Bei der NRW-Landtagswahl treten so viele Splitterparteien an wie nie zuvor

Bibeltreu, violett, rechtsextrem

Rentner, Bibeltreue, Piraten und Violette: Schon die Namen mancher Parteien bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl am Sonntag wirken kurios. Neben den etablierten Parteien treten an Rhein und Ruhr so viele Kleine an wie nie zuvor bei einer Landtagwahl. Chancen auf einen Einzug ins Parlament haben Sie aber wohl nicht.

 (DR)

Zwischen drei und sechs Prozent bewegt sich der prognostizierte Stimmenanteil der "Sonstigen" neben den bisher im Landtag vertretenen Parteien CDU, SPD, Grüne und FDP sowie der Linken, die erstmals in den Landtag gewählt werden könnte. Insgesamt stehen 25 Parteien mit Landesliste zur Wahl - zehn mehr als bei der letzten Landtagswahl vor fünf Jahren. Weitere Gruppierungen treten hier und da mit Direktkandidaten an.

Zu den exotischen Parteien gehören "Die Violetten", die mit spirituellen Erfahrungen und Bewusstseinsentwicklung eine harmonischere Gesellschaft erreichen wollen. Handfeste Interessen vertritt dagegen die "Piratenpartei Deutschland" mit ihren Forderungen nach mehr Datenschutz und freiem Kopieren von Musik, Videos und Software. Eine Persiflage etablierter Parteien betreibt die "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative" (Die PARTEI), die mit der Satirezeitschrift "Titanic" im Zusammenhang steht.

Fundamental christliche Positionen vertritt die "Partei Bibeltreuer Christen" (PBC), die alle politischen Forderungen mit Bibelzitaten begründet. Sie sieht Ehe und Familie als Keimzelle des Staates und lehnt Scheidung, Abtreibung und Gentechnik ab. Der Beruf "Mutter" soll nach ihrer Vorstellung durch ein Erziehungsgehalt anerkannt werden. Das fordert auch die 2008 gegründete "Partei für Arbeit, Umwelt und Familie, Christen für Deutschland" (AUF), die sich zudem für ein Kombilohnmodell stark macht. Umweltschutz, Nachhaltigkeit und der Schutz von Ehe und Familie zählen zu den Grundsätzen der 2008 gegründeten Partei.

"Deutsche Zentrumspartei" seit 1871
Als wertkonservativ, christlich und sozial versteht sich die 1871 gegründete "Deutsche Zentrumspartei", die im früheren Kaiserreich und in der Weimarer Republik eine wichtige Rolle spielte, aber heute praktisch bedeutungslos ist. In der aktuellen Missbrauchsdebatte beklagte sie eine pauschale Verurteilung katholischer Einrichtungen. In die Weimarer Republik reichen auch die Wurzeln der "Deutschen Demokratischen Partei" (ddp) zurück. Sie fordert ein Wirtschaftssystem zwischen Sozialismus und Kapitalismus, um Arbeitslosigkeit und Ungerechtigkeit zu überwinden.

Rückwärtsgewandt ist der vom Verfassungsschutz beobachtete "Bund für Gesamtdeutschland" (BGD) mit landesweit gerade mal 25 Mitgliedern, der Deutschland wieder auf die früheren Reichsgrenzen ausdehnen will. Außerdem treten im Rechtsaußen-Spektrum die rechtsextreme NPD, "Die Republikaner" (REP) und die rechtspopulistische "Bürgerbewegung pro Nordrhein-Westfalen" (pro NRW) an. Sie hat mit fremdenfeindlichen und anti-islamischen Parolen sowie Kampagnen gegen den Bau von Moscheen breite Gegenproteste von Kirchen, Gewerkschaften und gesellschaftlichen Gruppen ausgelöst.

"Ökologisch-Demokratische Partei"
Die Formel "Name gleich Programm" gilt etwa für die Tierschutzpartei, die "Rentner-Partei Deutschland" und die "Familien-Partei Deutschlands", die kostenfreies Lernen für alle und ein Erziehungsgehalt für Eltern fordert. Mehr Leistungen für Familien hat sich auch die konservative Umweltpartei "Ökologisch-Demokratische Partei" (ödp) auf die Fahnen geschrieben, die zudem für einen Ausstieg aus der Atomkraft und aus der Gentechnik eintritt. Das in diesem Jahr überwiegend von Muslimen gegründete "Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit" (BIG) verlangt Chancengleichheit in einer multikulturellen Gesellschaft.

Mehr direkte Demokratie ist das Anliegen des "Bündnisses für Deutschland, für Demokratie und Volksabstimmung" sowie der "Freien Union" der Ex-CSU-Politikerin Gabriele Pauli. Auf dem 60 bis 65 cm langen Stimmzettel stehen zudem die globalisierungskritische "Bürgerrechtsbewegung Solidarität" (BüSO) und die "Freie-Bürger-Initiative / Freie Wähler", ein Zusammenschluss lokaler Gruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten.