Der Franziskanerorden wird 800 Jahre alt - Ein Blick auf die Geschichte

"Arm dem armen Christus folgen"

Es gab Grund zum Feiern für die zwölf Männer, als sie im Frühjahr 1209 aus Rom nach Assisi zurückkehrten. Papst Innozenz III. hatte ihnen probeweise erlaubt, nach ihrer Ordensregel in Armut zu leben und Buße zu predigen. Die Probe hat die Gemeinschaft offenbar bestanden. Die Franziskaner begehen in diesem Jahr ihr 800-jähriges Ordensjubiläum; am Mittwoch begann zum Auftakt ein dreitägiger Kongress in Assisi. Mit rund 15.500 Mitgliedern weltweit sind sie der zweitgrößte Orden der katholischen Kirche.

Autor/in:
Agathe Lukassek
 (DR)

Dabei hatte der heilige Franz von Assisi (1181/82-1226) ursprünglich anderes im Sinn. Der junge Mann aus einer wohlhabendem Tuchhändler-Familie verzichtete nach Kriegsgefangenschaft und der Begegnung mit Aussätzigen auf eine weltliche Karriere, um beseelt vom Glauben verfallene Kirchen seiner Heimatstadt aufzubauen. Schnell fand der charismatische Aussteiger weitere Anhänger. Auf der Suche nach Grundlagen für das gemeinschaftliche Zusammenleben suchte Franziskus Rat in den Evangelien. Und legte der Legende zufolge nach kurzer Zufalls-Lektüre, dem sogenannten Bibel-Orakel, das auch für den späteren Orden geltende Grundprinzip fest: «Arm dem armen Christus folgen.»

Damit wurden die Franziskaner zusammen mit den etwa zeitgleich gegründeten Dominikanern zu den ersten Bettelorden der abendländischen Kirchengeschichte. Die neuen Gemeinschaften antworteten auf die spezifischen Bedürfnisse der hochmittelalterlichen Gesellschaften, indem sie einerseits die Seelsorge in den aufstrebenden Städten und Handelszentren intensivierten und andererseits das Geistesleben an den neu gegründeten Universitäten maßgeblich mit beeinflussten. Nicht umsonst fanden sich so berühmte Gelehrte wie der Franziskaner und Scholastiker Johannes Duns Scotus (1266-1308) oder der Dominikaner und Kirchenlehrer Albertus Magnus (um 1200-1280) in ihre Reihen.

Zu Reformorden im eigentlichen Sinne wurden diese Gemeinschaften aber auch durch ihre strikte Hinwendung zur Besitzlosigkeit. Die radikale Botschaft des Franziskus provozierte auch Päpste, Amtskirche und reiche Klöster. Mehr als einmal drohte die mittelalterliche Armutsbewegung in Häresien abzudriften.

Wie streng man die Regel freilich auslegen sollte, darüber gab es in der Folgezeit auch Dispute unter den Franziskanern selbst. Mit der Folge, dass es seit dem 16. Jahrhundert drei Ordenszweige gibt: die Franziskaner, die Minoriten und die Kapuziner. Diese drei Orden zählen weltweit 30.000 Mitglieder, zu der gesamten franziskanischen Familie gehören jedoch über 650.000 (auch nichtkatholische) Christen. Allein Franziskus rief außer seiner eigenen Gemeinschaft im Jahre 1212 zusammen mit der heiligen Klara von Assisi (1194-1253) die Klarissen und später den sogenannten «Dritten Orden» für Laien ins Leben.

Lange Zeit wurde der populäre Gründervater vereinfacht als ein etwas schlichter Frommer dargestellt, der sogar den Vögeln predigte. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil setzte jedoch ein Image-Wandel ein, der die Arbeit der Ordensfamilie in allen Teilen der Erde bis heute prägt. Achtung vor der Schöpfung und der Gedanke, mit Taten zu überzeugen, statt mit der Bibel zu missionieren, wurde zum Grundgedanken franziskanischen Wirkens, der sich beispielsweise auch in dem Engagement der Franciscans International als Nichtregierungsorganisation bei den Vereinten Nationen manifestiert.

Zu erkennen sind die meisten Franziskaner an ihrer Ordenskleidung. Ihre braune Kutte wird von keinem Gürtel gehalten, sondern nur von einem weißen Strick mit drei Knoten. Typisch ist auch eine Kapuze, die den Kapuzinern sogar ihren Namen gab, da diese bei ihnen besonders spitz zuläuft. Inwiefern der charakteristische Habit bereits in den ersten Vorschriften des Franziskus erwähnt wird, lässt sich kaum mehr ermitteln. Die kurze Regel, die der Papst wohl am 16. April 1209 mündlich bestätigte, ist nicht erhalten. Franz von Assisi schrieb allerdings noch zwei weitere Fassungen, von denen eine 1223 durch Papst Honorius III. auch schriftlich approbiert wurde. So gesehen hätten die Franziskaner in 14 Jahren wieder einen Grund, ihr 800-jähriges Jubiläum zu feiern.