Bayerische Laienkatholiken machen sich für Alois Glück stark - Interview mit dem Vorsitzenden Albert Schmid

"Rechtzeitig miteinander reden"

Der Präsident des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration führt eine große Behörde. Neben seinem Hauptberuf hat Albert Schmid (63) vor gut 100 Tagen den Vorsitz beim Landeskomitee der Katholiken in Bayern übernommen. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zog Schmid am Dienstag in München eine erste Zwischenbilanz. Dabei ging es auch um aktuelle Turbulenzen im deutschen Katholizismus.

 (DR)

KNA: Herr Schmid, macht Ihr Ehrenamt noch Spaß?
Schmid: Ich habe viel Freude an der Aufgabe, vor allem weil ich spüre, dass wir eine große Grundübereinstimmung im Katholischen haben, wie ich es aus der Politik nicht so selbstverständlich gewohnt bin. Und es ist mehr Arbeit als zunächst vermutet.

KNA: Geknirscht hat es unlängst auf Bundesebene. Der einzige Kandidat für das Präsidentenamt beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hatte schon vor seiner Nominierung nicht genug Rückhalt unter den Bischöfen. Es kam zum Eklat. Dagegen scheint Ihre Situation vergleichsweise komfortabel.

Schmid: Ich habe keinen Anlass zur Beschwerde, im Gegenteil, von den bayerischen Bischöfen fühle ich mich voll akzeptiert. Wir sind in einem sehr guten Kontakt. Zur Bundesebene fällt mir zweierlei ein: Über solche Dinge muss man rechtzeitig miteinander reden. Ein diplomatisches Meisterstück war das jedenfalls nicht. Vielleicht hat sich der Stil des Zentralkomitees in den letzten Jahrzehnten mehr der Politik angepasst als es kirchentypisch ist. Insofern gibt es durchaus Unterschiede in der Organisationskultur zwischen uns in Bayern und dem ZdK.

KNA: Welche?
Schmid: Wir sind konsensorientierter. Ich denke aber, eine engere Zusammenarbeit würde beiden Gremien guttun. Uns, weil wir unseren Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung nicht landespolitisch oder provinziell verengen lassen dürfen. Dem Zentralkomitee, dessen Formation eher nordwestdeutsch geprägt ist, bekäme die religiös-kulturelle Erfahrung gut, wie wir sie in Bayern haben.

KNA: Können Sie bei der Lösung der Probleme helfen?
Schmid (lacht): Ich muss erst einmal schauen, dass ich mich in Bayern zurechtfinde. Aber es sind schon einige Akteure in Fühlungnahme, die auch von Bayern aus Hilfestellung leisten könnten.

KNA: Käme ein Bayer aus Ihrer Sicht für das Amt in Frage?
Schmid: Wer jetzt Namen nennt, riskiert, dass diese ganz schnell öffentlich verbrannt sind. Dennoch kann man vor der anstehenden Entscheidung nicht den Kopf in den Sand stecken. Es gibt sicher Persönlichkeiten in Bayern wie Alois Glück und andere, die bundesweit angesehen sind und deren Katholizität außer Frage steht.

KNA: Aber ein Unionsparteibuch ist nicht verpflichtend - oder?
Schmid (lacht, weil er selbst Sozialdemokrat ist): Ich hoffe nicht. Die Frage der Parteizugehörigkeit wird mit dem Bedeutungsverlust der Parteien selbst unwichtiger. Es gibt eine Sehnsucht nach Persönlichkeiten, deren Grundorientierung nachvollziehbar ist, die aber innerlich so frei sind, dass sie sich selber zur Disposition stellen und sich nicht von Parteibeschlüssen abhängig machen. Nur dann sind sie auch frei, in katholischen Laiengremien ihren Teil beizutragen.

KNA: Wie ist Ihre Haltung zum Dauerreizthema Donum Vitae?
Schmid: Wir haben in Bayern keinen aktuellen Anlass für Streit in dieser Frage. Ich habe mich nicht dort engagiert, obwohl ich frühzeitig gefragt wurde. Ich habe aber Respekt vor den Motiven all derer, die dort tätig sind, und ziehe deren Katholizität nicht in Zweifel. Wir alle müssen noch viel mehr tun für den Schutz des ungeborenen Lebens. Entscheidend ist, dass, wer sich bei Donum Vitae an verantwortlicher Stelle engagiert, keine führende Funktion in einem katholischen Laiengremium einnimmt. An diese Beschlusslage der Deutschen Bischofskonferenz halten wir uns. Ansonsten bin ich sehr dafür, Personalfragen nicht auf eine Dimension zu reduzieren, sondern alle Facetten einzubeziehen und zu gewichten.

KNA: Haben Sie schon die neue Sozialenzyklika gelesen?
Schmid: Ich lese Ratzinger seit Jahrzehnten. Bei der Enzyklika habe ich den Eindruck, dass nicht alles von ihm ist. Aber der Kern des Lehrschreibens spricht mich an: Es gibt eine gesellschaftliche Wahrheit aus christlicher Sicht. Das bedeutet eine Absage an eine rein ökonomisch-materialistische Betrachtung. Diese Botschaft ist großartig und sollte in den Mittelpunkt gerückt werden, anstatt kleinkariert an Passagen herumzunörgeln. Ich fände es schade, wenn Benedikt XVI. mit diesem Text nicht das Gehör erfahren würde, das er verdient.

KNA: Ein anderes Dokument, das Sie sehr beschäftigt, ist das Karlsruher Urteil zum Lissabon-Vertrag. Wieso?
Schmid: Im innenpolitischen Streit sind wesentliche Inhalte des Urteils übersehen worden: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die nationale Zuständigkeit für Bildung, Kultur, Religion und, etwas zurückgenommen, auch für Familie unangetastet bleiben soll. Daraus erwächst eine Verpflichtung, die wir mit Leben füllen müssen. Was etwa heißt es konkret, dass die christliche Gemeinschaftsschule in der Bayerischen Verfassung steht? Das Christliche ist nicht nur Gegenstand des Religionsunterrichts, sondern gehört zum Bildungsauftrag insgesamt. Auch in der Familienpolitik können wir unser Profil verdeutlichen, ohne dass wir uns einem nivellierenden, laizistischen Familienbild, wie es in Europa um sich greift, unterwerfen müssen.