Benedikt XVI. muss in der Türkei mit frostigem Empfang rechnen

"Besuch kann Schaden nicht wieder gut machen"

Wütende Demonstranten statt jubelnder Kinder, Protestaktionen statt Gottesdiensten unter freiem Himmel: Papst Benedikt XVI. muss sich darauf gefasst machen, in der kommenden Woche bei seinem ersten Besuch in einem muslimischen Land sehr viel weniger herzlich empfangen zu werden als etwa bei seinem triumphalen Besuch in der deutschen Heimat im September.Sein Ruf, ein Gegner des türkischen EU-Beitritts zu sein, und zuletzt seine Regensburger Rede sind Gründe dafür, dass der Papst am Bosporus nicht beliebt ist. Und dies gilt nicht allein für radikale Nationalisten oder Islamisten. Auch bei seinen Gesprächen mit den Vertretern des türkischen Staates könnte die Atmosphäre eher frostig werden.

 (DR)


Nur jeder Zehnte pro Papst
Allein bei den christlichen Minderheiten in der Türkei ist so etwas wie Vorfreude zu spüren. Zuletzt gab in einer Umfrage aber nur jeder zehnte der befragten Türken an, die Visite des Papstes zu unterstützen. Jeweils 40 Prozent äußerten sich ablehnend oder nicht interessiert, weitere 10 Prozent wussten nichts vom bevorstehenden Besuch. Und diese Stimmungslage hängt nicht nur damit zusammen, dass die Christen und erst recht die Katholiken in der Türkei eine verschwindend kleine Minderheit bilden. Viele Türken haben es dem Papst nicht verziehen, dass er sich als Kardinal gegen die EU-Mitgliedschaft ihres Landes aussprach. Auch der Streit um die Regensburger Rede wirkt negativ nach.

Und dennoch: Trotz aller Schwierigkeiten werde die Türkei ihre gute Gastfreundschaft auch beim Papstbesuch unter Beweis stellen, verspricht Parlamentspräsident Bülent Arinc, ein führender Vertreter der islamisch geprägten Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Andere AKP-Politiker sind in ihren Äußerungen weniger diplomatisch. "Schon seit den Kreuzzügen" bestehe der Umgang der Päpste mit dem Islam darin, ihn zu beleidigen, gab etwa der AKP-Parlamentsabgeordnete Avni Dogan zu Protokoll: "Niemand in der Türkei sollte das vergessen!"

Dafür wollen gleich mehrere Gruppen sorgen. Nationalistische Europa-Gegner um den rechtsgerichteten Anwalt Kemal Kerincsiz planen Protestaktionen. Islamisten wollen schon zwei Tage vor der Ankunft des Papstes in Istanbul eine Großdemonstration gegen Benedikt XVI. organisieren. "Dumm und heimtückisch" sei das katholische Kirchenoberhaupt, schimpfen die Veranstalter auf Transparenten, die überall in Istanbul aufgehängt sind.

Die Abwesenheit Erdogans verstimmt viele
Auch die Abwesenheit von Ministerpräsident Erdogan, der am Nato-Gipfel in Riga teilnimmt, wird von vielen in der Türkei nicht als Zufall gewertet. Erdogans AKP halte Distanz zum Papst, weil sie sich kurz vor den Parlamentswahlen im kommenden Jahr nicht dem Vorwurf aussetzen wolle, mit einem angeblichen Islam-Gegner gut auszukommen, glauben Beobachter in Ankara. Auf dem Programm stehen nun nur die Treffen mit Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer und Vize-Premier Mehmet Ali Sahin.

Und auch der wichtigste islamische Gesprächspartner in Ankara gibt sich zugeknöpft: Ali Bardakoglu, der Chef des staatlichen Religionsamtes in der Türkei, machte kurz vor dem Besuch in einem Fernsehinterview deutlich, dass er nach wie vor eine formelle Entschuldigung des Papstes für seine Regensburger Rede vermisse. Der Türkei-Besuch könne den entstandenen Schaden nicht wieder gut machen.