Bestatter ermutigt zu Planung eigener Beerdigung

"Alles, was aus Liebe geschieht, ist richtig und stimmig"

Bei der Bestattung der Queen wurde nichts dem Zufall überlassen. Aber auch Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher machen sich zunehmend schon zu Lebzeiten Gedanken über die eigene Beerdigung. Bestatter David Roth ermutigt dazu.

Autor/in:
Angelika Prauß
David Roth, Bestatter und Buchautor, aus Bergisch Gladbach / © Hermann und Clärchen Baus (KNA)
David Roth, Bestatter und Buchautor, aus Bergisch Gladbach / © Hermann und Clärchen Baus ( KNA )

KNA: Herr Roth, Queen Elizabeth II. hat ihre Beerdigung schon seit langem geplant. Was können wir von ihr lernen?

David Roth (Bestatter und Buchautor aus Bergisch Gladbach): Im Fall des Königsamtes gibt es ein vorgeschriebenes Protokoll und bestimmte Abläufe, die eingehalten werden müssen. Ich erinnere mich besser an das Begräbnis von Prinz Philip, er hat viel mehr eigene Ideen eingebracht und sogar ein Auto dafür entworfen.

Lernen kann man daraus, dass das Befassen mit dem eigenen Tod nicht schwierig oder dunkel ist, sondern dass auch eine gewisse Zuversicht in Abläufe gibt, wenn alles im Sinne des Verstorbenen läuft. Das ist zudem eine gute Gesprächsgrundlage...

KNA: ... wenn man sich an das heikle Thema überhaupt herantraut.

Roth: Es fällt Menschen nach wie vor sehr schwer, über das Thema zu sprechen. Viele glauben, das ist ein Thema für das Alter. Neulich hatte ich ein Gespräch mit einem 92-Jährigen, der einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließen wollte. Aus meiner Beobachtung möchten vor allem Männer das Thema am liebsten aussitzen. Sie vertrauen darauf, dass ihre Partnerin das alles schon gut regeln wird - und sorgen bei ihr für große Unsicherheit. Denn wenn der Todesfall eintritt, weiß sie nicht wirklich, was er sich genau gewünscht hätte.

David Roth

"Aus meiner Beobachtung möchten vor allem Männer das Thema am liebsten aussitzen."

KNA: In Amerika und der Schweiz gibt es bereits den Geschäftszweig des "Funeral Planning". Welche Gründe sehen Sie dafür?

Roth: Die Gründe sind vielfältig. In den USA und anderen Ländern gibt es darauf spezialisierte Konzerne. Hierzulande ist die Bestattung eher in der Hand von mittelständischen und Familienbetrieben. Aber auch hier gibt es inzwischen einige Akteure, die das Thema Bestattungsvorsorge offensiv angehen und somit auch ins Bewusstsein rufen. Wenn Menschen in ein Heim, ins Hospiz oder auf eine Palliativstation kommen, werden sie meist aufgefordert, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Auch die Konfrontation mit Corona-Toten im eigenen Umfeld, die Naturkatastrophen wie im Sommer 2021 in Westdeutschland und der Ukraine-Krieg haben Menschen verdeutlicht, wie schnell ein Leben zu Ende sein kann. Hinzu kommt der Wunsch, die Nachkommen mit Entscheidungen rund um dem eigenen Tod nicht zu sehr zu belasten, auch nicht finanziell.

KNA: Kann es trotz Vorsorgevertrag auch zu bösen Überraschungen kommen?

Roth: Die Vorsorge macht man meist eher für sich und bespricht sie nicht mit anderen. Dahinter steht vielleicht auch der Gedanke: Das ist doch mein Tod, und der geht nur mich etwas an. Einmal hatte ich den Fall, dass sich eine Dame vorher sehr viele Gedanken darüber gemacht hat. Nach ihrem Ableben saß ich mit den Hinterbliebenen zusammen, und es gab einen verschlossenen Umschlag, der erst nach ihrem Tod geöffnet werden sollte. Darin stand, dass sie nicht in das Grab möchte, in dem bereits die Schwiegermutter liegt. Die Familie fand das natürlich nicht so lustig. Solche Themen sollten besser vorher miteinander geklärt werden.

David Roth

"Darin stand, dass sie nicht in das Grab möchte, in dem bereits die Schwiegermutter liegt. Die Familie fand das natürlich nicht so lustig."

KNA: Was waren bisher die ungewöhnlichsten Wünsche rund um die Bestattung, die an Sie herangetragen wurden?

Roth: Zunächst einmal gilt für mich: Trauer ist Liebe. Ich bin grundsätzlich bereit, jeden Weg mitzugehen, ohne etwas zu bewerten. Alles, was Menschen aus ihrer Beziehung und ihrer Liebe heraus machen, das ist für mich richtig und stimmig. Was tun Menschen nicht alles, um dem anderen eine Freude zu machen und ihre Liebe auszudrücken? Bei ungewöhnlichen Wünschen versuche ich, den Hintergrund zu verstehen. Wenn man den Kontext und die Beziehung nicht kennt, erscheint manches vielleicht pietätlos.

KNA: Können Sie ein Beispiel nennen?

Roth: Neulich hat sich jemand gewünscht, dass er eingeäschert wird und dass Teile dieser Asche in einem Feuerwerk in den Himmel geschossen werden. Das deckt sich nicht mit deutschem Bestattungsrecht. Aber wir sagen immer: Der Tod ist ein Lehrmeister zum bürgerlichen Ungehorsam. Es geht darum, dass man Verantwortung übernimmt für das, was man für richtig hält, was man sich zutraut und womit man anderen nicht schadet. Zufällig kennen wir eine große Feuerwerksfirma. Nun schauen wir, wie wir diesem Wunsch näher kommen können.

KNA: Viele wünschen sich auch, dass ihre Asche an einem ihrer Lieblingsorte verstreut werden soll.

Roth: Und vor kurzem waren wir sogar mit einem Verstorbenen in einem Sarg in seinem Lieblingsbrauhaus. Er hatte sich das gewünscht, weil er dort alle seine Geburtstage gefeiert hat. Er hatte auch die Adressen auf dem aktuellen Stand, eine Liste mit den zu spielenden Lieblingsliedern und eine Speisenliste vermerkt - alles war vorbereitet wie zu einer letzten Geburtstagsfeier. Wir mussten nur sehen, dass wirklich alle seine Freunde teilnehmen konnten, und einen Zeitpunkt finden, der auch für die Abläufe im Brauhaus passte.

KNA: Ein Sarg in einem Brauhaus - der Rheinländer würde fragen: Darf dat dat?

Roth: In Deutschland gibt es leider immer noch sehr viele Bedenken und Unsicherheiten beim Umgang mit Verstorbenen. Aus hygienischer Sicht ist ein verschlossener Sarg im Brauhaus kein Problem. Wir haben einen Nachmittag gewählt, damit es nicht so trubelig ist und man eine schöne Atmosphäre und eine gewisse Ruhe hatte, sich zu verabschieden. Wir haben ein Glas Kölsch auf den Sarg gestellt, so konnte jeder Trauergast für sich noch einmal mit dem Verstorbenen anstoßen. Jeder konnte so lange bleiben, bis er oder sie das Gefühl hatte, sich verabschieden zu können und seelisch und körperlich gut genährt wieder ins Leben gehen konnte.

David Roth

"Wir haben ein Glas Kölsch auf den Sarg gestellt, so konnte jeder Trauergast für sich noch einmal mit dem Verstorbenen anstoßen."

KNA: Da bekommt man ja direkt Lust, sich selbst Gedanken für den eigenen Abschied zu machen.

Roth: Dazu kann ich auch jeden nur ermutigen. Wir haben gerade mit Martin Walser und seiner Tochter Alissa ein kleines Büchlein verfasst. Es nimmt die Lesenden mit auf eine Reise rund um das Thema Bestattung und ermuntert zu Gesprächen mit den Menschen im eigenen Umfeld, aber auch mit dem Bestatter. Ich finde, es ist viel schöner, sich diesem Thema so zu nähern, als stupide eine Liste abzuarbeiten.

So kann man vielleicht auf schöne und fröhliche Ideen kommen, die die Situation auch für die Hinterbliebenen ein bisschen erleichtern. Ein guter Abschied - ganz im Sinne des Verstorbenen - kann für die Angehörigen durchaus Kraft schaffen: Wir sprechen von "Trauer-Power". Dann kann ihr Leben früher oder später wieder hell werden.

Das Stichwort: Friedhofskultur

Die Friedhofskultur in Deutschland ist seit 2020 "immaterielles Kulturerbe". Auf Empfehlung der Deutschen Unesco-Kommission beschloss die Kultusministerkonferenz im März 2020 die Aufnahme in das bundesweite Kulturerbe-Verzeichnis.

Das immaterielle Erbe Friedhofskultur bezieht sich dabei "auf das, was Menschen auf dem Friedhof tun - trauern, erinnern und gedenken" sowie auf das Gestalten, Pflegen und Bewahren. Es sind also nicht die Friedhöfe selbst, die zum Unesco-Welterbe ernannt wurden, das wäre quasi materielles Erbe.

Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz (KNA)
Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz ( KNA )

 

Quelle:
KNA