Benedikt XVI. besucht erstmals eine evangelische Kirche

Papst unter Protestanten

Papst Benedikt XVI. hat am Sonntag ein Abendgebet in der deutschen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom gefeiert. Es handelt sich um den ersten Besuch des amtierenden Papstes in einem lutherischen Gotteshaus.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Es sind durchwachsene Zeiten für die katholische Führungsspitze. Und so mag Papst Benedikt XVI. den warmherzigen Empfang durch die deutsche evangelisch-lutherische Gemeinde Roms besonders geschätzt haben. Sein Besuch fiel auf den Sonntag, der «Lätare» heißt und ein Aufruf zur Freude mitten in der Fastenzeit sein soll. «Jesu, meine Freude», sang der Chor, «unter deinem Schirmen / bin ich vor den Stürmen / aller Feinde frei. / Lass den Satan wettern, / lass die Welt erzittern, / mir steht Jesus bei.»

Benedikt XVI. durfte sich in der kleinen Herde der Protestanten geborgen fühlen. Nichts und niemand erinnerte ihn hier an die Stürme, denen seine Kirche in Deutschland derzeit ausgesetzt ist. Für die Pfarrei in der Via Toscana mit ihren gerade einmal 350 Mitgliedern bedeutete der Besuch des Papstes einen neuen Eintrag in die Kirchengeschichte: Moscheen, Synagogen und das orthodoxe Patriarchat von Konstantinopel hatte Benedikt XVI. schon betreten; jetzt war er zum ersten Mal in einem evangelischen Gotteshaus zu Gast. Zuvor überschritt hier sein Vorgänger Johannes Paul II. als erster Papst überhaupt die Schwelle einer protestantischen Kirche - das war 1983, zum 500. Geburtsjahr Martin Luthers.

An diesen Besuch erinnerte die Gemeindepräsidentin Doris Esch in ihrem Grußwort, auch an die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999 in Augsburg und ein Podiumsgespräch des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger mit Berlins evangelischem Bischof Wolfgang Huber ein knappes Jahr zuvor in der Christuskirche.

Diesmal fehlten gewichtige Anlässe und runde Jubiläen. Man wollte mit dem Papst oder vielmehr dem «Bischof von Rom», wie Pfarrer Jens-Martin Kruse betonte, einfach Gottesdienst feiern. «Uns geht es um gelebte und gefeierte Ökumene», so Kruse.

Gepflegtes Orgelspiel und Chorgesang in der lichten neobyzantinischen Kirche, Mozart, Bach und Mendelssohn; ein Psalm zum Eingang, Lesungen aus Epistel und Evangelium, dazwischen beherzter Gemeindegesang. Pfarrer Kruse, ganz Seelsorger, sprach über Trost in der Bedrängnis, streifte Ökumenisches nur indirekt - etwa mit dem Appell des Paulus an die Christen, «nicht nebeneinander herzugehen, sondern miteinander». Anders der Papst.

Er sprach weithin frei, legte der Gemeinde das Johannesevangelium aus. Es ging um Nachfolge Christi; das gab das Stichwort. Es müsse Christen «innerlich unruhig machen», dass sie durch ihre geteilten Wege das Zeugnis für Christus verdunkelten. «Dass wir nicht den gleichen Kelch trinken können, nicht am gleichen Altar stehen, muss uns mit Trauer erfüllen», sprach er mit erkältungsrauer, doch fester Stimme von der lutherischen Kanzel herab.

Zugleich bestritt der Petrusnachfolger, die Schlüsselgewalt zur Lösung des Dilemmas zu haben. «Eine Einheit, die wir selbst aushandeln würden, wäre menschengemacht, und so brüchig wie alles, was Menschen machen.» Das Ende der Trennung könne nur von Gott kommen, und statt über einen Stillstand der Ökumene zu klagen, sollten die Gläubigen «dankbar werden, dass es so viel Einheit gibt».

Ein «sehr eindrucksvoller geistlicher Gottesdienst», kommentierte Ökumene-Kardinal Walter Kasper nach der Feier. Nichts Neues, aber für kirchenpolitische Erklärungen sei die Feier ohnehin nicht der rechte Ort. Und auch Pastor Kruse kann mit so einem Papst gut leben.
«Wir sind als lutherische Kirche eine durch die Reformation hindurchgegangen katholische Kirche», sagte er. «Die Tradition der Päpste ist auch unsere Tradition.»

Den Schlusssegen im Gottesdienst spendete Benedikt XVI. Auch der evangelische Pfarrer bekreuzigte sich. Dann bat er seinen Gast noch auf eine private Begegnung ins Pfarrhaus, der Hirte über 350 Seelen den geistlichen Führer einer Milliarde. Als solle es den familiären Charakter unterstreichen, durfte Benedikt XVI. noch eine Torte in den Apostolischen Palast mitnehmen. Hausgemacht und haltbar produziert, versicherte Kruse, für den Fall, dass der Papst bis Ostern auf Süßes verzichtet.