Augsburger Mitglied des Deutschen Ethikrates bezieht Position zum Thema "Selbsttötung"

"Kommerzielle Sterbehilfe widerspricht dem Grundgesetz"

Am Donnerstag diskutiert der Deutsche Ethikrat in Berlin während seiner Plenarsitzung "Ethische Positionen zur Selbsttötung". Kathi Marie Ulrich von der Bischöflichen Pressestelle Augsburg (IBA) befragte dazu den Augsburger Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger in seiner Eigenschaft als Mitglied des Deutschen Ethikrates.

 (DR)

IBA: Herr Weihbischof, auf der Tagesordnung der Plenarsitzung des Deutschen Ethikrates am morgigen Donnerstag stehen „Ethische Positionen zur Selbsttötung", um Positionen zu welchen Aspekten der Selbsttötung wird es dabei gehen?

Weihbischof Losinger: „Es geht dabei um die Frage: Wie groß ist die Freiheit eines jeden Menschen, seinem Leben ein Ende zu bereiten aus Angst vor unerträglichem Schmerz und Siechtum? und darum, welchen Schutz die Gesellschaft einem Menschen am Ende seines Lebens vor dem organisierten Angebot einer Hilfe zur Selbsttötung bieten muss.

IBA: Welche Positionen vertreten Sie als Mitglied des Deutschen Ethikrates und als katholischer Weihbischof zu diesem Themenkreis?

Weihbischof Losinger: „Die Angst eines Menschen vor Schmerzen oder die Tatsache, dass alle Therapiemethoden seiner schweren Erkrankung ausgeschöpft sind, ändern nichts am Recht dieses Menschen auf Leben. Um einem Menschen also ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen, müssen seine Schmerzen durch Palliativmedizin erträglich gemacht werden. Positiv ist auch das sich ausweitende Angebot der Sterbebegleitung in Hospizen.

Wird ein Mensch am Ende seines Lebens aber von seinem Umfeld aktiv zu seiner Selbsttötung gedrängt, ist dies ethisch inakzeptabel und vergleichbar mit der Einstellung des Dritten Reichs, in der schwache Glieder der Gesellschaft wie Behinderte als „Unwertes Leben" betrachtet und infolge dessen getötet wurden.Ich bin daher gegen die Tötung auf Verlangen und gegen den ärztlich assistierten Suizid, da ein Arzt ein Heiler ist und kein Vollstrecker. Außerdem halte ich jede Form von kommerzieller Sterbehilfe für verfassungswidrig, da sie dem grundgesetzlich garantierten Recht auf Würde eines jeden Menschen widerspricht. Daher muss die kommerzielle Sterbehilfe unter Strafe gestellt werden. Ein Geschäft mit dem Tod darf es nicht geben.

IBA: Wo sehen Sie Kontroversen oder Spannungsfelder in ethischer Hinsicht bei dem Thema „Selbsttötung"?

Weihbischof Losinger: „ Zu lösende Probleme sind, dass es zum einen Stimmen in unserem Land gibt, für die absolute Freiheit der Entscheidung des Menschen über das Ende seines Lebens. Des Weiteren muss die Frage aufgeworfen werden, ob es sein kann, dass der assistierte Suizid, das heißt, die Beihilfe zur Selbsttötung, in unserem Land weiterhin nicht strafbar ist. Daran schließt sich die rechtliche Bewertung von kommerziellen Sterbehilfeorganisationen an.

IBA: Werden Sie in der morgigen Sitzung auf eine Stellungnahme des Ethikrates zum Thema „Selbsttötung" plädieren und wenn ja, welchen Inhalts?

Weihbischof Losinger: „ Die morgigen Sitzung dient der Erfassung des Meinungsstandes und der Rechtslage in Deutschland zum Thema „Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende" wie bereits der Titel eines Gutachtens des Nationalen Ethikrates aus dem Jahr 2006 zur Problematik der Selbsttötung lautete. Die damalige Auseinandersetzung zu diesem Thema hat bereits zu einem Sondervotum geführt, an dem ich mich begleitet habe. Sollte also die bevorstehende Abstimmung im Bundestag zum Thema „Patientenverfügung" eine grenzenlos autonome, das heißt freie Entscheidung des Menschen über sein Ableben ergeben, werde ich im Deutschen Ethikrat eine gemeinsame Stellungnahme gegen eine solche grenzenlose Selbstbestimmung am Lebensende anregen.