DOMRADIO.DE: Sie haben Margot Käßmann in den vergangenen sieben Jahren begleitet und beraten - aber Sie kennen sich schon viel länger...
Uwe Birnstein (Berater von Margot Käßmann): Wir kennen uns seit etwa 30 Jahren. Damals gab es eine theologische Zeitschrift, deren Redaktion aus vielen älteren, ehrenwerten Persönlichkeiten bestand. Die wollten sich etwas verjüngen und fragten unabhängig voneinander Frau Käßmann und mich, ob wir mitmachen wollten. Da haben wir uns kennengelernt und sind seitdem immer in Kontakt geblieben. Seit sieben Jahren arbeiten wir außerdem eng zusammen, seit der "berühmten Alkoholfahrt". Damals hatte sie erst einmal kein kirchliches Büro mehr und brauchte jemanden, der sie unterstützt. Da war unser Vertrauensverhältnis gut und passend.
DOMRADIO.DE: Als Berater waren Sie stets an Frau Käßmanns Seite - bei Konferenzen genauso wie in Talkshows. Wie gut lernt man sich da kennen?
Birnstein: Wir haben natürlich einige Hunderte Stunden miteinander in irgendwelchen Flugzeugen, Zügen und Autos verbracht. Da erzählt man sich viel, Persönliches und auch Berufliches. So findet ein Kennenlernen fast als Nebeneffekt statt. Da sind wir uns näher gekommen, und so entstand die Idee, zum 60. Geburtstag, aber auch zum Eintritt in den Ruhestand, eine Biografie zu schreiben. Eine Biografie, die das Berufsleben, aber auch vieles Privates zusammen bindet und schon heute etwas Rückschau wagt.
DOMRADIO.DE: Was ist der Kern dieses eindrucksvollen Lebensweges - tatsächlich das "Sich-treu-bleiben"?
Birnstein: Das "Treu-bleiben" auf jeden Fall. Der Titel sagt das ja schon: "Folge dem, was dein Herz dir rät". Das hat Margot Käßmann in der Pressekonferenz gesagt, in der sie ihren Rücktritt von allen kirchlichen Ämtern angekündigt hat: "Bleibe bei dem, was dein Herz dir rät", hat sie damals wörtlich gesagt. Das ist etwas anderes als eine Bauchentscheidung. Denn das Herz ist nach biblischer Sicht der Sitz von Verstand und Gefühl; das wirkt also beides zusammen. Ihr "Dem-Herzen-folgen", das kann man tatsächlich an mehreren Lebensstationen festmachen. Ich meinte, Margot Käßmann gut zu kennen. Was mich aber dann doch sehr fasziniert hat, ist noch einmal der Rundumblick von ihrer Kindheit bis heute.
Da habe ich verstanden, warum sie eigentlich bei den Themen Flüchtlinge und Krieg und Frieden so aktiv ist und immer ganz hellhörig und auch immer viel dazu sagt. Das hängt nämlich mit dem Schicksal ihrer Großmutter und ihrer Mutter zusammen. Die Großmutter wurde aus Hinterpommern vertrieben, fand dann unter schrecklichsten Bedingungen in Hessen Unterschlupf und diese Flüchtlingsgeschichten kursierten in der ganzen Familie, die hörten Margot Käßmann und ihre Schwestern oft bei häuslichen Zusammentreffen am Abendessentisch und bei Feiern. Das hat sie wohl so geprägt, dass es heute ganz selbstverständlich ist, dass sie sich da politisch engagiert.
DOMRADIO.DE: Für wen haben Sie das Buch geschrieben?
Birnstein: Geschrieben habe ich es für alle, die ein Interesse an der Person Margot Käßmann haben, die konsequent zu ihren Entscheidungen steht und die Sachen bedauert, die bedauernswert sind. Natürlich ist die Alkoholfahrt für sie selbst auch ein Tiefpunkt gewesen. Aber ihr Umgang damit – und das imponiert den Leuten – ist eben vorbildhaft. So vorbildhaft, dass Politiker oder andere gesellschaftliche Größen, die jetzt während ihres Amtes einen Fehler begehen, sich in der Presse schon daran messen lassen müssen - nach dem Motto "Käßmann wäre längst zurückgetreten". Das hat auch humorvolle Aspekte. Auf jeden Fall ist Margot Käßmann eine Persönlichkeit, wie es sie die in der Öffentlichkeit Deutschlands nicht so oft gibt.
Das Gespräch führte Heike Sicconi.
Die Biografie "Margot Käßmann - Folge dem, was Dein Herz Dir rät" von Uwe Birnstein ist am 3. April 2018 erschienen.
