Seelsorger sieht noch viele Herausforderungen nach Hochwasser

Arbeiten an neuem "Lebensgefühl Ahr"

Rund vier Monate sind seit der verheerenden Flut vergangen. Doch die psychischen Folgen der Hochwasserkatastrophe werden das Leben an der Ahr nach Ansicht des evangelischen Pfarrers und Seelsorgers Bernd Bazin noch lange Zeit prägen.

Autor/in:
Claudia Rometsch
Nach der Hochwasser-Katastrophe an der Ahr / © Julia Steinbrecht (KNA)
Nach der Hochwasser-Katastrophe an der Ahr / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Klar ist, dass die Verarbeitung dieser Flutereignisse für viele Menschen noch Jahre dauern wird", sagte der Leiter der Hochwasserseelsorge der Diakonie Katastrophenhilfe an der Ahr dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Je nachdem, was sie erlebt haben, werden die Ereignisse für viele Betroffene sogar zum Lebensthema werden." Im Extremfall sei sogar damit zu rechnen, dass Traumata an nachfolgende Generationen weitergegeben würden.

Zugleich sei niemand diesem Trauma ausgeliefert, betonte Bazin, der früher auch als Militärseelsorger tätig war. "Es ist möglich, dass man diese Erlebnisse in die eigene Lebensgeschichte integriert und daraus mit Widerstandsfähigkeit und Lebensfreude hervorgeht", sagte er. Dazu wolle das siebenköpfige Fluthilfe-Team der Diakonie Katastrophenhilfe beitragen, das seelsorgerische und psychologische Unterstützung anbietet.

"Wir wollen mit den Menschen zusammen wieder eine gute Zukunft erarbeiten. Nicht nur für den einzelnen, sondern auch für dieses 'Lebensgefühl Ahr'", unterstrich Bazin. Denn die Leichtigkeit und Gemütlichkeit, die das Tal vor der Flut geprägt habe, sei komplett zerstört worden.

Viele Betroffene sind Opferrolle leid

Rund vier Monate nach der Katastrophe seien viele Betroffene ihre Opferrolle leid, erläuterte der Seelsorger. Im Zuge der Unterstützungsgebote sei es wichtig, die Selbstbestimmtheit der Menschen zu respektieren und keine Hilfe aufzudrängen. Deshalb verstehe sich sein Team auch als "Think Tank", der die Bedürfnisse erfasse und dazu passende Angebote mache.

So werde derzeit etwa ein Unterstützungsangebot für Menschen entwickelt, die zum Beispiel als Angehörige der Feuerwehr oder als Ersthelfer im Einsatz waren. "Auch die vermeintlich Starken sind betroffen," erklärte Bazin. Manche Helfer seien sogar durch die Erlebnisse im Einsatz und die persönlichen Verluste doppelt belastet.

Langsam beginnt das Nachdenken

"Diese Menschen waren teilweise bis vor kurzem noch im Aktionsmodus, kommen jetzt erst zum Nachdenken und brechen nun zunehmend zusammen."

Auch Paare und Familien bräuchten zunehmend Unterstützung, sagte Bazin. Das Funktionieren in der Katastrophe habe in manchen Fällen Probleme zunächst überdeckt. "Und jetzt treten die Konflikte in den Ehen oder innerhalb der Familie zutage." Hier verstärkt Beratung anzubieten, werde für sein Team eine Aufgabe der Zukunft sein.


Quelle:
epd