Behindertensportvereine fordern Hilfe in Energiekrise

"Ein Riesendesaster"

Energiesparen heißt es auch für Sportvereine. Doch für Menschen mit Behinderung bedeuten niedrigere Temperaturen in Schwimm- und Sporthallen schon das Aus für ihren Sport. Ein Desaster, nennt das der Deutsche Behindertensportverband.

Physiotherapeutische Behandlung in einem Schwimmbad / © Tatjana Kabanova (shutterstock)
Physiotherapeutische Behandlung in einem Schwimmbad / © Tatjana Kabanova ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wieso ist die Situation für den Deutschen Behindertensportverband (DBS) gerade so angespannt?

Stefan Kiefer (Generalsekretär des DBS): Generell trifft die Energiekrise den gesamten Sport. Mit dem Blick auf den Sport für Menschen mit Behinderung ist das aber eine Potenzierung. Wir sprechen immer davon, wir kommen von einer Krise in die nächste. Aber eigentlich ist es ja gar nicht so. Wir sind noch mitten in der Corona-Pandemie und jetzt kommt schon die nächste Krise noch mal on top.

Der Behindertensport hat etwa 100.000 Mitglieder durch die Coronavirus-Pandemie verloren. Das heißt, uns fehlen finanzielle Ressourcen, um mit dieser Energiekrise zurechtzukommen. Es ist ja nicht so, als würden in den Vereinen, in den Landesverbänden oder Fachverbänden die Vereinskassen überquellen, sodass man mit diesen Problemen, die jetzt auf uns zukommen, leicht umgehen kann. Dem ist natürlich überhaupt nicht so.

DOMRADIO.DE: Vor welchen Problemen steht denn so ein Sportverband? Welche Auswirkungen haben die steigenden Energiepreise? Man denkt an Schwimmbäder, die nicht mehr beheizt werden. Aber da gibt es sicherlich mehrere Baustellen.

Ein alter Basketball auf einem Sportplatz / © NWStock (shutterstock)
Ein alter Basketball auf einem Sportplatz / © NWStock ( shutterstock )

Kiefer: Da gibt es in der Tat sehr viele Baustellen. Sie sprechen die Schwimmbäder an, aber auch die Turnhallen und insgesamt die Sportstätten, die jetzt gegebenenfalls wieder geschlossen werden.

Es ist beim Behindertensport so, dass gerade im Rehabilitationsport das Schwimmen eine existenzielle Rolle spielt. Das fängt schon mit den ersten Schritten an. Wenn die Wassertemperaturen aufgrund der höheren Energiepreise herabgesenkt werden, kann das Reha-Schwimmen schon nicht mehr stattfinden.

Wir sprechen noch gar nicht davon, dass das Schwimmbad ganz geschlossen wird und auch der Jugendsport nicht mehr stattfinden kann. Das heißt, es fängt im Behindertensport sehr viel früher an. Das ist existenziell für uns, für unsere Landesverbände und für unsere über 6.000 Vereine in der Bundesrepublik. Wir müssen den Sport in den Sportstätten anbieten können.

Kleines Beispiel am Rande: Wir haben in in der Rollstuhl-Basketball-Bundesliga Spiele ausfallen lassen, weil Sportstätten wegen Kostenersparnis in den Herbstferien geschlossen wurden. Das ist natürlich ein Zustand, der nicht tragbar ist.

DOMRADIO.DE: Sie haben sich schon im Sommer dafür stark gemacht, dass die Sportangebote auch für Menschen mit Behinderung dringend aufrecht erhalten werden müssen. Wieso ist das für diese Menschen so wichtig?

Kiefer: Das sind eher Personengruppen, die, anders als im olympischen Sport, nicht regelmäßig zusammenkommen. Für viele ist dieses Sporttreiben in der Woche oder am Tag der einzige Moment, um mit anderen Personen zusammenzukommen.

Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, es sind teilweise Menschen mit schlechterem Immunsystem, mit erhöhter Infektanfälligkeit. Wenn dann in den Sporthallen die Temperaturen und die Wassertemperatur in den Duschen gesenkt werden, dann ist die Gefahr eines Infekts oder einer Infektion natürlich viel höher.

Deswegen kämpfen wir sehr lautstark dafür, dass diese Maßnahmen so nicht durchgeführt werden und wir weiterhin den Reha-Sport, aber auch den Breitensport, den Sport für Kinder und Jugendliche im Bereich der Menschen mit Behinderung weiter durchführen können.

DOMRADIO.DE: Die Regierung macht Werbung fürs Energiesparen und auch im Alltag bekommen wir die Maßnahmen zu spüren. Was fordern Sie als Generalsekretär des DBS von der Politik, damit nicht die gleichen Fehler wie in der Pandemie gemacht werden?

Kiefer: Es sind vielfältige Forderungen. Natürlich fordern wir finanzielle Unterstützung der Vereine und Verbände. Häufig sind es eben auch die Kommunen, die die Sportstätten betreiben, die wir als Behindertensportvereine dann auch nutzen. Wir fordern ganz deutlich, dass die finanzielle Unterstützung sichergestellt wird, dass diese Sportstätten nicht geschlossen werden.

Es ist auch eine Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts, den der Sport bietet und leistet. In Mainz sind die Menschen aus einem kleinen Verein, der einfach mit den finanziellen Mitteln nicht mehr zurechtkommt, mit anderen gesellschaftlichen Akteuren auf die Straße gegangen und haben eine Menschenkette gebildet, um auf diese Missstände hinzuweisen.

Der Sport - das ist auch ein Aspekt gerade im Kinder und Jugendbereich - vermittelt Werte. Wenn wir auf diese Wertevermittlung in Gänze verzichten müssen, nur weil nicht ausreichend geheizt werden kann, dann ist das für den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt ein Riesendesaster. Das muss man so deutlich benennen. Deswegen sind die Forderungen an die Politik auch sehr laut.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Quelle:
DR