Aufarbeitungs-Experte fordert Betroffene nicht zu vergessen

"Ehrlich zu uns und gegenüber anderen"

Eine stärkere Beachtung des Leides der Betroffenen fordert Thomas Zippert, Koordinator zum Thema sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Alles andere wäre Verrat am Auftrag der Kirche, sagt Zippert.

Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Good Pic (shutterstock)
Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Good Pic ( shutterstock )

"In der Kirche Jesu Christi muss, darf und kann um Gottes Willen erwartet werden, dass sie die Betroffenen nicht vergisst und sich stattdessen nur um die Täter oder das eigene Image kümmert", sagte Zippert am Samstag in seinem Bericht bei der Frühjahrstagung der EKKW-Synode in Hofgeismar.

Falls dies nicht geschehe, handele es sich um systemisches Versagen, täterschützende Strukturen und Verrat am Auftrag der Kirche, so Zippert. Der Pfarrer, evangelische Theologe und Diakoniewissenschaftler ist seit Februar 2019 landeskirchlicher Koordinator zum Thema sexualisierte Gewalt.

Sehen, hören, reagieren

Ziel der Aufarbeitung von Fällen des Missbrauchs in Kirchengemeinden müsse sein, dass Betroffene sagen könnten: "Hier komme auch ich persönlich vor, werde gesehen, gehört und man reagiert angemessen auf das, was mir angetan wurde." Zippert sagt: "Es muss Schluss sein mit der Devise, man müsse mit diesem Thema und den davon betroffenen Mitmenschen 'verschwiegen und diskret' umgehen, wie ich es einige Male gehört habe." Gegen solche Widerstände anzuarbeiten, habe ihn müde gemacht.

Er habe in Abgründe geblickt, und er habe die Vorwürfe von Betroffenen gegen "die Kirche" stellvertretend aushalten müssen. "Und hin und wieder schenkten mir Betroffene viel Kraft, wenn sie etwas von ihrer Überlebenskraft und -kunst, auch ihrer Weisheit abgaben."

Klar und in Demut

Die Kirche müsse lernen, sensibler für Traumata von Betroffenen zu werden. "Und wir müssen klar und deutlich über das sprechen, was in unserem Verantwortungsbereich geschah und geschieht." Dies müsse "demütig" vor den Betroffenen geschehen, die oft lebenslange Nöte und Schmerzen hätten, sagte Zippert. "Wir bleiben nur Kirche, wenn wir so ehrlich zu uns und gegenüber anderen sind - und Kontakt halten zu Betroffenen, jedenfalls zu denen, die noch mit uns reden wollen."

Die EKKW hat rund 730.000 Mitglieder und ist damit eine kleinere der 20 Landeskirchen innerhalb der EKD. Ihr Gebiet umfasst vor allem Nord- und Osthessen, berührt aber mit der Region Hanau auch den Frankfurter Ballungsraum.

Quelle:
KNA