In Assisi feiern die Orden des Franziskus 800 Jahre Geschichte

Die franziskanische Familie rückt zusammen

Die Franziskaner feiern in diesem Jahr 800-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass kommen die Ordensleute in diesen Tagen zu einem Großtreffen im italienischen Assisi zusammen. Zu dem Kongress in der Heimatstadt des heiligen Franziskus werden 2.000 Vertreter der vier Ordenszweige erwartet. Das Jubiläumstreffen erinnert an die Bestätigung der Ordensregel durch Papst Innozenz III. im Jahr 1209.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Es geht auch um die Beschwörung der charismatischen Anfänge, wenn Franziskus-Jünger aller Ordensrichtungen in die Heimatstadt ihres Gründers pilgern. Mit einem «Mattenkapitel» in Assisi erinnern sie an die Anerkennung ihrer Ordensregel vor 800 Jahren durch Papst Innozenz III.

Der Name der Zusammenkunft bezieht sich auf das erste große Treffen noch zu Lebzeiten des heiligen Franziskus, als die rund 5.000 Brüder keinen Platz in den Herbergen des umbrischen Landstädtchens fanden und deshalb auf mitgebrachten Flechtmatten nächtigten. Jetzt werden es 2.000 Teilnehmer aus 65 Ländern sein, die von Mittwoch bis Samstag Stand und Zukunft ihrer Bewegung erörtern.

Franziskus, einst Kaufmannssohn und Lebemann, begann seinen geistlichen Weg mit einer radikalen Umkehr zum Evangelium. Seitdem steckt seinen Anhängern der Geist der institutionalisierten Revolution in den Knochen. Immer wieder haben sie sich neu erfunden: Im Streit um die Auslegung der Ordensregel spalteten sich nach 1250 die Spiritualen ab, 1517 trennten sich die Konventualen - heute Minoriten genannt - von den Observanten - im Sprachgebrauch Franziskaner. 1525 formten sich die Kapuziner; ihr Gründer tarnte sich auf der Flucht als Kamaldulenser, der zweite Leiter des Ordens wurde von seinen Brüdern 1536 ausgeschlossen. Ähnlich bewegt gestaltet sich die Geschichte der Frauenorden und franziskanisch lebender Laien, der sogenannten Terziaren.

Rückbesinnung und Neuaufbruch stehen auf dem Programm, wenn sich in Assisi die Repräsentanten der männlichen Ordenszweige an ihrem Ursprungsort versammeln. Raniero Cantalamessa, Kapuziner und Hausprediger des Papstes, wollte in seinem Eröffnungsreferat zu einer «katholischeren» Beachtung der Franziskusregel aufrufen. In den folgenden Arbeitsrunden soll es um franziskanische Identität und das Verhältnis zur Mutter Kirche gehen, um das Engagement in Mission, Bildung, Medien und interreligiösem Dialog. Am Samstag reist eine Abordnung zu Papst Benedikt XVI. nach Castelgandolfo.

Auch wenn die franziskanischen Ideale inzwischen auch in anderen Konfessionen und Religionen, bei Protestanten, Anglikanern oder Buddhisten Anhänger gefunden haben - die Orden selbst ringen teilweise um ihren Bestand. Von Krise und Herausforderung ist beim Jubiläumstreffen die Rede. «Unsere franziskanische Familie ist geschwächt, besonders in Europa», heißt es in einem Vorbereitungsschreiben der Generaloberen. Als Grund nennen sie schwindende Mitgliedszahlen, eine Verunsicherung über die Ordensidentität, die Versuchung zur Resignation.

Hier und da wachsenden Gemeinschaften zum Trotz - im weltweiten Mittel geht es bergab. Minoriten und Terziaren hielten in den vergangenen zehn Jahren etwa ihren Stand von 4.500 beziehungsweise 860 Mitgliedern. Die Kapuziner - augenblicklich knapp 11.100 - verloren im letzten Jahrzehnt 250 Männer; seit 1979 waren es über 1.200. Bei den Franziskanern vollzog sich - nach einem erklecklichen Wachstum noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - ein wahrer
Aderlass: Von gut über 21.300 im Jahr 1979 auf 15.130, ein Schwund von 29 Prozent.

Im deutschen Sprachraum zeigt sich die Schrumpfung auch in den
Strukturen: Nächstes Jahr vereinigen sich die bislang vier Franziskanerprovinzen zwischen Nordsee und Alpen zu einer einzigen, deren Leitung dann in München sitzt. Die österreichischen Franziskaner legten bereits stufenweise ihre Provinzen zu einer einzigen zusammen; im Sommer schließen sich ihnen die zwei Dutzend Schweizer Mitbrüder als abhängige Kustodie an. Auch zwischen den einzelnen Orden wächst die Kooperation, während das Personal ausdünnt.

Dass die franziskanische Familie zusammenrücken muss, spüren ihre Delegaten auch in Assisi: Zwar brauchen sie anders als ihre Vorfahren nicht auf mitgebrachten Strohmatten Platte zu machen, aber das Organisationskomitee wies darauf hin, dass für die meisten Teilnehmer nur Doppelzimmer zur Verfügung stehen - verbunden mit einer Erinnerung an die franziskanische Bußgesinnung.