Berlin schaltet sich in Kaukasus-Konflikt ein

Merkel appelliert an Russland

Im Machtkampf um den Südkaukasus verschärft sich der Ton zwischen Moskau und den Washington. US-Präsident George W. Bush bezeichnete die Angriffe Russlands als "unverhältnismäßig". Unterdessen versuchen Berlin und Brüssel zu vermitteln.

 (DR)

Die Bundesregierung hat sich am Wochenende intensiv in die Bemühungen um ein Ende des bewaffneten Konflikts in der Kaukasusregion Südossetien eingeschaltet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte in der Sache mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, dessen Land die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warb in Telefonaten mit seinen Amtskollegen in Russland und Georgien um Aufnahme eines Direktkontaktes.

Wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin der Nachrichtenagentur ddp am Sonntag sagte, ist durch die Vermittlung Steinmeiers ein "Ende der Sprachlosigkeit" zwischen Russland und Georgien erreicht worden. Im Außenamt hoffe man nun, das beide Seiten den Dialog zur Entschärfung der Krise nutzten.

Merkel rief am Sonntag "dringend zu einer sofortigen und bedingungslosen Waffenruhe und zum Rückzug aller militärischen Kräfte auf ihre Stellungen vor Ausbruch der Kampfhandlungen" auf. Die Kanzlerin betonte, die territoriale Integrität Georgiens müsse respektiert werden. Die russischen Luftangriffe auf georgisches Territorium müssten unverzüglich aufhören. Die Kanzlerin trifft am Freitag Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew im russischen Schwarzmeer-Badeort Sotschi.

Machtkampf zwischen Russland und den USA
Im Machtkampf um den Südkaukasus verschärft sich inzwischen auch der Ton zwischen Russland und den USA. US-Vizepräsident Dick Cheney warnte Moskau vor ernsthaften Konsequenzen für seine Beziehung zu den USA und anderen Ländern, sollte es seine Angriffe auf Georgien forsetzen. US-Präsident George W. Bush bezeichnete diese als "unverhältnismäßig". Im UN-Sicherheitsrat lieferten sich die Vertreter beider Staaten einen heftigen Schlagabtausch. Tiflis und Moskau beschuldigten sich erneut gegenseitig, die Kämpfe fortzusetzen.

In einem Gespräch mit dem russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin habe er die Bombenangriffe auf Georgien scharf verurteilt, sagte Bush dem US-Sender NBC in Peking. Diese seien völlig "inakzeptabel". Bei neuerlichen Beratungen des UN-Sicherheitsrats über eine gemeinsame Erklärung zur Lage im Südkaukasus kam es zu heftigen Wortwechseln zwischen US-Botschafter Zalmay Khalilzad und seinem russischen Kollegen Witali Tschurkin. Khalilzad warf Russland vor, mit einer "Terrorkampagne" die Ablösung der demokratisch gewählten Regierung in Tiflis zu betreiben. Tschurkin wies die Vorwürfe entschieden zurück. Diese seien "inakzeptabel, besonders, wenn sie von dem Vertreter eines Landes stammen, dessen Aktionen im Irak, Afghanistan und Serbien uns allen bekannt sind".

Die westlichen Mitglieder es UN-Sicherheitsrats arbeiten derzeit an dem Entwurf eines gemeinsamen Aufrufs zum Ende der Kämpfe in Georgien und seinen abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien. In Tiflis starteten der französische Außenminister Bernard Kouchner und sein finnischer Kollege Alexander Stubb in seiner Funktion als OSZE-Vorsitzender ihre Vermittlungsmission.

Fast 2000 tote Zivilisten
Wieviele Menschen bei den seit Donnerstagnacht anhaltenden Kämpfen starben, war weiter ungewiss. Die russische Seite sprach von fast 2000 toten Zivilisten, Tiflis bezifferte die Zahl seiner Opfer auf 92, darunter 40 Zivilisten. Nach Angaben einer Sprecherin des Internationaln Rot-Kreuz-Komitees flohen rund 30.000 Menschen vor den Kämpfen in Südossetien, 10.000 weitere seien vor den Angriffen in Georgien geflüchtet.

Vor dem Auswärtigen Amt in Berlin protestierten am Sonntag rund 150 Georgier gegen das militärische Vorgehen Russlands im Kaukasus. Auf Plakaten hieß es unter anderem "Stoppt Russland" und "Lasst Georgien nicht im Stich". Die Veranstaltung verlief nach Polizeiangaben friedlich.