Berliner Pfarrer rätselt über Motiv für Kirchenbrand

"Gott muss uns mehr schützen"

Ein Feuer hatte vergangene Woche Teile der katholischen Sankt Matthiaskirche in Berlin zerstört. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Über das Motiv wird gerätselt. Pfarrer Josef Wieneke zweifelt an einem ideologischen Hintergrund.

Kirche Sankt Matthias in Berlin / © katatonia82 (shutterstock)
Kirche Sankt Matthias in Berlin / © katatonia82 ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns zunächst auf den Sachverhalt schauen. Laut Polizei bemerkte ein Passant am vergangenen Freitag gegen 2.40 Uhr brennende Holzlatten an der Haupteingangstür der Sankt Matthiaskirche. Dem Mann sei es gelungen, die Latten von der Tür wegzuziehen. Ein weiterer Zeuge habe wenige Minuten später an einer anderen Nebentür des Bauwerks ebenfalls brennende Latten entdeckt. Einsatzkräfte der Feuerwehr löschten die Flammen. Verletzt wurde niemand. Die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung. Ihre Kirche Sankt Matthias auf dem Winterfeldplatz ist eine der bedeutendsten Kirchen in Berlin und auch ziemlich zentral gelegen, oder?

Dr. Josef Wieneke (Pfarrer von Sankt Matthias in Berlin): Die Nordgrenze der Pfarrei geht bis zum Potsdamer Platz, bis zur Siegessäule. Wir sind mittendrin. Es ist eine schöne große Gemeinde mit 12.000 Gemeindemitglieder aus 96 Nationen. In dieser Kirche, die fast abgebrannt wäre, haben wir an den Wochenenden fünf Sonntagsmessen mit etwa 700 Gottesdienstteilnehmern. 

DOMRADIO.DE: Wie groß ist der Schaden an Ihrer Kirche?  

Wieneke: Wir sind sehr dankbar, dass nachts Leute vorbeigekommen sind. Passanten haben das erste Feuer ausgetreten und die Feuerwehr gerufen. Da ist nur ein ganz kleiner Schaden entstanden. Währenddessen ist aber vermutlich vom gleichen Brandstifter an einer anderen Stelle Feuer gelegt worden. 

Josef Wieneke

"Wenige Minuten später hätten wir hier möglicherweise einen Totalschaden gehabt."

Dieser Brandschaden ist durch die Tür hindurchgegangen. Eine halbe Stunde später ist die Feuerwehr nochmal gerufen worden. Wir hatten ganz großes Glück, dass dieser zweite Passant die Feuerwehr gerufen hat. Die Flammen wären fast ins Dach eingedrungen. Wenige Minuten später hätten wir hier möglicherweise einen Totalschaden gehabt. 

DOMRADIO.DE: Gibt es jetzt Einschränkungen bei Gottesdiensten oder anderen kirchlichen Veranstaltungen oder kommen Sie so erst mal provisorisch zurecht? 

Wieneke: Wir kommen zurecht. Das ist quasi ein Notausgang zwischen Pfarrsaal und Kirche gewesen. Der ist verraucht, aber der Rauch ist raus und wir haben es erstmal abgedeckt. Wir kommen zurecht. 

DOMRADIO.DE: Was ist Ihre Vermutung? Mit welcher Intention wurde das Feuer gelegt? 

Wieneke: Da habe ich überhaupt keine Vermutung. Ich glaube nicht, dass es eine systematisch organisierte Brandstiftung ist, weil es kein Bekennerschreiben, keine Verlautbarungen gibt. Von daher gehe ich eher von einem Einzeltäter aus. 

DOMRADIO.DE: Es gibt aber immer wieder Attacken auf Kirchen in Berlin, auch auf Ihre? 

Josef Wieneke

"Aber ich bezweifle in diesem Fall fast, dass dies einen ideologischen Hintergrund hat."

Wieneke: Ja klar, es gibt aus unterschiedlichen Richtungen Attacken von Rechtsextremen und Linksextremen. Aber ich bezweifle in diesem Fall fast, dass dies einen ideologischen Hintergrund hat. 

DOMRADIO.DE: Welche Reaktionen gibt es in Berlin auf den Anschlag? 

Wieneke: Ich bin sehr dankbar, dass unser Erzbischof Heiner Koch schon direkt am Morgen angerufen hat. Die evangelischen Nachbargemeinden haben auch ihre Solidarität bekundet. Das war sehr hilfreich. Natürlich gab es auch Reaktionen aus der Gemeinde.

Der Kontaktbereichsbeamte von der Polizei war auch da. Das war ebenfalls eine schöne Reaktion. Es wurde kurz in der Presse erwähnt, aber von höherer Ebene habe ich nichts gehört. 

DOMRADIO.DE: Berührt Sie das persönlich, wenn Ihr Gotteshaus geschändet wird? 

Josef Wieneke

"Ich bin erst mal dem lieben Gott dankbar, dass er die richtigen Leute zur richtigen Zeit vorbeigeschickt hat."

Wieneke: Ich bin erstmal dem lieben Gott dankbar, dass er die richtigen Leute zur richtigen Zeit vorbeigeschickt hat. Wir werden gucken, dass wir uns bei beiden auch erkenntlich zeigen. Gott muss uns mehr schützen. So ein Gotteshaus ist halt wehrlos. Wenn da genügend kriminelle Energie aufgebracht wird, kann immer was passieren. 

DOMRADIO.DE: Kirchen sollen Orte der Begegnung sein, Orte der Stille und offen für alle. Bleibt das in Sankt Matthias so? 

Wieneke: Selbstverständlich. Wir werden nichts daran ändern. Am Freitagmorgen war die Brandstiftung, am Sonntag ist unsere Messe im Deutschlandfunk übertragen worden, die wir schön gestaltet haben. Wir lassen uns davon nicht beeinträchtigen.

Allerdings riecht es ein bisschen. Aber wir lüften noch und wir müssen den Windfang und die Tür komplett erneuern. Mit der Polizei haben wir schon angefangen zu überlegen, wie wir den passiven Schutz erhöhen können. 

Das Interview führte Tobias Fricke. 

Sankt Matthias in Berlin

Sankt Matthias ist eine der ältesten katholischen Kirchen der Hauptstadt und ein Touristenmagnet. Wegen ihrer Größe diente der Hallenbau im neugotischen Stil in den Jahren der deutschen Teilung als inoffizielle Kathedralkirche für den Westteil der Stadt. Der spätere Münsteraner Kardinal Clemens August von Galen war von 1906 bis 1911 in der Sankt Matthias Kirche als Kaplan tätig und zwischen 1919 und 1929 dort Pfarrer. Als einer von wenigen Kirchenoberhäupter übte er während der NS-Diktatur als "Löwe von Münster" öffentlich Kritik am Regime. (kna)

 

Luftbild von Berlin / © ColorMaker (shutterstock)
Quelle:
DR