Bethlehem erholt sich von der Pandemie

Durchwachsene Weihnachtshoffnungen

Die Gäste sind zurück in Bethlehem. Noch nicht wie zu Vor-Corona-Zeiten, aber am Ende des Tunnels ist Licht. In den vorweihnachtlichen Optimismus mischen sich aber auch Sorgen über die politische Lage.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Weihnachtskrippe in Bethlehem / © Andrea Krogmann (KNA)
Weihnachtskrippe in Bethlehem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Montags in Bethlehem: Dichter Verkehr schiebt sich durch die festlich geschmückten Straßen. Dass wieder vermehrt Reisebusse die Innenstadt verstopfen, lässt wenige Tage vor Weihnachten die Herzen vieler Bethlehemer höherschlagen. "Wir sehen das Licht am Ende des Tunnels", sagt der Bürgermeister der Geburtsstadt, Hanna Hanania, im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Zahl der ausländischen Gäste hat gut zweieinhalb Jahre nach Ausbruch des Coronavirus wieder 60 bis 70 Prozent erreicht. Über die Weihnachtstage sind viele Hotels ausgebucht.

Hanna Hanania, Bürgermeister von Bethlehem / © Andrea Krogmann (KNA)
Hanna Hanania, Bürgermeister von Bethlehem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Rund 600.000 ausländische Besucherinnen und Besucher kamen seit Beginn des Jahres nach Bethlehem, sagte die palästinensische Tourismusministerin Rula Maajaa zu Beginn des Advent. Weitere 100.000, so ihre Schätzungen, sind im Monat Dezember zu erwarten. Im Jahr vor Corona kamen nach offiziellen Zahlen 900.000 Besucher in die 30.000-Einwohner-Stadt südlich von Jerusalem.

Zimmer über Weihnachten ausgebucht

Wer jetzt noch ein Zimmer für die Weihnacht sucht, kommt wohl zu spät. "Wir sind seit einem Jahr ausgebucht für den 24. Dezember", sagt die junge palästinensische Rezeptionistin in der "Casa Nova". Besonders bei italienischen Pilgern beliebt, ist das franziskanische Gästehaus durch seine Lage eine Top-Weihnachtsadresse: Durch den Seitenausgang tritt man in den Vorhof der katholischen Katharinenkirche, in der jedes Jahr der lateinische Patriarch von Jerusalem die zentrale Christmette feiert. Nimmt man den Vorderausgang, sind es wenige Meter zur "Demutspforte", dem Durchgang zur Geburtsbasilika, der beim Betreten mit knapp 1,30 Metern ein demütiges Niederbeugen abverlangt.

Ordensfrauen der Gemeinschaft "Verbo encarnado" mit Bewohnern ihres Kinderheims "Nino Dios" in der Geburtsgrotte der Geburtskirche in Bethlehem / © Andrea Krogmann (KNA)
Ordensfrauen der Gemeinschaft "Verbo encarnado" mit Bewohnern ihres Kinderheims "Nino Dios" in der Geburtsgrotte der Geburtskirche in Bethlehem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Im Innern der Kirche, die von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannt wurde, herrscht relative Ruhe. Ein paar einheimische Christen und Muslime bestaunen das Ergebnis der jüngsten umfassenden Restaurierung. Die Handvoll ausländische Pilger können ganz ohne Warten in die Geburtsgrotte hinabsteigen, in deren Halbdunkel eine andächtige Stimmung herrscht.

"Der Krippenplatz ist das Herz der Stadt"

Während eine amerikanische Gruppe an der Krippe Gottesdienst feiert, tragen Ordensfrauen des Kinderheims "Nino Dios" (Christkind) - einer Behinderteneinrichtung der argentinischen Gemeinschaft "Verbo encarnado" (fleischgewordenes Wort) - ihre Schützlinge hinunter. Im Schein von Öllampen legt sich ihr arabisches Ave Maria über den Schlusssegen der Amerikaner. Kein Kirchendiener treibt die Anwesenden zur Eile. Mit Muße machen sie Fotos von jener Stelle, an der ein silberner Stern auf weißem Marmor den Ursprungsort der Christenheit markiert.

Deutlich mehr Geschäftigkeit herrscht vor der Kirche auf dem zentralen Krippenplatz mit seinem prominenten Weihnachtsbaum. Versenkbare Poller versperren heute die Zufahrt zum einst beliebten Parkplatz, ein von Frankreich unterstützter Versuch der Stadt Bethlehem, den öffentlichen Raum für Fußgänger zurückzugewinnen.

Der Krippenplatz in Bethlehem / © Andrea Krogmann (KNA)
Der Krippenplatz in Bethlehem / © Andrea Krogmann ( KNA )

"Der Krippenplatz ist das Herz der Stadt", sagt der palästinensische Fotograf Elias Halabi, "zu jeder Tageszeit und an jedem Wochentag ist er anders". Die Vielfalt der Nutzer und Passanten und ihre Geschichten sind Inhalt seiner jüngsten Ausstellung "Wir sind der Krippenplatz", zu sehen im Peace Center an besagtem Platz. Rechtzeitig zu Weihnachten soll zudem die App "Walk Bethlehem" lanciert werden, die auf Englisch und Arabisch zum Erkunden der Stadt ohne motorisierte Hilfsmittel einlädt.

Kinderkrankenhaus will Dienste weiter ausbauen

Nicht alle teilen den weihnachtlichen Optimismus. Israel wolle den "Weihnachtsgeist" in der "Hauptstadt des Christentums" Bethlehem töten, klagten unlängst Vertreter des palästinensischen Tourismussektors. Ihr Vorwurf: Die israelische Armee hindere mit "wiederholten plötzlichen" Schließungen des sogenannten Checkpoint 300 - von Jerusalem kommend der kürzeste Weg in die Stadt - hunderte Touristen an der direkten Einreise. Damit zerstöre sie das Leben tausender Palästinenser, die vom Tourismus leben.

Schireen Khamis ist Kommunikationschefin des Caritas Baby Hospital, das nur wenige hundert Meter von besagtem Checkpoint in Bethlehem liegt. Die Einrichtung in Trägerschaft der Kinderhilfe Bethlehem ist saisonbedingt voll belegt und blickt auf ein gutes Jahr. Künftig sollen die Dienste des Kinderkrankenhauses weiter ausgebaut und um neue Angebote erweitert werden.

"Keine wirkliche Weihnachtsstimmung"

Weniger gut als die Lage des CBH beurteilt die orthodoxe Christin die allgemeine Lage in ihrer Heimat. "Seit Oktober wachen wir jeden Morgen mit neuen Märtyrern auf. Die Menschen sind gestresst und unglücklich ob der politischen Situation; wirkliche Weihnachtsstimmung kommt dabei nicht auf", sagt Khamis.

Ikone des britischen Künstlers Ian Knowles auf der israelischen Sperranlage in Bethlehem / © Andrea Krogmann (KNA)
Ikone des britischen Künstlers Ian Knowles auf der israelischen Sperranlage in Bethlehem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Zuletzt hatte ein weiterer israelischer Schritt für Unmut gesorgt. Die Armee hatte laut Medienberichten, wohl auch aufgrund der angespannten Sicherheitslage in den besetzten palästinensischen Gebieten, Mitte November jüdischen Fremdenführern und Fahrern die Einreise in die Geburtsstadt untersagt. Noch wird offenbar über eine Neureglung verhandelt, auch wenn einzelne Guides sich bereits über das Verbot hinwegsetzen.

"Besser als die letzten beiden Jahre"

Ohnehin selten kommen die israelisch geführten Gruppen in Straßen wie die von Olivenholzschnitzereien und Souvenirläden gesäumte Milchgrottenstraße. Sie ist benannt nach der Grotte, in der die Gottesmutter Maria auf der Flucht nach Ägypten beim Stillen des Jesuskindes ein paar Tropfen Milch vergossen haben soll. "Die Guides bringen ihre Gruppen in die Kirche und dann vielleicht noch in einen der großen Andenkenläden außerhalb der Stadt", sagen auch die Brüder Giacaman, einer alteingesessenen christlichen Familie, die sich auf das traditionelle Kunsthandwerk spezialisiert hat.

Trotzdem: "Das Jahr ist besser als die letzten beiden Jahre, dafür ist der Online-Handel leicht zurückgegangen", sagt Jack Giacaman. Er hat sich seinen Optimismus bewahrt. Die Besucherzahlen, so seine Erwartung, werden weiter steigen.

Bethlehem

 © Mizkit (shutterstock)

Das rund zehn Kilometer südlich von Jerusalem gelegene Bethlehem ist seit 1996 Teil der autonomen Palästinensergebiete. Die knapp 30.000 Einwohner zählende Stadt ist laut den biblischen Berichten der Geburtsort Jesu. Im Zusammenhang mit der Volkszählung unter dem römischen Kaiser Augustus heißt es beim Evangelisten Lukas: "Auch Josef machte sich auf den Weg. Von Nazareth in Galiläa ging er nach Bethlehem, das in Judäa liegt. Das ist der Ort, aus dem König David stammt."

Quelle:
KNA