Auf Ignatius' Spuren vom Baskenland nach Katalonien

Ignatius im Gepäck

Während die Herbergen entlang des Jakobsweges aus allen Nähten platzen, sind Pilger auf dem Ignatiusweg durch Nordspanien oft allein. Am 31. Juli endet das Ignatianische Jahr, die Einladung auf spirituellen Wegen zu wandern, bleibt.

Autor/in:
Von Hilde Regeniter
Pilgern auf dem Ignatiusweg / © Hilde Regeniter (DR)
Pilgern auf dem Ignatiusweg / © Hilde Regeniter ( DR )

"Das ist der Startpunkt, der Kilometer Null". Jesuitenpater José Luis Iriberri steht vor dem Sanktuarium von Loyola und zeigt auf das Logo des Camino Ignaciano mit der stilisierten baskischen Basilika, dem Fluss Ebro, dem der Weg über weite Strecken folgt, bis hin zum Felsmassiv von Montserrat in Katalonien samt mediterraner Sonne. Auf knapp 700 Kilometern führt der Ignatiusweg vom Atlantik ans Mittelmeer, vom Baskenland durch die Autonomen Regionen Navarra, La Rioja und, Aragonien bis nach Katalonien. Die 27 Einzeletappen hat Pater Iriberri auf Geheiß seines Ordens seit dem Jahr 2011 erschlossen und ausgewiesen, ab 2012 waren die ersten Pilger unterwegs, aber bis ins Jubiläumsjahr 2022 hinein ist der Ignatiusweg so etwas wie ein Geheimtipp geblieben.

Ignatianisches Jahr

Vor 500 Jahren erlitt der baskische Adelige Ignatius von Loyola – der spätere Gründer des Jesuitenordens – eine schwere Verwundung, die dazu führte, dass er seine militärische Karriere beenden musste und über Wochens ans Bett gefesselt war. Dies setzte bei ihm einen Prozess der Bekehrung in Gang, bei dem lernte, nicht mehr sich selbst, sondern Gott in den Mittelpunkt zu stellen und offen zu sein für die Bedürfnisse der Menschen. "Alles in Christus neu sehen", so lautet daher das Motto eines Ignatianischen Jahres, das die Gesellschaft Jesu und die Ignatianische Familie begehen.

Ignatius von Loyola bei Gelübdefeier im Montmartre 1534 (KNA)
Ignatius von Loyola bei Gelübdefeier im Montmartre 1534 / ( KNA )

Das soll anders werden, wünscht sich Iriberri, der auch das Pilgerbüro im Zielort Manresa leitet. Touristik-Experten, so erzählt er, bescheinigen dem Ignatiusweg noch deutlich mehr Potenzial. So hofft er, dass das Ignatianische Jahr – das an die spirituelle Umkehr des Heiligen vor exakt 500 Jahren erinnert - mehr Aufmerksamkeit und damit auch mehr Pilger bringen wird. In enger Zusammenarbeit mit den Behörden der Regionen arbeitet er zum Beispiel weiter daran, das Netz der Herbergen auszuweiten und Löcher zu schließen. Denn wer zum Beispiel die Halbwüste Monegros in Aragonien in ihrer kargen Schönheit durchquert, muss bisher unter freiem Himmel campieren – hier gibt es schlicht keine Übernachtungsmöglichkeit. Und was die einen vielleicht als inspirierende Erfahrungen sehen, schreckt andere sicherlich ab.

Tagelang allein auf weiter Flur

Andererseits sieht der Ordensmann die Einsamkeit auf weiten Strecken des Weges als dessen besonderen Reiz: "Ich habe, wenn ich alleine gewandert bin, manchmal tagelang niemanden getroffen. Das hilft natürlich, um tief in sich zu blicken. Es hilft, die eigene Vergangenheit zu erforschen und neu anzuschauen."  Das gelte für alle - vom Wanderfreund bis zur Kulturliebhaberin. Besonders einladen aber wollen die Jesuiten dazu, sich ganz bewusst parallel zum äußeren Weg auch auf einen inneren Weg zu machen – zu sich selbst, zu Gott. Und sich dabei ausdrücklich auf Ignatius zu beziehen, der sich im Jahr 1522 nach einer schweren Verletzung von Loyola aus auf den Weg machte, Christus nachzufolgen.

Wie dieser Weg Jahre später endete, wissen wir: Ignatius gründete 1540 die Societas Jesu, die "Gesellschaft Jesu". Sein Wirken hallt nach, ist doch der Jesuitenorden heute die größte Ordensgemeinschaft katholischer Männer weltweit. "In den vergangenen 500 Jahren hat Ignatius‘ Spiritualität das Leben von Millionen von Menschen verwandelt", sagt Pater Iriberri. Und auf die Kraft der Veränderung haben auch viele der Pilger gesetzt, mit denen er in den vergangenen Jahren auf geistlicher Wanderschaft unterwegs war, idealerweise 30 Tage lang, immer auf den Spuren des Heiligen an den Originalschauplätzen dessen eigener Pilgerreise.

Geschichte hautnah

So beginnt auch die heutige Ignatius-Wallfahrt bei den Wurzeln, also in Loyola bei Azpeitia im Baskenland, wo schon lange eine baskische Adaption römischen Barocks das einstige Elternhaus wie ein Reliquiar umfängt. Ordensmann Iriberri erzählt an dieser Stelle immer, wie der kleine Ignatius hier als 13. und jüngstes Kind einer Adelsfamilie aufwuchs. In einer Zeit am Ende des Mittelalters, als sich die Welt dieser lokalen Adelsfamilien und ihrer ritterlichen Ideale schon im Niedergang befand. Konkurrenz und Gewalt prägten das Leben – und sicher auch den Charakter des späteren Heiligen. Als junger Mann, so Pater Iriberri weiter, habe sich Ignatius dann in die Dienste diverser Herzöge und Vizekönige begeben, sei ein ausgesprochener Lebemann und Frauenheld gewesen. Bis er 1521 in der Schlacht bei Pamplona schwer verletzt wurde. Zu Haus in Loyola lag Ignatius monatelang im Krankenbett und – so berichtet Iriberri weiter –wünschte sich zum Zeitvertreib Ritterromane. Was er zu lesen bekam waren allerdings Heiligenlegenden und Bücher über das Leben Christi – und die brachten ihm die geistige Wende. Denn sie lösten in Ignatius den Wunsch aus, diesen Heiligen nachzueifern und künftig nicht mehr einem König, sondern Jesus zu dienen.      

Die referenzierte Medienquelle fehlt und muss neu eingebettet werden.

Diese Sehnsucht, das alte Leben hinter sich zu lassen, führte Ignatius damals genauso wie Pilger heute durch unterschiedlichste Landschaften – von den schroffen baskischen Bergen durch die sanften Weinberge der Rioja, die fruchtbaren Wiesen und Äcker Navarras, das saftig grüne Flusstal des Ebro und die bereits erwähnte karge Halbwüste Aragoniens zunächst bis nach Montserrat. Schon zu Ignatius` Zeit wurde hier die schwarze Madonna verehrt, die Morenita. Nach einer Gebetsnacht zu ihren Füßen legte Ignatius endlich auch die Ritterrüstung ab und das Schwert nieder. Sein Maultier ließ er im Stall der Abtei zurück, um im groben Pilgerhemd weiterzuziehen bis in die katalonische Stadt Manresa, in der er fast ein Jahr lang in einer Höhle lebte. Just über dieser Felsgrotte erhebt sich heute das Spirituelle Zentrum der Jesuiten, in dem auch Pater Iriberri sein Pilgerbüro hat. Mit Pilgergruppen spürt er jeweils am Ende einer gemeinsamen Weit-Wanderung den inneren Aufs und Abs nach, die Ignatius an diesem Ort durchlebte. Er rang mit sich und Gott, hatte Suizidgedanken, fiel ins Koma, bettelte und betete. Am Ende schrieb Ignatius in der Höhle von Manresa seine intensiven inneren Erlebnisse nieder im "Buch der Exerzitien". Und weil Exerzitien nach Ignatius von Loyola bis heute über Ordensgrenzen hinweg eine bewährte Methode zur inneren Einkehr sind, hat Pater Iriberri sie von Anfang an zum roten Faden beim Pilgern auf dem Ignatiusweg erkoren. Ignatius` Schriften und Bücher, so sagt der Jesuit, kann jeder Mensch überall auf der Welt studieren, jeder kann auch seine Exerzitien machen: "Aber auf dem Ignatiusweg betreten wir im Wortsinn seinen Weg, wir kommen an den Orten vorbei, die für ihn wichtig waren. Für viele Pilger liegt gerade auch in der Begegnung mit diesen historischen Stätten das Potenzial zu Veränderung und Wandel."

Quelle:
DR
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