:
Franziska Hein
Detlev Zander mit der EKD-Missbrauchsstudie / © Daniel Pilar (KNA)
Detlev Zander mit der EKD-Missbrauchsstudie / © Daniel Pilar ( KNA )

"Ich frage mich, wie es passieren konnte, dass in fast allen 20 Landeskirchen und 17 Diakonie-Landesverbänden so unmenschlich mit Betroffenen umgegangen wurde. Ich verlange, dass da auch persönlich Verantwortung übernommen wird", sagte Zander am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Vergangene Woche hatten der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die Kirchenkonferenz, in der alle 20 Landeskirchen vertreten sind, in Hannover über Lehren aus der Ende Januar veröffentlichten Missbrauchsstudie beraten.

Erstmals nahmen an den Sitzungen auch Vertreterinnen und Vertreter von Betroffenen aus dem Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der EKD und der Diakonie teil.

Glaubwürdigkeit zurückerlangen

Zander, der Betroffenensprecher im Beteiligungsforum ist, forderte die Landeskirchen auf, nun genügend Geld für die Aufklärung, Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt bereitzustellen.

Außerdem müssten die Landeskirchen die Vorschläge des Beteiligungsforums, das das Thema Missbrauch EKD-weit bearbeitet, auch umsetzen, sagte er. Das Beteiligungsforum sei die letzte Chance für die EKD, beim Thema Missbrauch zu Glaubwürdigkeit zu kommen.

Studie zu Missbrauch in evangelischer Kirche / © Julian Stratenschulte (dpa)
Studie zu Missbrauch in evangelischer Kirche / © Julian Stratenschulte ( dpa )

Das Beteiligungsforum arbeitet derzeit unter anderem an einer Änderung des kirchlichen Disziplinarrechts und an einheitlichen Regeln für Anerkennungsleistungen, die Betroffene für erlittenes Leid entschädigen sollen. Gerade hier seien faire Regeln für die Betroffenen entscheidend, erklärte Zander.

"Vereinheitlichung ist ein Muss", betonte er. "Wenn wir das nicht bis zur EKD-Synode im November schaffen, geht noch mehr Vertrauen verloren." Betroffene müssten sehen, dass nach der Veröffentlichung der Studie schnell etwas geschehe.

ForuM-Studie in Auftrag gegeben

Die EKD hatte die Studie bei dem unabhängigen Forschungsverbund ForuM in Auftrag gegeben. Die Forscher zählten mindestens 2.225 Betroffene sexualisierter Gewalt und mindestens 1.259 Beschuldigte. Die Dunkelziffer liegt den Forschern zufolge aber deutlich höher.

Laut Studie gab es in der evangelischen Kirche und der Diakonie eine mangelnde Verantwortungsübernahme bei der Aufklärung von Taten. Betroffene, die ihre Geschichte öffentlich machten, seien zudem fast immer diskriminiert und ausgegrenzt worden.

Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche

Die Zahl der Missbrauchsopfer in der evangelischen Kirche und Diakonie ist viel höher als bislang angenommen. Laut einer Studie sind seit 1946 in Deutschland nach einer Hochrechnung 9.355 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden. Die Zahl der Beschuldigten liegt bei 3.497. Rund ein Drittel davon seien Pfarrpersonen, also Pfarrer oder Vikare. Bislang ging die evangelische Kirche von rund 900 Missbrauchsopfern aus. Die Forum-Studie wurde von einem unabhängigen Forscherteam erarbeitet und in Hannover veröffentlicht.

Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr (dpa)
Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr ( dpa )
Quelle:
epd