Bernie Sanders wäre der erste jüdische US-Präsident

Der Spitzenreiter der Demokraten spaltet Amerikas Juden

Bernie Sanders wäre der erste jüdische US-Präsident in der Geschichte. Doch der Spitzenreiter unter den demokratischen Präsidentschaftsbewerbern spaltet nicht nur mit Aussagen zu Israel die Gemüter der amerikanischen Juden.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Bernie Sanders / © Erik S. Lesser (dpa)
Bernie Sanders / © Erik S. Lesser ( dpa )

Er spricht bis heute mit dem Akzent der jüdischen Viertel von Brooklyn, verbrachte Zeit als Freiwilliger im Kibbuz in Israel und verlor den größten Teil der in Polen verbliebenen Familie seines Vaters im Holocaust. Der hatte Glück gehabt, bereits 1921 mit 17 Jahren in die USA ausgewandert zu sein. Im Laufe der Jahre änderte Vater Eliasz Gitman seinen Namen. Weshalb Bernie heute Sanders und nicht Gitman heißt.

"Ich bin der stolze Sohn eines Einwanderers", sagt Sanders, wenn er über seine Herkunft spricht. Genau dasselbe sagt der Spitzenreiter der Demokraten über seinen Glauben. "Ich bin sehr stolz darauf, jüdisch zu sein", verkündete der 77-Jährige kürzlich bei einer Präsidentschaftsdebatte der Demokraten. Doch das, was er dann hinterherschickte, macht einige Juden in den USA nervös.

Viel kritisierte Äußerungen

Er nennt Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu einen "reaktionären Rassisten", bezeichnet die Behandlung der Palästinenser als "ungerecht" und sieht die USA in der Rolle des ehrlichen Maklers.

"Das israelische Volk hat das Recht, in Frieden und Sicherheit zu leben, wie auch die Palästinenser", twitterte Sanders vor dem Treffen der Israel-Lobby AIPAC, das an diesem Dienstag in Washington zu Ende geht - um dann seine Absage an der Jahresversammlung zu begründen. "Mich stört, dass AIPAC Führern eine Bühne bietet, die Bigotterie und Opposition gegen grundlegende Rechte der Palästinenser ausdrücken."

"Wie weit darf ein amerikanischer Jude gehen?"

Seine Absage löste innerhalb der jüdischen Gemeinschaft der USA eine Kontroverse darüber aus, wie weit ein amerikanischer Jude gehen darf, den Staat Israel und seine Politik zu kritisieren. Oder mit Blick auf Sanders etwas zugespitzt gefragt: Kann ein Jude antisemitisch sein?

Unter den Anhängern Netanyahus und Donald Trumps bei den US-Juden finden sich einige, die das bejahen. Nur stellen sie bei Weitem nicht die Mehrheit der bis zu 7,2 Millionen Juden in den USA. 70 bis 80 Prozent von ihnen gelten als verlässliche Wähler der Demokraten. Was Trump dazu veranlasste, der Gemeinschaft vorzuwerfen, gegen ihre eigenen Interessen zu stimmen.

Kampf um soziale Gerechtigkeit als Kernwert

Sanders steht in der langen Tradition amerikanischer Juden, die den Kampf um soziale Gerechtigkeit mehr als Kernwert betrachten als die unbedingte Unterstützung für die Politik Israels. Der Autor Mairav Zonszein, der in den USA und Israel lebt, sprach in der Washington Post kürzlich "von einer Schlacht darüber, was die Werte jüdischer Amerikaner zu Israel sind." Sanders habe sich zum Bezugspunkt dieses "Bürgerkriegs" gemacht.

Es kommt darauf an, wer in der Gemeinde zu Bernie gefragt wird. Denn der Begriff "amerikanische Juden" ist weitläufig. Niemand kann genau sagen, wer dazu gehört und wer nicht. Zählte man nur die praktizierenden Juden, kommt das Forschungsinstitut PEW auf 4,2 Millionen. Die übrigen üben ihre Religion nicht aus, fühlen sich aber der Kultur verbunden. Eine Minderheit hat jüdische Elternteile, versteht sich aber nicht als Teil der Religionsgemeinschaft.

"Es ist unverantwortlich, AIPAC so zu beschreiben"

Gewiss spricht Sanders die säkularen Juden stärker an als die orthodoxen, die Jungen eher als die Älteren. Und die Progressiven mehr als die politisch konservativen. Aber es gibt auch Bürgerrechtler wie den Vorsitzenden der Anti-Defamation League, Jonathan Greenblatt, der nicht glücklich über die Positionierung des Spitzenreiters der Demokraten ist. "Zu einer Zeit, in der sie erleben, wie echter Hass in den USA anschwillt, ist es unverantwortlich, AIPAC so zu beschreiben." Das könnte erklären, warum Sanders laut einer PEW-Umfrage von Januar nur für elf Prozent der US-Juden erste Wahl für das Weiße Haus ist.

Andere Juden finden es unverantwortlich, wie sich die einstmals überparteiliche Israel-Lobby inzwischen aufstellt. AIPAC kritisierte Barack Obama und lud 2016 den damaligen Kandidaten Trump ein. Hunderte Konferenzteilnehmer marschierten seinerzeit aus Protest dagegen aus dem Saal.

In diesem Jahr blieb Sanders mit seiner Kritik zudem nicht allein. Elizabeth Warren, Mitbewerberin der Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur, sagte ebenfalls ihre Teilnahme an dem Jahrestreffen ab. Und Sanders' Verfolger bei den Vorwahlen, Joe Biden, schickte lediglich ein Video, in dem er vor der Unterminierung demokratischer Werte in Israel und den Konsequenzen des Siedlungsbaus warnte.


Quelle:
KNA