Friedensbewegung lehnt Verlängerung von Kraftwerkslaufzeiten ab

Das gefährliche Spiel mit den Atomen

Obwohl der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland seit 24. Februar 2002 rechtsverbindlich ist, rütteln angesichts steigender Energiepreise und der Klimaschutzdebatte Lobbygruppen und Parteien, aber auch manche Umweltschützer an der Entscheidung. Für Mitglieder der deutschen Friedensbewegung, die sich derzeit für den Abzug amerikanischer Atomwaffen aus Deutschland einsetzen, ist die Diskussion indes kaum verständlich.

Autor/in:
Dieter Junker
 (DR)

Sie wenden sich vehement gegen Pläne, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern oder gar neue Kernkraftwerke zu bauen. Elke Koller, Sprecherin der Friedensgruppe Cochem-Zell, hält Kernenergie für eine "Vergangenheits- und keine Zukunftstechnologie".

Früher setzte sich die promovierte Apothekerin bei den Grünen gegen Castor-Transporte entlang der Mosel ein, heute organisiert sie in der Eifel den Protest gegen die im Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel vermuteten US-Atomwaffen. "Anreicherung und Wiederaufbereitung sind eine Schnittstelle zwischen ziviler und militärischer Nutzung der Kernkraft", erklärt sie. Und weil eine militärische Nutzung nie auszuschließen sei, sind für Koller eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten oder sogar ein Neubau von Kernkraftwerken nicht diskutabel.

Eine Technologie, die keine Fehler zulässt
Auch der evangelische Pfarrer Matthias Engelke aus Nettetal-Lobberich hält eine Trennung zwischen ziviler und militärischer Nutzung für nicht eindeutig machbar. Auf Dauer gehe von Atomkraftwerken immer auch eine Friedensgefährdung aus: "Gerade die USA sagen doch immer wieder, dass der Iran sein ziviles Atomenergieprogramm militärisch nutzen will", sagt der Sprecher des "Initiativkreises gegen Atomwaffen".

"Atomwaffen und Atomenergie sind nicht zu trennen", meint auch Roland Blach aus Kornwestheim, Koordinator der bundesweiten Kampagne "Unsere Zukunft  atomwaffenfrei", mit Blick auf die aktuelle Diskussion über den Iran. Die Unfälle in schwedischen und jüngst in französischen Atomkraftwerken demonstrierten, dass Sicherheitsrisiken auch bei der zivilen Nutzung nicht auszuschließen sind. Dieses Argument ist auch für Heidrun Kisters von der Friedensinitiative Hunsrück entscheidend: "Kernenergie ist eine Technologie, die keine Fehler zulässt. Aber Menschen machen Fehler." Die Folgen eines Unfalls wie in Tschernobyl wären im dicht besiedelten Mitteleuropa ungleich schwerwiegender.

Vorbild Deutschland?
Auf Zustimmung, aber auch Skepsis stößt in der Friedensbewegung der Vorschlag von SPD-Vordenker Erhard Eppler, der anregte, eine Verlängerung der Laufzeiten mit einer Verankerung des Atomausstiegs im Grundgesetz zu verknüpfen. "Über den Vorschlag kann man verhandeln", meint Matthias Engelke. Auch Elke Koller hält das Modell für diskussionswürdig: "Die Eppler-Idee ist schon irgendwie faszinierend, aber ich bin da doch etwas zwiespältig", sagt sie mit Blick auf die dann mögliche Verlängerung der Laufzeiten.

"Der Vorschlag von Erhard Eppler ist sicher sympathisch, und eine Verankerung des Atomausstiegs in der Verfassung wäre sicher gut", urteilt Roland Blach, der auch baden-württembergischer Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen ist und sich in den 90er Jahren in der Atomteststopp-Kampagne engagierte. Aber für ihn bleibt die Koppelung mit den Laufzeiten höchst problematisch. Heidrun Kisters würde den im Grundgesetz fixierten Ausstieg begrüßen, aber nicht zum Preis eines Junktims. "Eine Verlängerung der Laufzeit bedeutet auch eine Verlängerung des Risikos."

Roland Blach betont: "Deutschland sollte auf keinen Fall anderen Ländern in Sachen Kernenergie nacheifern, sondern beim Atomausstieg zum Vorbild für andere Länder werden."