Bei Osnabrück tagt die Bundeskonferenz der katholischen Gefängnisseelsorge

Zwischen Tabak- und Schuldfrage

"Gott schuf den Menschen nach seinem Bild", Motto der Bundeskonferenz der katholischen Gefängnisseelsorge, die gerade bei Osnabrück tagt. Axel Wiesbrock ist Vorsitzender der Konferenz. Im domradio-Interview spricht er über die Arbeit des Seelsorgers in einem Umfeld der inneren und äußeren Krise. "Vor Arbeit können wir uns kaum retten."

 (DR)

domradio: Gott schuf den Menschen nach seinem Bild - gilt das auch für Gefängnisinsassen?
Wiesbrock: Ich will doch hoffen. Es ist doch so: Wir sind alle Kinder Gottes. Und das hört nicht auf, wenn wir durch eine dicke Mauer oder Gitter von einander getrennt sind.

domradio: Dennoch: Wie schwer fällt es Ihnen an dieser Glaubenswahrheit festzuhalten?
Wiesbrock: Manchmal ist das nicht ganz einfach. Wir begegnen im Gefängnis Menschen, die auch schreckliche Taten begangen haben. Aber gerade im seelsorgerischen Gespräch werden ganz andere Dinge deutlich - auf den zweiten Blick. Nämlich dann, wenn wir offen über Gefühle, die eigenen Abgründe und auch die Sehnsucht nach Versöhnung reden können.

domradio: Wie verändert sich dann Ihr Blick?
Wiesbrock: Dann wird für mich sehr deutlich, dass jeder Täter nicht die Summe seiner Handlungen und Untaten ist, sondern dass er Mensch ist, wie Sie es sind und ich es bin.

domradio: Gerade tagen Sie - worum genau geht es?
Wiesbrock: Die Bundeskonferenz trifft sich einmal pro Jahr zu dieser Bundestagung. Wir beschäftigen uns mit aktuellen Themen. In den letzten Jahren ist für uns vornehmlich in den Blick geraten, dass es im Gefängnis viele Situationen gibt, in denen die Frage nach der Würde des Menschen provoziert wird. Es sind alltägliche Situationen, wo man schon die Frage stellen muss: Ist das noch in Einklang zu bringen mit der Würde des Menschen? Vor diesem Hintergrund setzen wir uns in diesem Jahr mit dem christlichen Menschenbild auseinander.

domradio: Sie arbeiten auch selber in einem Gefängnis. Wie muss man sich die Situation in deutschen Gefängnissen vorstellen?
Wiesbrock: Auch an den Gefängnissen ist die Krise nicht vorüber gegangen. Auch dort wird immer mehr eingespart, die Ressourcen werden knapper - auf Kosten der Behandlung. Viele Prozesse werden technokratisiert. Sicherheit wird groß geschrieben, viel geschieht über Monitore und Personal fehlt. Orte, wo Beziehungen eingegangen werden und ein direktes Miteinander möglich ist, werden immer weniger. Das verschärft die Situation im Gefängnis.

domradio: Wie sieht Gefängnisseelsorge genau aus?
Wiesbrock: Gefängnisseelsorge versucht Räume zu schaffen, in denen wir den Menschen begegnen können. Die Inhaftierten wenden sich an uns und wir nehmen uns Zeit für Gespräch und Begleitung. Wir versuchen Perspektiven zu bieten.

domradio: Und die Gefangenen nehmen das Angebot wahr?
Wiesbrock: Oh ja, vor Arbeit können wir uns kaum retten. Gerade Seelsorge schafft im Gefängnis einen besonderen Raum, in dem es möglich ist, ungeschützt über alles zu reden.

domradio: Worüber zum Beispiel?
Wiesbrock: Manchmal steht die Frage nach Tabak im Vordergrund, aber es ist oft auch die Auseinandersetzung mit den Schwierigkeiten, die es mit den Angehörigen draußen gibt. Diese Situation ist ja schwierig. Es geht um die Auseinandersetzung mit der Tat. Es gibt immer wieder auch ein Erschrecken über das, was man angerichtet hat. Es geht um die Frage nach Schuld und die Möglichkeit, wieder Fuß zu fassen.