Krieg in Georgien - Heiliger Stuhl "schockiert"

Kaukasus wird zum Spielball der Weltpolitik

Die Situation in der georgischen Konfliktregion Südossetien ist eskaliert. Georgiens Präsident Michail Saakaschwili hat den Kriegszustand ausgerufen, nachdem Russland in den Konflikt eingegriffen hat, um einen "Waffenstillstand zu erzwingen". Inzwischen sind auch georgische Stellungen in Abchasien, der anderen abtrünnigen Republik Georgiens, angegriffen worden. Präsident Saakaschwili soll eine Feuerpause angeboten haben.

 (DR)

Im Konflikt mit Russland hat der georgische Präsident Michail Saakaschwili eine sofortige Feuerpause vorgeschlagen, das meldet die Nachrichtenagentur Interfax in Tiflis. Die Konfliktparteien sollten die Kämpfe um Tschinwali sofort einstellen, fordert Saakaschwili, die Region solle entmilitarisiert werden. Als Zeichen seines guten Willens habe der Präsident die georgischen Truppen aus Tschinwali abgezogen, sagte der Sekretär des Sicherheitsrates in Tiflis, Alexander Lomaia.

Die Südossetische "Hauptstadt" Tschinwali scheint schon vor dem Angebot Saakaschwilis unter russischer Kontrolle gewesen zu sein.  Die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass hatte bereits am Vormittag gemeldet, die russische Armee habe die Hauptstadt Südossetiens "befreit". Nach russischen Berichten sind bis zu 30.000 Menschen aus Südossetien nach Russland geflüchtet.

Mit einer überraschenden Militäroffensive in Südossetien hatte Georgien am Freitag versucht, die Kontrolle über die seit 1992 abtrünnige Provinz zurückzugewinnen. Die russischen Streitkräfte haben zur Unterstützung Südossetiens in den Konflikt eingegriffen.

Kriegszustand ausgerufen
Westliche Nachrichtenagenturen berichten von russischen Luftangriffen auf die Erdöl- und Gasinfrastruktur in Georgien. Der Schwarzmeerhafen Poti ist nach Angaben des georgischen Außenministeriums "vollständig" durch russische Luftangriffe zerstört worden. Auch Militärstützpunkte in Georgien sollen die Russen angegriffen haben. Russlands Präsident Medwedjew erklärte, die russischen Truppen in Südossetien sollten Georgien zu einer Waffenruhe zwingen.

Der georgischen Präsident hat am Samstag den Kriegszustand erklärt. Die Streitkräfte sowie tausende Reservisten sind bereits mobilisiert. 2000 georgischen Soldaten sollen aus dem Irak zurück geholt worden. In einem CNN Interview bat der georgische Präsident die USA um Hilfe. Die Bush Regierung stellte sich zwar hinter Saakaschwili, vermied aber jeden Eindruck einer möglichen militärischen Unterstützung.

In Tiflis äußerte Saakaschwili auch Kritik an der internationalen Gemeinschaft. Die Informationen, dass Russland einen Krieg gegen Georgien plane, hätten vorgelegen. Niemand habe auf ihn gehört, klagte der Präsident. Namentlich erwähnte er auch Angela Merkel, mit der er erst im Juni in Berlin zu bilateralen Gesprächen zusammengekommen war.

"Lage ist äußerst ernst"
Papst Benedikt XVI. verfolgt mit wachsender Sorge die Krise in Ossetien und die militärische Eskalation zwischen Georgien und Russland. Der Papst bete und hoffe, dass der kriegerische Konflikt durch Vernunft und diplomatische Wege wieder beendet werden könne, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Samstag in "Radio Vatikan". Der Heilige Stuhl sei "schockiert" über die Ereignisse im Kaukasus und darüber, dass nach einigen Jahren der Ruhe jetzt wieder Gewalt in dieser ohnehin von vielen Spannungen geprägten Region ausgebrochen sei. Der

"Man hat gespürt, dass etwas passieren würde. Manche sagen, von russischer Seite sei alles von langer Hand vorbereitet gewesen", sagte Giuseppe Pasotto, Apostolischer Administrator für die Gläubigen des lateinischen Ritus in Georgien, in Tiblis zu Radio Vatikan. Für den Abend hat der Patriarch die georgischen Christen zu einem Friedensgebet aufgerufen.


Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die Konfliktparteien in Südossetien eindringlich zur Beendigung der Kampfhandlungen aufgerufen. Russen und Georgier müssten ihre nach Südossetien geführten Truppen wieder abziehen, sagte Steinmeier der "Bild am Sonntag". Die Lage in der abtrünnigen georgischen Provinz nannte Steinmeier "äußerst ernst". Mit Hinweis auf Berichte, dass es auch in der georgischen Provinz Abchasien zu Kämpfen gekommen sein soll, warnte Steinmeier vor der Gefahr eines "gefährlichen Flächenbrandes": "Angesichts dieser dramatischen Perspektive müssen alle Parteien unverzüglich ihrer Verantwortung gerecht werden - die Waffen müssen schweigen!"

Erinnerungen an den kalten Krieg
Die Georgier werden in ihrem Streben nach territorialer Einheit und einem Beitritt zur NATO von den USA unterstützt. Für den Einsatz im Irak wurden georgischen Soldaten von den USA ausgebildet. Im Zuge der europäischen Nachbarschaftspolitik wurde die georgische Polizei von der EU mit Ausbildung, Ausrüstung und Informationen versorgt. Innerhalb der EU gibt es aber keine einheitliche Position. Deutschland sei sehr zurückhaltend. Die baltischen Staaten und zum Beispiel Schweden bekennen sich enger zu Georgien, erläutert Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Die kaukasischen Regionen Abchasien und Südossetien suchen dagegen seit längerem außenpolitische Unterstützung bei Russland. Die Region wird von Russland auch wirtschaftlich unterstützt, zum Beispiel mit einer Gaspipeline über den Kaukasus. Außerdem hat Moskau vor Jahren begonnen die Osseten einzubürgern. Gut 90 Prozent der Südosseten besitzen inzwischen russische Pässe. Somit schützt Russland mit seinem Eingreifen in den Konflikt formell eigene Staatsbürger.

Streben nach Unabhängigkeit
Die willkürlichen Grenzziehungen in der Region gehen auf die Zeit Sralins zurück, traten aber erst nach dem Zusammenbruch der Sovjetunion offen zutage. Südossetien hat sich in einem zweijährigen Krieg Anfang 1992 von Georgien gelöst und ist seither de facto unabhängig. Auch Abchasien erklärte sich 1992 unabhängig. Ein daraufhin folgender Krieg wurde 1994 mit einem Waffenstillstand beendet. Die Regionen gehören  völkerrechtlich weiter zu Georgien.1992 und 2006 stimmten die südossetischen Einwohner in einem Referendum für die Unabhängigkeit von Georgien. International wurden die Referenden jedoch nicht anerkannt. Seit dem Waffenstillstand 1992 hat Russland hat 500 Soldaten als UN-Friedenstruppen in der Region stationiert.

Aufruf zur Besonnenheit
Die Eskalation des Konflikts hat die Internationale Gemeinschaft stark beunruhigt. Der UN-Sicherheitsrat trat am Freitag binnen Stunden zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, konnte sich bislang aber auf keine gemeinsame Erklärung zu dem Konflikt verständigen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief die Konfliktparteien "zu größter Besonnenheit und Zurückhaltung" auf. Sie verlangte den sofortigen Stopp jeglicher Gewaltanwendung, wie Vize-Regierungssprecher Thomas Steg mitteilte. Die Bundeskanzlerin lasse sich über die aktuelle Entwicklung ständig unterrichten. Die Bundesregierung befinde sich in dieser Angelegenheit in enger Abstimmung mit ihren Partnern in EU, OSZE und NATO, hieß es.

Auch die Grünen-Bundesvorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütikofer forderten die Konfliktparteien auf, die "unerträgliche Gewalt sofort zu beenden, eine Waffenruhe zu vereinbaren und eine friedliche Lösung zu suchen." Eine gewaltsame Eroberung Südossetiens durch Georgien sei ebenso wenig akzeptabel wie der Einmarsch russischer Truppen zugunsten der Separatisten in Südossetien. Roth und Bütikofer warnten zudem vor einem Übergreifen der kriegerischen Auseinandersetzung auf Abchasien.

Der CSU-Außenexperte Karl-Theodor zu Guttenberg sagte, der Einmarsch georgischer Truppen auf das Territorium Südossetiens sei ebenso abzulehnen wie russische Bombardements. Eine Eskalationsspirale im Kaukasus müsse unbedingt vermieden werden. Deutschland und die EU seien gefordert, eine politische Verständigung zu befördern. Guttenberg rügte: "Martialisches Säbelrasseln Putinscher Diktion stellt in der gegebenen Situation sicherlich keinen konstruktiven Beitrag zur Friedensstiftung dar." Man müsse hoffen, "dass Präsident Medwedjew umsichtiger" agiere.

Verhandlungen waren vergeblich
Der FDP-Kaukasusexperte Michael Link sagte, die Kämpfe zwischen georgischen Truppen einerseits und südossetischen Milizen und russischer Armee andererseits seien der Offenbarungseid, dass jahrelange Verhandlungen vergeblich waren. Schuld sei "die Sturheit der Beteiligten - Südosseten, Georgier und Russen gleichermaßen". Die territoriale Integrität Georgiens stehe für die FDP außer Frage. Aber die Konflikte um Südossetien und Abchasien könnten mit Gewalt nicht gelöst werden. Schon gar nicht, wenn ein Land wie Georgien in die NATO strebe.