Basilika in Rom eingestürzt – Staatsanwaltschaft ermittelt

Im Schlaf überrascht

Während der Pfarrer Mittagsschlaf hielt, brach das Dach der Barockkirche ein. Niemand wurde verletzt. Danach begann eine Debatte um Bausicherheit an römischen Touristenorten. Und die Staatsanwaltschaft in Rom ermittelt.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Feuerwehrleute untersuchen das eingestürzte Dach der Kirche San Giuseppe dei Falegnami / © Alessandra Tarantino (dpa)
Feuerwehrleute untersuchen das eingestürzte Dach der Kirche San Giuseppe dei Falegnami / © Alessandra Tarantino ( dpa )

Nach dem Einsturz der römischen Basilika San Giuseppe im Herzen Roms ist die Ursache weiter unklar. Es sei zu früh, sich auf eine Hypothese zu versteifen, sagte ein Sprecher der Feuerwehr laut dem italienischen Sender Sky tg24 (Freitag). Unterdessen nahm die römische Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen möglicher Versäumnisse bei der Instandhaltung auf.

Laut Medienberichten waren Dach und Fassade der Kirche San Giuseppe dei Falegnami erst 2015 im Auftrag des Bistums restauriert worden. Die Bergung der Kunstwerke aus der 1663 vollendeten Barockkirche sollte laut der Feuerwehr im Lauf des Freitag abgeschlossen werden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich weitere Teile aus der fast völlig eingebrochenen Decke lösten, so der Sprecher. Weil am Wochenende Regen erwartet werde, müsse das ganze Gebäude abgedeckt werden.

"Plötzlich und völlig unvorhersehbar"

Der unter der Kirche gelegene antike Mamertinische Kerker ist offenbar unbeschädigt. Der zuständige Leiter der römischen Antikenbehörde, Francesco Prosperetti, sagte der Website "Laziochannel.it", die darüberliegende Kreuzigungskapelle habe als Puffer gewirkt. Der sogenannte Carcer Mamertinus diente vor mehr als 2.000 Jahren als Staatsgefängnis. Unter anderem der gallische Rebell Vercingetorix und der jüdische Freiheitskämpfer Simon bar Giora waren dort inhaftiert.

In einer schriftlichen Erklärung des Bistums am Freitag hieß es, der Einsturz sei "plötzlich und völlig unvorhersehbar, ohne jegliches Vorzeichen", erfolgt. Das alte Rom leidet notorisch unter bröckelnder Bausubstanz – aber so massiv kam es selten: Das Gewölbe der Basilika brach unversehens ein. "Ein Schlag wie bei einem Erdbeben", sagt Don Daniele Libanori, beim Mittagsschlaf vom Unglück nebenan überrascht.

Menschen kamen nicht zu Schaden; weil die Kirche geschlossen war. Dabei ist die kleine barocke Gotteshaus, von dessen Terrasse sich ein malerischer Blick über das antike Forum Romanum bietet, für Hochzeiten beliebt – die nächste war für Samstag geplant. Erste Aufnahmen aus dem Inneren des weiträumig abgesperrten Gebäudes zeigen Schutt und Deckenbalken in einem wüsten Durcheinander. Darüber öffnet sich der blaue römische Spätsommerhimmel. Mithilfe einer Drehleiter versuchte die Feuerwehr, einen Eindruck von der Situation auf dem Dach zu machen. Auch eine Suchhundestaffel war vor Ort.

Beachtlicher Innenraum

Das 1663 vollendete einschiffige Gotteshaus an sich gilt nicht als kunsthistorisches Erbe ersten Ranges. 1540 hatte die "Bruderschaft der Schreiner", eine berufsständische fromme Vereinigung, hervorgegangen aus einem Schisma mit der Maurer-Fraternität, den Komplex erworben und eine erste Kirche aus Holz errichtet. 1597 begann der Bau der heutigen Basilika. Manche wollen Giacomo della Porta (um 1532-1602), den Wegbereiter des römischen Barock, als Architekten sehen; doch sicher ist das nicht.

An der Innendekoration beteiligten sich Künstler wie Giuseppe Puglia (1600-1636), der unter anderem auch ein Altarstück in Santa Maria Maggiore hinterließ, und vor allem Antonio Viviani (1560-1620). Beachtlich aber auch die Heiligenfresken des Neoklassizisten Cesare Maccari (1840-1919); ein Freimaurer, aber Don Libanori mochte ihn. Als Schmuckstück der Kirche galt die vergoldete Holzdecke, der Stolz der Schreinerzunft. Sie ist dahin. Der bedeutendste Teil des Komplexes liegt etwas neben und unter der Kirche: der sogenannte Mamertinische Kerker, ein antikes Gefängnis.

Etliche prominente Insassen sind verbürgt: der gallische Rebell Vercingetorix, Simon bar Giora, der Jerusalem erfolglos gegen Titus verteidigte, der Numiderkönig Jugurtha. Ihre Namen stehen für eine äußerste Bedrohung römischer Macht. Hier wurden sie vor ihrer Hinrichtung festgehalten. Wohl auch deshalb war für Christen klar, dass der Apostel Petrus nur an diesem Ort inhaftiert gewesen sein konnte.

"Rom ist voller alter Gebäude"

Genau vor einem Jahr brach in der römischen Basilika Sant'Andrea della Valle ein größeres Fragment von spielenden Putten aus dem Gewölbefresko über der Barberini-Kapelle herunter. Dergleichen kommt nicht selten vor in Rom. Zu möglichen Ursachen zählen die permanenten Erschütterungen durch den Verkehr, auch Feuchtigkeit, Materialermüdung aufgrund der Luftverschmutzung – und mangelnde Wartung.

Aber ein kompletter Dacheinsturz ist eine andere Sache als ein Stückchen Putz, sagt Luca Del Fra, Sprecher der Archäologiebehörde. Natürlich sei "nicht auszuschließen", dass ähnliches auch andernorts passiert. "Rom ist voller alter Gebäude." Das Dach von San Giuseppe war Berichten zufolge erst 2015 restauriert worden. Der Besitz christlicher Stätten und die Aufsicht darüber sind in Rom kleinteilig zwischen Bistum und öffentlichen Stellen geregelt. Für Kontrollen in der Basilika am Forum war laut Del Fra möglicherweise die Kirche mitzuständig. Im Vikariat Rom war am Donnerstag niemand für eine Auskunft zu erreichen.

Kardinal Francesco Coccopalmerio (80), emeritierter Leiter des päpstlichen Rates für Gesetzestexte, hat nun keine intakte Titelkirche mehr. Don Libanori darf aus Sicherheitsgründen vorerst nicht in seine Pfarrerswohnung zurück. Und Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi nebenan auf dem Kapitol hat ein weiteres Beispiel vor Augen, wie marode es um ihre Stadt steht.


Mitten im historischen Zentrum von Rom ist das Dach der Kirche zum großen Teil eingestürzt / © Alessandra Tarantino (dpa)
Mitten im historischen Zentrum von Rom ist das Dach der Kirche zum großen Teil eingestürzt / © Alessandra Tarantino ( dpa )
Quelle:
KNA