Asyl für gefährdete Kopten in Deutschland?

"Die meisten wollen in Ägypten bleiben"

Nach den Anschlägen auf koptische Christen in Ägypten werden die Forderungen nach deren Schutz eindringlicher. Der Stephanuskreis der CDU/CSU-Fraktion denkt nun laut über eine intensive Prüfung von Asyl-Anträgen für Gefährdete nach.

Trauerfeier nach dem Anschlag in Alexandria / © Samer Abdallah (dpa)
Trauerfeier nach dem Anschlag in Alexandria / © Samer Abdallah ( dpa )

domradio.de: Der Stephanuskreis beschäftigt sich intensiv mit der Verfolgung von Christen in aller Welt. Sie fordern, dass die Asyl-Anträge von Kopten in Deutschland noch einmal genauer geprüft werden sollten. Warum?

Prof. Dr. Heribert Hirte (Vorsitzender des Stephanuskreises der CDU/CSU-Bundestagsfraktion): Das ist eine der Folgerungen, die sich aus dem Anschlag ergibt. Es gab einerseits die Information über die Lage in Ägypten, von der es hieß, es sei relativ ruhig was die religiösen Auseinandersetzungen angeht. Wir hatten aber andererseits schon seit Monaten Hinweise darauf, dass sich die Situation ändern könnte. Es gab gerade von koptischen Flüchtlingen, die sich hier in Deutschland aufhalten die Hinweise darauf, dass sie vor ihrer Flucht massiver Verfolgung ausgesetzt waren. Das scheint sich jetzt jedenfalls im Ansatz zu bestätigen.

domradio.de: Glauben Sie denn, dass die ägyptischen Kopten nach diesen Anschlägen verstärkt den Weg nach Deutschland suchen und Asyl beantragen werden?

Hirte: Nein, das glaube ich nicht. Für die meisten Menschen gilt, dass sie in ihrer Heimat bleiben wollen und dort sicher leben möchten. Wir müssen und werden darauf hinwirken, dass sie diese Sicherheit wieder erlangen. Was wir sehen, ist die Spitze eines Eisberges. Das sind die Fälle der besonders stark Verfolgten, die in ihrem Land keinerlei Chance mehr sehen.

domradio.de: Der ägyptische Staatspräsident Al-Sisi hat für drei Monate einen Ausnahmezustand verhängt und bereits Armeeeinheiten in Bewegung gesetzt, um wichtige Gebäude, auch Gotteshäuser zu schützen. Wie beurteilen Sie diese Maßnahme?

Hirte: Das ist so, wie mit allen Sicherheitsmaßnahmen. Vermutlich bringt es schon etwas, aber man wird sie mit Sicherheit auch unterlaufen können. Es gibt auch Menschen bei den Sicherheitskräften, die falsche Informationen herausgeben und sozusagen mit Terroristen zusammenarbeiten. Das alles lässt sich nicht vorhersehen. Wir wissen, dass auch bei uns zivile Einrichtungen, die gut geschützt waren, angegriffen wurden. Insofern gibt es keine absolute Sicherheit.

domradio.de: Jetzt gibt es in Bezug auf die Kopten in Ägypten eine diffuse Grundsituation. Im Norden Ägyptens, im Sinai, hat es der sogenannte Islamische Staat mehr oder weniger geschafft, die Kopten zu vertreiben. Aber auch im restlichen Ägypten gibt es Menschen, die zwar nicht unbedingt mit dem IS sympathisieren, aber die durchaus den Kopten feindlich entgegenstehen. Wie kann in einer solchen Gesellschaft und einem solchen Umfeld etwas für den Schutz der Kopten getan werden?

Hirte: Sie sprechen einen Punkt an, den wir eigentlich in vielen Ländern außerhalb der westlichen Welt beobachten, nämlich dass Religion häufig die sogenannte Stammesreligion ist. Das bedeutet, wenn der Stammesführer einer Religion angehört und ein anderer einer anderen Religion angehört, dann sind natürlich Verteilungskämpfe immer auch religiöse Kämpfe. Die Trennung von Staat und Religion, wie sie bei uns eigentlich in Fleisch und Blut übergegangen ist, muss weltweit zu einem Kern der Freiheitsrechte und der Freiheitsvorstellung gemacht werden. Das ist das, was eigentlich unsere Aufgabe ist.

domradio.de: Der ägyptische Präsident Al-Sisi ist aber durchaus umstritten. Wie kann denn da mit einer solchen politischen Führung dieses Ziel erreicht werden?

Hirte: Das ist eines der Probleme. Wir sehen natürlich, dass wir bei der Frage der Religionsfreiheit auch immer wieder mit Menschen sprechen müssen, die ihrerseits die Religionsfreiheit für andere nicht so wahren wie wir das von ihnen erwarten.

domradio.de: Jetzt sind wir auch hier in Europa durch das Aufkommen des Rechtspopulismus mit der Frage konfrontiert, was wir eigentlich für unsere Identität tun. Besonders wenn man auf solche Konflikte schaut, müssten wir dann nicht auch in Deutschland und Europa mehr dafür tun, um Christen im Rest der Welt zu schützen?

Hirte: Das müssten wir. Das ist völlig richtig. Das Bewusstsein dafür, dass wir uns um die Christen in der ganzen Welt kümmern müssen, ist eigentlich erst in den letzten Jahren aufgekeimt. Als Christen ist es wichtig, sich dafür einzusetzen, dass Religionsfreiheit insgesamt und Religionsfreiheit für Christen in der Welt hergestellt werden kann.

domradio.de: Wie kann das effektiver erreicht werden?

Hirte: Als erstes muss man Vorbild sein. Wir sind mit unserem Verständnis der Religionsfreiheit in einer Vorbildfunktion. Auch die Vereinigten Staaten und Länder wie die Schweiz, bei denen man manchmal vergisst, dass sie aus religiösen Kämpfen hervorgegangen sind, haben es geschafft, die religiöse Diversität ihrer Länder nicht nur zu tolerieren, sondern zu einem Alleinstellungsmerkmal zu kommen.

Deshalb hat mir die Entwicklung nach der Wahl von Donald Trump, der sich ganz bewusst gegen eine Religion gestellt hat, Sorge gemacht, weil sie nicht nur eine Positionierung gegen den Islam, sondern indirekt eine Positionierung gegen die Christen im Nahen Osten war. Das haben auch viele christliche Organisationen genauso gesehen.

Das Interview führte Christoph Paul Hartmann.


Prof. Heribert Hirte / © Gregor Fischer (dpa)
Prof. Heribert Hirte / © Gregor Fischer ( dpa )
Quelle:
DR
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