Atomkraftgegner haben zahlreiche Proteste angekündigt

Warten auf den Castor

Wenige Tage vor der erwarteten Ankunft des Castortransportes im Wendland hat sich Gusborn herausgeputzt. Viele Einwohner des aus zwei Ortsteilen bestehenden Dorfes haben vor ihren Häusern Anti-Atom-Transparente aufgespannt und Fahnen mit der lachenden gelben Sonne auf rotem Grund gehisst. Sie haben gelbe Latten zu jenem "X" zusammengenagelt, das die "X-tausendmal quer"-Bewegung als ihr Erkennungssymbol geprägt hat, und in Vorgärten, vor Stalltüren und auf den abgeernteten Feldern aufgestellt. Kleinere gelbe Kreuze baumeln wie Weihnachtsschmuck an manchen Sträuchern.

Autor/in:
Max Eckart
 (DR)

Das im Wendland allgegenwärtige «X» wirkt wie ein Zeichen der Verschworenheit gegen die Atommülltransporte. Es steht für «Nix» - «nix Castor, nix Atomkraft, wi wullt den Schiet nich hebben», lautet der auf Plattdeutsch gehaltene Protestslogan. Gusborn liegt an der Strecke, auf der die Behälter in den vergangenen Jahren mit Lastwagen ins Zwischenlager gebracht wurden. Die meisten Leute hier sind Atomkraftgegner.

Am Freitagabend soll der Transport nach Informationen der Bürgerinitiativen in Frankreich starten. Mit der Ankunft des Atommüllzuges im Wendland wird am Sonntag gerechnet. In Dannenberg soll dann ein Kran die elf Behälter mit hochradioaktiven, in Glas eingeschmolzenen Abfällen aus der Wiederaufarbeitung auf Tieflader hieven. Sie werden den Müll die letzten 20 Kilometer ins Zwischenlager Gorleben bringen.

Heißer als bisher
Die Abfälle aus La Hague werden in diesem Jahr erstmals in Castorbehältern französischer Bauart nach Gorleben gebracht. Der Einsatz neuer Container war nötig geworden, weil der noch zu transportierende Restmüll wegen des stärkeren Abbrands der AKW-Brennstäbe heißer ist und stärker strahlt, als die bisher angelieferten Abfälle. Im kommenden Jahr soll kein Castortransport rollen, weil es Verzögerungen bei der Prüfung der deutschen Behälter gab.

Insgesamt stehen aus La Hague noch drei Atommülltransporte nach Gorleben mit jeweils elf Castorbehältern an. Anschließend sollen noch 21 Behälter aus der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield in den Kreis Lüchow-Dannenberg gebracht werden. Bislang stehen im Gorlebener Zwischenlager 80 Castoren mit hochradioaktivem Atommüll. Sie werden oberirdisch in einer Halle gelagert.

In dem als Endlager geplanten Salzstock von Gorleben lagert noch kein Atommüll. Das haben die massiven Proteste bis heute verhindert. Der Salzstock wurde noch nicht als Endlager deklariert, sondern befindet sich offiziell noch in der Erkundungsphase.  

"Asse" hat die Stimmung angeheizt
Die Atomkraftgegner haben zahlreiche Protestaktionen gegen den Castortransport angekündigt. Und sie rechnen mit großem Zulauf. «In diesem Jahr werden etliche mehr kommen, weil die Auseinandersetzung über das Lager Asse und das Thema Renaissance der Atomkraft die Stimmung mächtig angeheizt haben», sagt Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg. Aus mehr als 50 Städten wollen Unterstützer mit Bussen am Samstag zur großen Demonstration kommen.

Auch die Initiative «X-tausendmal quer» stellt eine «große Unterstützung für unser Anliegen» fest. «Viele Menschen werden mit Kind und Kegel an den Aktionen teilnehmen», glaubt Sprecher Jochen Stay. Selbst Politiker von Grünen und Linken würden sich an nicht erlaubten Blockaden beteiligen. «Es ist gute wendländische Tradition, dass sich an diese Verbote kein Mensch hält», sagt Stay.

Bauern bieten Demonstranten ein Dach über dem Kopf
Der Ort Metzingen am Rande des Wendlands hat sich zum «Widerstandsnest» erklärt. «Wir stellen uns darauf ein, Hunderte von Gästen zu beherbergen», erzählt eine Bäuerin. «Die Leute sollen wissen, dass sie trocken und warm unterkommen können, wenn sie zu den Castor-Aktionstagen reisen». Es sei wichtig, dass Einheimische und Auswärtige gemeinsam ein Zeichen gegen Atomkraft setzten. «Ohne ein trockenes Dach und was Warmes im Bauch geht das nicht.»

Die in der sogenannten «Bäuerlichen Notgemeinschaft» zusammengeschlossenen atomkritischen Landwirte aus dem Wendland wollen ihr Hauptquartier in Gedelitz aufschlagen. Dort soll die «Republik Freies Wendland» wieder erstehen - ein Dorf aus Hütten, Zelten und Strohballen mit eigenem Schlagbaum und eigener Passstelle. Zur Demonstration am Samstag wollen die Bauern mit mehr als hundert Traktoren und Dutzenden «Stunkwagen» anrollen.

In den Wäldern bei Hitzacker haben Atomgegner ein «Wettloopen tüschen den Haasen und den Swinegel» angekündigt. Kindergärten wollen mit Laternenumzügen, Reiter mit einer «Pferdeprozession» gegen den Castortransport demonstrieren. Im «Musenpalast» in Laase soll es rund um die Uhr ein «Kulturprogramm gegen Castor» geben, in der Langendorfer Kirche treten Chöre und Bands auf. Mobile Küchen wollen die Demonstranten mit Suppe, Eintopf und heißen Getränken versorgen.

Tausende Polizisten bahnen dem Castor den Weg
«Die Castorgegner haben viele fantasievolle Aktionen angekündigt und im Vorfeld ja auch schon gemacht», bestätigt Polizeisprecherin Wiebke Timmermann. Anders als die Bürgerinitiativen, geht die Einsatzleitung nicht von wesentlich mehr Demonstranten als in den Vorjahren aus. Gegen den bislang letzten Atommülltransport hatten 2006 rund 5000 Menschen protestiert. Mehr als 10 000 Beamte bahnten dem Transport damals den Weg.

An der Transportstrecke und rund um die Atomanlagen haben die Beamten inzwischen mit umfangreichen Sicherungsmaßnahmen begonnen. Mit Absperrgittern, Flatterband und scharfkantigem Stacheldraht wurden unter anderem der Dannenberger Bahnhof, das Gelände um den Verladekran sowie das Zwischenlager in Gorleben abgesperrt. Zu Fuß und in Mannschaftswagen patroullieren Polizisten auf Bahnübergängen, auf Brücken und Feldwegen.