Initiative begrüßt Entwidmungs-Stopp in Keyenberg

"Auf Messers Schneide"

Wird die Kirche in Erkelenz-Keyenberg wie schon der Dom von Immerath den Braunkohle-Baggern zum Opfer fallen? Hoffnung bringt ein Beschluss des Bistums Aachen, der die Entwidmung des Gotteshauses vorerst gestoppt hat. 

Kirche im Ort Keyenberg bei Erkelenz / © Oliver Berg (dpa)
Kirche im Ort Keyenberg bei Erkelenz / © Oliver Berg ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche in Erkelenz-Keyenberg wird nach einer Entscheidung des Aachener Priesterrates und von Bischof Dieser nun wider Erwarten vorerst nicht entweiht. Sie als Initiative "Kirche(n) im Dorf lassen" haben sich dafür eingesetzt. Überrascht Sie dieser Schritt?

Dr. Anselm Meyer-Antz (Initiative "Kirche(n) im Dorf lassen") Das überrascht eigentlich nicht. Diese erste Nachricht, die Kirche sehr früh zu entwidmen, die von der Pfarrei in Erkelenz ausging, war eigentlich die Überraschung. Zwar nicht so eine große Überraschung, weil die Pfarrei in Erkelenz in den letzten Jahren etwas mehr die Flucht nach vorne angetreten hat.

Nun haben Priesterrat und Bischof der Diözese Aachen hier Ruhe reingebracht und gesagt, dass nicht ohne Not entwidmet wird, solange noch Menschen im Dorf leben, solange da noch der Gottesdienst gefeiert werden kann. Damit kehrt das Bistum in Aachen eigentlich zu seiner alten Praxis zurück. Das ist eine großartige Stärkung für die Menschen, die in den Dörfern leben und die dort noch für ihre Familien und ihre Häuser kämpfen.

DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung hat denn die Kirche in Keyenberg?

Meyer-Antz: Das ist eine ländliche Region auf den Niederrhein hin. Das Keyenberger-Land ist ein traditionelles katholisches Siedlungsgebiet. Und wenn Sie die Kirche im letzten Sommer besucht haben, als Menschen aus Keyenberg durch die Kirche geführt haben, die Bedeutung dieser Kirche gesehen haben, oder wenn Sie mit Menschen reden, die unsere Unterschriftenaktionen unterschreiben, dann wird deutlich, dass die Kirche eine hohe Bedeutung hat.

Dazu tritt dann noch eine große kulturhistorische Bedeutung. Nicht dieser im vorletzten Jahrhundert gebauten Kirche, sondern dieses alten Kirchplatzes. Dieser erste Kirchenbau zum Heiligen Kreuz soll schon einer Tante oder Großcousine von Karl dem Großen, die auch in Köln erinnert und verehrt wird, begründet worden sein und soll entsprechend gestiftet worden sein. Da würde in der Kohlegruben ganz viel wichtige, ganz alte, auch christliche Geschichte begraben, wenn es da zum Abriss der Kirche käme. Aber als das Bistum entschieden hat, jetzt nicht zu entwidmen, war die Freude in Keyenberg groß.

DOMRADIO.DE: Also die Entwidmung ist gestoppt, der Prozess dadurch natürlich nicht, weil der Kaufvertrag mit RWE unterschrieben ist. Wäre das denn technisch möglich, die Kirche zurückzukaufen?

Meyer-Antz: Ich glaube, dass Priesterrat und Bischof in Aachen darüber gut und gründlich nachgedacht haben. Für uns von "Kirche(n) im Dorf lassen" ist eigentlich keine andere Widmung als eine religiöse möglich. Wenn die Dörfer erhalten bleiben, worauf wir im Moment alle hoffen, wenn der Bagger nicht weiter in Richtung Keyenberg vordringt, dann wird das wieder ein Platz der Seelsorge, ein Platz der Liturgie werden.

Was es da in der Zukunft für Konstruktionen geben wird, das kann man dann überlegen, wenn es in diese Richtung geht. Das ist auf jeden Fall kein einfaches Problem für die Pfarrei in Erkelenz und auch nicht für die Diözese in Aachen. Ich treffe immer wieder Menschen, die bereit sind, für den Rückkauf dieser Kirche, für die Erhaltung dieser Kirche als Gottesdienstort zu spenden.

DOMRADIO.DE: Was sagt dieser Schritt, die Entwidmung zu stoppen, denn über das Bistum aus?

Meyer-Antz: Wir sind Priesterrat und Bischof dankbar dafür. Und so ist es auch bei vielen Menschen in Keyenberg. Ich selber bin nicht aus Keyenberg, kenne dort aber Menschen, die bis dahin sehr enttäuscht waren und sich verlassen fühlten. Da kehrt der Bischof von Aachen zu einer alten Praxis der Diözese zurück, bei welcher Kirchen erst dann entwidmet wurden, wenn es wirklich gar nicht mehr anders ging. Gerade in der ganz aktuellen Situation gibt es Menschen, die vor Ort geblieben sind, die dort noch kämpfen. Es gibt denen Hoffnung, es ist so wie der Silberstreif am Horizont.

DOMRADIO.DE: Wir erinnern uns noch an den Abriss des Doms in Immerath, der bundesweit für Aufsehen gesorgt hat. Da hat man sich ja anders entschieden als nun in Keyenberg. Was ist jetzt anders an der Situation?

Meyer-Antz: Als die Entscheidung fiel, Immerath abzureißen, gab es vielleicht grade, ich vermute aber, gab es noch nicht das Pariser Klimaabkommen. Da gab es noch nicht "Fridays for Future". Da gab es noch nicht den Schulstreik von Greta Thunberg. Diese Aufmerksamkeit für eine nachhaltige und wichtige und richtige Energiepolitik und die Bedrohung des Klimas stand vielleicht auch noch nicht so in unserem Bewusstsein. Zu dem Zeitpunkt hat die Pfarrei in Erkelenz sehr zum Leidwesen vieler Menschen aus Immerath, aus Lützerath, aus Keyenberg gegenüber den heranrollenden Baggern ein Stück weit den Weg der Flucht nach vorne angetreten.

Da hatte man die Kirchen früher verkauft, hat sie zu anderen Zeitpunkten entwidmet. Wir bei "Die Kirche(n) im Dorf lassen" haben uns ja bis heute nicht damit abgefunden, dass der Kirchort in Immerath jetzt schon lange wüst und brach liegt. Wir haben dort im vergangenen Oktober ein Kreuz aufgerichtet und eine kleine Andacht gehalten. Nachdem dieses Kreuz niedergerissen worden ist von RWE, haben wir dieses Kreuz inzwischen zum dritten Mal wieder aufgerichtet. Jetzt wird es nicht mehr niedergerissen.

Das Ganze ist aber einzuordnen in ein Panorama, in welchem sich der Kohleabbau in Garzweiler längst nicht mehr so aggressiv darstellt, wie das vielleicht vor vier, fünf Jahren der Fall war. Ich bin mir nicht sicher, dass ich Ihnen da eine Erklärung gegeben habe. Das könnte aber die Erklärung sein.

DOMRADIO.DE: Also die Entwidmung ist gestoppt, was denken Sie, wie wird es weiter gehen?

Meyer-Antz: Das hat der Bischof von Aachen ja relativ deutlich gesagt. Er selber - und dafür bin ich ihm persönlich auch sehr dankbar - weist darauf hin, dass das Land seine Energiepolitik im – politisch gesprochen – Licht des Pariser Klimavertrages und kirchlich gesprochen im Licht der Sorge um das gemeinsame Haus aus "Laudato si", nochmal überdenken muss. Er nennt den Ministerpräsidenten nicht beim Namen. Aber es wird deutlich, in welche Richtung das gehen soll.

Von daher steht es im Moment ein bisschen auf Messers Schneide. Wir können auch beobachten, dass der aus Kohle produzierte Strom jetzt schon faktisch immer teurer wird. Man sieht immer öfter Phasen, wo die Kraftwerke nur halbe Kraft fahren, wo nicht alle Schornsteine rauchen, weil alternative Energien immer deutlicher an den Horizont rücken. Wir haben große Fragen an RWE, die die Kohle teurer, aber durchaus auch an anderen Stellen, zum Beispiel in Hambach, gewinnen könnten, die aber diese Dörfer abbaggern wollen, weil es sich dort als besonders billig und einfach darstellt, auch wegen der Nähe zum Kraftwerk Neurath.

Und da haben der Bischof von Aachen und der Priesterrat in sehr kluger weise die Räume wieder geöffnet für eine zukunftsfähige Entscheidung. Wir sollten aber bei all dem nicht vergessen für alle Menschen, die davon betroffen sind in Keyenberg, vor allem auch in Lützerath, in Erkelenz: In der Pfarrei in Erkelenz ist es insgesamt eine sehr schwierige und zerreißende Situation, wo man wirklich nur beten kann, dass es sich schnell zum Besseren wendet. Für uns ist das Bessere natürlich, wenn der Kohleabbau dort gestoppt wird.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Keyenberger Kirche / © Ralf Roeger (dpa)
Keyenberger Kirche / © Ralf Roeger ( dpa )
Quelle:
DR