Arm und Reich in Deutschland driften nicht weiter auseinander

Kein Anschluss an die Mitte

Die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland ist laut Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles nicht weiter auseinandergegangen. Das erklärte die Ministerin am Dienstag nach der letzten Expertenanhörung zum Armuts- und Reichtumsbericht.

Schere zwischen Arm und Reich / © Henning Kaiser (dpa)
Schere zwischen Arm und Reich / © Henning Kaiser ( dpa )

Zugleich hätten die untere Einkommensgruppen trotz Mindestlohn und guter Konjunktur den Anschluss an die Mitte nicht bekommen, räumte die Ministerin ein. "Da müssen wir ran, damit das nicht einreißt."

Der 650 Seiten starke Bericht befindet sich in der finalen Bearbeitungsphase und soll im Frühjahr vom Kabinett beschlossen werden. Er orientiert sich an den vorherigen Fassungen und versucht Berichtslücken zu schließen. Neu ist unter anderem eine Befragung von Hochvermögenden sowie eine Analyse von politischer Beteiligung und Einfluss je nach Einkommen und sozialer Lage.

Diakonie: Befunde zu Kinderarmut und Wohnungsnot werden nicht aufgearbeitet

"Wir haben sehr intensive Kenntnisse über die Armut in Deutschland", sagte Nahles. Aber bezüglich des Reichtums gebe es kaum Daten. "Ich möchte ein wenig Ausleuchten, was Reichtum an Einfluss hat in unserer Gesellschaft und wo Reichtum überhaupt herkommt." Fest stehe, Reichtum werde zum guten Teil vererbt. "Da stellt sich die Frage, inwieweit auch wieder von diesen höhen Vermögen, die vererbt werden, ein Teil an die Gesellschaft zurückgegeben werden kann", sagte Nahles.

Die Diakonie Deutschland kritisierte eine falsche Gewichtung der Ergebnisse. Während zu Beginn jedes Kapitels zunächst die wirtschaftlichen Erfolge erläutert würden, stünden die sozialpolitischen Befunde versteckt in hinteren Textteilen, sagte der Vorstand Sozialpolitik, Maria Loheide. "Die wichtigen Befunde zur Kinderarmut, Wohnungsnot oder Benachteiligung aufgrund des Geschlechts werden nicht systematisch aufgearbeitet."

So drohe Frauen, insbesondere nach Trennungen und als Alleinerziehende, nicht nur aktuell, sondern auch im Alter weiterhin Armut. Und auch wenn Arbeitslosigkeit und Sozialleistungsbezug abnähmen, sei die relative Armut größer geworden, führte Loheide weiter aus. Die reichsten Haushalte hätten einen immer größeren Anteil am Gesamteinkommen. Die Diakonie Deutschland appellierte vor diesem Hintergrund an die Bundesregierung, auf "Schönfärberei" zu verzichten und einen unabhängigen Sachverständigenrat für eine Begutachtung zu Rate zu ziehen.

AWO: Armutsbericht ist verpasste Chance

Kritik kam auch von der AWO. Diese bezeichnete den Bericht als "verpasste Chance". Neben einer ehrlichen Bestandsaufnahme müsse die Analyse konkrete gesetzgeberische Maßnahmen gegen Armut und für mehr Verteilungsgerechtigkeit vorschlagen. Wichtige Schlussfolgerungen etwa zur langfristigen Verkleinerung der Schere zwischen Arm und Reich fehlten jedoch.

Die Caritas hatte zuvor bereits mehr präventive Hilfen gegen Armut gefordert. Die Regierung müsse über ihre Analysen hinaus endlich aktiv gegen Armut und verdeckte Armut vorgehen. Nach wie vor nähmen viele bedürftige Menschen gar keine Hilfe in Anspruch.


Quelle:
KNA