Australien vor seiner ersten Heiligsprechung

Süße Torte und Subventionen für eine aufmüpfige Heilige

Ausverkauft. Die Premiere des Musicals über das Leben der Ordensfrau Mary MacKillop im «Seymour Centre» in Sydney Anfang Oktober war ein voller Erfolg. Überhaupt ist ganz Australien begeistert, dass an diesem Sonntag mit der Gründerin des Ordens der Josefsschwestern erstmals eine Australierin in die Schar der Heiligen aufgenommen wird.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Gefeiert wird der historische Moment mit Gottesdiensten und Empfängen, Andachten und Partys, Sonderbriefmarken und Gedenkmünzen. Dabei darf auch ein guter Tropfen nicht fehlen: Zum Anstoßen auf die Heiligsprechung durch Papst Benedikt XVI. hat die Weinregion Coonawarra aus MacKillops Heimat Südaustralien 1.200 Flaschen Wein nach Rom geschickt.



Schelme mögen den Winzern schnödes Marketing unterstellen. Die Heiligsprechung ist in mehrerlei Hinsicht ein Millionengeschäft.  Reiseveranstalter profitieren davon; sie haben bereits einigen tausend Australiern Tickets zum Live-Event in Rom verkauft. Die Südaustralier machen keinen Hehl daraus, dass sie sich von den MacKillop-Pilgern ein Tourismuswunder erhoffen.



Auch der Orden der Josefsschwestern profitiert von der Geschäftigkeit. Sowohl die atheistische Premierministerin Julia Gillard als auch Tony Abbott, katholischer Spitzenkandidat der Opposition, hatten im Wahlkampf MacKillop als "Wahlhelferin" bemüht und das offenbar mit Finanzzusagen für den Orden honoriert. Ein Teil der Subventionen wird für die Organisation der Feiern in Sydney, wo MacKillop begraben liegt, verwendet. Aber es bleibt auch Einiges übrig für die Projekte des Ordens.



Subventionen mit gewisser Ironie

Zum Beispiel für das umfangreiche Engagement der "Mary-MacKillop-Osttimor-Mission". Die Konstellation entbehrt nicht einer gewissen Ironie - sind sich doch die Josefsschwestern beim Thema Osttimor mit der Regierung seit Jahren uneins. Ein Stein des Anstoßes ist die Ausbeutung der reichen Ölvorkommen in der Osttimorsee. Davon hatte Australien zunächst den Löwenanteil für sich beansprucht. Nicht zuletzt dank der energischen Lobbyarbeit der Osttimor-Mission wurde vor einigen Jahren ein Abkommen erreicht, das dem bitterarmen Land einen beträchtlichen Teil der Öl- und Gasmilliarden garantiert.



Nun stellt sich die Frage, wo die Infrastruktur für die Ölverarbeitung gebaut, wo Arbeitsplätze entstehen sollen. Schwester Susan Connelly, Sprecherin der Osttimor-Mission, verurteilt Australiens große Ölfirmen. Sie übten großen Druck aus, so dass Australien alleiniger Nutznießer dieser Investitionen werde. "Das ist so traurig. Wir könnten, wir sollten mehr für diese Menschen tun."



Die Josefsschwestern sind auch gegen die Absicht der Premierministerin, auf Osttimor ein Hochsicherheitslager für Bootsflüchtlinge zu bauen, die in Australien um politisches Asyl bitten. Osttimor sei eine der ärmsten Nationen der Welt und habe noch immer große Mühe, die eigene Infrastruktur aufzubauen, sagt Schwester Connelly. Die Absicht Australiens, dort seine politischen Probleme abzuladen, sei "mehr als fragwürdig".



Mit den Mächtigen anlegen

Sich mit den Mächtigen anzulegen, gehört bei den Josefsschwestern zur Tradition. Bereits 1870 machten sie sich unbeliebt, als sie einen katholischen Priester in Südaustralien wegen sexuellen Kindesmissbrauchs anzeigten. Schwester Marie Foale sagte dem australischen TV- und Radiosender ABC: "Mary und die Schwestern stellten für die Bischöfe eine große Bedrohung dar - sie waren unabhängige Geister." Die Bischöfe hätten nicht so recht gewusst, wie sie mit ihnen umgehen sollten. Je nach Sichtweise führten Intrigen des Klerus oder "eine Verkettung von Umständen" gar zur zeitweiligen Exkommunikation MacKillops.



Nun aber wird sie die erste australische Heilige. Als Namenspatronin des "Gateaux Saint Mary MacKillop", eines südaustralischen Gebäckherstellers, muss sie sich jedoch in der Welt der himmlischen Süßspeisen mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Das erste einer Person gewidmete australische Dessert ist die "Pawlowa", eine in den 1920er Jahren in einem Hotel in Perth zu Ehren der russischen Balletttänzerin Anna Pawlowa kreierte Baisertorte.